Doch schon war Liz weg und es gab keine Möglichkeit auf eine vernünftige Antwort von ihr.
>>Sie hat Angst, dass wir schmutzige Sachen auf diesem Teppich machen. <<
Ich blicke zu Jays blaue Augen auf und runzle die Stirn, weil das überhaupt keinen Sinn ergibt. >>Diese Gefahr gibt es aber nicht wirklich. <<
>>Bist du dir da absolut sicher? << Sein Ton verspricht mir etwas anders.
Themawechsel! Jetzt sofort! >>Wie alt bist du wirklich? Ich weiß, dass du so aussiehst, als wärst du erst achtzehn Jahre alt, aber nach dem Gespräch zu urteilen bist du viel älter. <<
Themenwechsel. Gut, dachte sich Jay.
Jay schmollt ein wenig, bis er damit herausrückt. >>Ich bin dreihundertneun Jahre alt. <<
309 Jahre! 309! >Wow. << Das muss erst einmal einsacken. >>Dann hast du aber viel erlebt. Ich weiß, dass ich viel zu neugierig bin, aber könntest du mir vielleicht erzählen was dich am meisten geprägt hat? <<
>>Ja, das bist du wirklich. Manchmal wäre es besser, wenn du die Finger von solchen Fragen lassen würdest, aber ich kann es nicht ungeschehen machen. Du bist jetzt eine Vampyr und ich habe dir alles erzählt, was ein neuer Vampir wissen muss. Ich möchte nicht, dass du genauso abhängig wirst, wie mein Vater von Adele, als er verwandelt wurde. << Auch er kann mich gut von meinen Fragen ablenken, wenn er nicht darauf antworten will oder es war etwas, dass ihn am meisten geprägt hat und er will es nicht mit mir teilen…
>>Was ist denn damals geschehen? Willst du es lieber für dich behalten? << Dabei berühre ich seine Wange, die so weich ist. Er hat sich inzwischen wieder auf dem Bett hingesetzt und ich bin ihm aufs Bett gefolgt.
>>Ich habe zu viel erlebt, um ad hoc ein einziges Ereignis zu benennen. Ich habe zu viele, aber ich denke, dass der Krieg mich geprägt hat. << Ich bin froh, dass er doch noch geantwortet hat.
Er schaut mich mit seinen kristallblauen Augen an, aber von einem auf den anderen Moment verändern sich seine Augen. Sie scheinen traurig und wässerig zu werden. Ich habe ihn nie weinen gesehen. Ich ziehe sein Gesicht auf meinen und gebe ihm einen leichten Kuss auf die Lippen. Ich will ihn nie traurig sehen müssen.
Er lachte heiser und rauchig nach dem Kuss. Mir gefällt das. Kann man jemanden unbegrenzt lieben? Wenn ja, dann liebe ich alles an ihm. Es macht mich einfach glücklich bei ihm zu sein. Er ist alles was ich will. Die Situationen sind immer wieder so wie sie eben sind. Daran kann man nichts ändern, aber mit wem man sie erlebt schon. Ich lächle ihn verliebt und verträumt an.
>>Ich werde jetzt nicht weinen. Keine Sorge. Ich bin ein starker Kerl. <<, haucht er an meinen Lippen und trägt ebenso ein fettes Grinsen auf dem Gesicht.
Das hier ist perfekt, wenn es so etwas wie Perfektion gibt, dann sind wir genau mittendrin.
Er legt seine Stirn an meine und blickt mir tief in die Augen als würde er meine Seele anblicken und ich in seine. Hier in diesem Moment fühle ich mich unglaublich gut. Er ist alles, was ich nur jemals brauchen werde.
Kapitel 11
Akzeptanz
Mandy
Nach einiger Zeit in absoluter Stille, in der wir nur unsere Atemzüge und Herzschläger hören, erhebt sich Jay vom Bett und zieht mich daraus. >>Du solltest dich jetzt umziehen und du kannst auch duschen. Das Badezimmer ist dort links die Tür. << Er zeigt mit der Hand in die Richtung.
