Weitere Untersuchungen belegen, dass der Nachwuchs von Zahnbehandlungs-Phobikern die betreffenden Ängste häufiger entwickelte als andere Kinder. Psychologen haben dafür auch einen Fachbegriff: Modelllernen. Die Kleinen beobachten das Verhalten der Eltern und ahmen es unbewusst nach. Das Kind einer ängstlichen Mutter wird so auf die bevorstehende Zahnbehandlung vorbereitet, dass es empfindlicher auf Schmerzen reagiert als eines, dessen Mutter sich unbekümmerter in Sachen Zahnarzt verhält. Ähnliche Phänomene finden wir auch in anderen Bereichen. Wenn etwa die Mutter Angst vor Hunden hat und panisch reagiert, wenn nur in der Ferne schon ein Vierbeiner auftaucht, überträgt sich das auch aufs Kind.
Das ist aber nicht die einzige Erklärung, denn es gibt auch Patienten, die schon immer ängstlichwaren, ohne dass ein traumatisches Ereignis oder übernervöse Eltern als Ursache herhalten mussten. Hier dürften die Ängste, die dann häufig auch mit anderen psychischen Störungeneinhergehen, andere Gründe haben. Oft hängen sie auch mit anderen Phobien zusammen, etwa die Angst, Blut zu sehen, oder die Angst vor Spritzen. Gerade bei Leuten mit geschädigtem Gebiss ist es oft auch die Scham, dem Zahnarzt seine schlechten Zähne zu zeigen und den Mund zu öffnen, sich dessen Urteil anzuhören:
„Mein Gott, wie sehen denn Ihre Zähne aus?!“ Generell sind Angst-Patienten natürlich auch sehr empfänglich für eine Dentalphobie, wo sie ja reale Schmerzen spüren und auszuhalten haben. Normale Phobien gehen dagegen eher weniger mit unangenehmen Gerüchen, Schmerzen, Spritzen und Blut einher. Aber das Feld ist eben noch sehr in der Erforschung. Eine Dentalphobie misst sich an subjektiven Kriterien wie andere Phobien auch: Schweißausbrüche, Herzrasen, Verkrampfung und vieles mehr. Man hat eben keinen Bluttest, keine Röntgenaufnahme oder ein Ultraschall-Ergebnis, die klare Diagnosen liefern.
Phobie kann auch später entstehen
Möglich ist es aber auch, dass sich die Angstzustände im Zusammenhang mit einer Zahnbehandlung erst im Erwachsenenalter manifestieren. Sie haben als Kind das Ausfallen der Milchzähne längst vergessen und als nicht so schlimm in Erinnerung. Erst bei einer echten Zahnbehandlung aufgrund versteckter Parodontitis zum Beispiel kommen Sie – sarkastisch gesagt – in den Genuss eines kreischenden Bohrers und sprühender kalter Druckluft. Das erste markerschütternde Erleben eines Stichs in die Zahnwurzel dürfte bei den meisten bleibende unangenehme Erinnerungen auslösen. Sie können sich alles zwar vorstellen, hatten aber nie das echte „Vergnügen“. Und dann bekommen Sie Ihr erstes Trauma. Keiner kann sich davon freimachen, das Bohrgeräusch als unangenehm zu empfinden. Und sobald der Zahnarzt mit dem Spatel zwischen den Zähnen kratzt oder die kalte Luft durch Zwischenräume pustet, erschauert uns dieses Gefühl.
Deshalb kommt es ganz besonders auf den Zahnarzt an – und auf sein Einfühlungsvermögen. Ganz wichtig ist deshalb der Umgang mit Kindern auf dem Behandlungsstuhl. Wenn das Kind Vertrauen durch umsichtige Ärzte findet, dann ist schon viel erreicht. Auch die Eltern haben hier eine wichtige Funktion, weil sie quasi näher an ihrem eigenen Kind dran sind. Eltern können ihren Jüngsten den Gang zum Arzt wesentlich erleichtern. Aber auch Erwachsenen muss die Angst genommen werden. Denn schlechte Erfahrungen beim Zahnarzt rufen auch bei Ihnen schließlich Ängste hervor.
Die Fehler der Vergangenheit
Früher kannte man ja die Zahnärzte alten Schlages, die mitunter brachial an die Behandlung herangingen. Ohne Rücksicht auf Verluste wurde gebohrt, wurden die Spritzen gesetzt und Kaltluft in den behandelten Zahn gepustet. Heute können Sie sich als Patient entscheiden, ob Sie die Behandlung unter örtlicher Betäubung wünschen. In einer repräsentativen Studie haben 35 Prozent der behandelten Patienten als Grund für ihre Angst beim Zahnarzt den Horror vor Spritzen bezeichnet. Darauf wird heute insbesondere mit ganz feinen Nädelchen Rücksicht genommen und mit einer Vorab-Betäubung durch Sprays oder Tropfen. 70 bis 80 Prozent der Befragten in der gleichen Studie gaben an, dass eine besonders schmerzhafte Behandlung in der Vergangenheit Ursache ihrer heutigen Phobie sei. Viele moderne Methoden lassen heute erst gar nicht die Ursache einer Dentalphobie entstehen. So gesehen haben es Zahnarztbesucher heutzutage schon etwas leichter.
Zur Veranschaulichung, was früher auf dem zahnärztlichen Behandlungsstuhl falsch gemacht wurde, mag die Schilderung einer heute 33-jährigen Patientin sein. Sie kam mit elf Jahren zum ersten Mal mit starken Schmerzen zum Zahnarzt. Weil sie nicht still sitzen blieb und der Arzt sich gestört fühlte, hielt ein Helfer sie während der Behandlung fest. Dabei stieg Panik in dem jungen Mädchen auf. Sie fühlte sich wie in einem Gefängnis angekettet und ohnmächtig ausgeliefert.
Die Folge war: Sie lehnte danach kategorisch jeden Zahnarztbesuch ab. Sie ertrug stattdessen lieber die Schmerzen – bis ein Zahn einmal abgebrochen war. Sie musste also die Zahnarztpraxis wieder besuchen. Dabei erlitt sie Panikattacken. Der Arzt konnte sie nur noch unter Vollnarkose behandeln. Bis heute leidet sie unter ihren Ängsten vor dem Zahnarzt, die aus der brutalen Behandlungsmethode herrührten.
Phobie rechtzeitig erkennen
Wichtig ist auf jeden Fall, dass der Arzt eine Dentalphobie erkennt. Er muss sozusagen einen Riecher dafür entwickeln, damit er mit viel Einfühlungsvermögen verhindert, dass sich aus beginnenden Angstzuständen womöglich eine handfeste Phobie entwickelt. Nicht jeder hat das Geschick. Wenn Sie als Patient das Gefühl haben, bei Ihrem Arzt nicht in guten Händen zu sein, dann kann man nur empfehlen, so schnell als möglich den Dentisten zu wechseln. Suchen Sie sich einen solchen aus, zu dem Sie Vertrauen aufbauen können und der Ihnen die Angst nimmt. Auf dem zahnärztlichen Behandlungsstuhl kann leider auch viel kaputt gemacht werden. Und den richtigen, einfühlsamen Zahnarzt zu finden ist leider gar nicht so einfach. Deshalb sollten Sie vor der ersten Behandlung auch ein intensives Gespräch mit ihm führen. Da kann man oft schon erkennen, ob die Chemie stimmt. (Siehe dazu auch am Ende des Buches eine Liste, wie man die Dentalphobie erfasst und eindeutig erkennen kann).
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