>>Willst du mich eigentlich loswerden? << Dabei lege ich den Kopf schief und blicke zu ihm auf. Er scheint aber von meinem Anblick leicht abgelenkt zu sein, immerhin habe ich nur eines seiner T-Shirts an und Unterwäsche und das ist nicht einmal Reizwäsche.
>>Nein. Ich will nur, dass du gut aussiehst, wenn deine Eltern dich abholen. << Wann ist das passiert?
>>Meine Eltern? << Meine Eltern kommen mich abholen?
>>Ich habe sie angerufen und gesagt, dass du hier die Nacht verbringst. << Das hat er nicht getan? Hoffentlich hatte er mit meiner Mutter gesprochen und nicht mit Patrick.
>>Du weißt schon, dass ich gestern auf Xenas Geburtstagsfeier war. Richtig? <<, versuche ich.
>>Ja und falls du es noch nicht weißt, waren wir alle eingeladen. Du wolltest eigentlich mit Xena los, aber dann hättest automatisch bei dir übernachtet. Dafür kenne ich dich viel zu lange und zu gut. << Er schmunzelt. Naja, wo er recht hat…
>>Höchstwahrscheinlich. << Wenn dann, nur Mutter wegen meines Wohnbegehrens. Patrick wegen etwas anderem…
>>Deine Eltern hätten sich Sorgen gemacht, da du auch nicht geplant hattest außerhalb zu übernachten. << Naja, Mutter macht sich immer zu viele Gedanken und Sorgen.
>>Mutter hätte sich Sorgen gemacht, wenn sie nicht wüsste, wo ich die Nacht über bleibe und selbst dann macht sie sich auch Sorgen. Sie macht sich immer Sorgen um mich. << Was gut ist, weil sie mir damit zeigt, dass ich ihr etwas bedeute.
>>Da hat sie auch nicht ganz unrecht. Sie wusste so zumindest Bescheid, dass du bei mir warst. <<
>>Heißt das, sie kommen jetzt? << Denn jetzt genau ist kein so guter Augenblick. Ich muss ja nicht in einem fremden T-Shirt und Unterwäsche vor meinen Eltern auftauchen.
>>Deine Mutter hat mir gestern am Telefon gesagt, dass sie dich heute abholen wird, sobald es Mittag ist. Ich wollte dir genügend Zeit lassen, damit du dich fertig machen kannst. <<
>>Wie spät ist es eigentlich? <<
>>Es ist neun Uhr. <<
Wie lange glaubt er, dass ich brauchen werde, um fertig zur Abreise zu sein? >>Dann habe ich ja noch genügend Zeit. Lass mich dann noch ein bisschen schlafen. <<
Ich will mich gerade wieder hinlegen, da verhindert Jay das, indem er mich an sich zieht und die Arme um mich schlingt. >>Komm schon, Mandy, du kannst dich kurz duschen und dann anschließend wieder ins Bett. Ich kuschele dann mit dir. << Macht er gerade wieder ein Schmollmund?
>>Warum auch nicht. <<, dabei kneife ich ihn in die Wange und löse mich nach einem leichten Kuss von ihm, bevor ich im Badezimmer verschwinde.
Als ich mich im Badezimmerspiegel ansehe, kann ich erkennen, dass an meinem Hals eine getrocknete Blutspur verläuft. Es sind jedoch keine Verletzungen erkennbar. Ich sehe nur müde aus, was nichts Ungewöhnliches für jemanden ist, der in der Nacht wach gewesen war und durchgemacht hat. Nur das es etwas anderes ist. Ich bin jetzt anders.
Ich gehöre nun auch zu den Wesen, die in der Nacht wach sind.
Wesen, die auf der Schattenheide leben und sich dort herumtreiben.
Wesen der Nacht.
Nachtschatten…
Ich bin jetzt ein Nachtschatten.
Eine Vampyr.
Ich seufze und springe unter die Dusche.
Jay
Was macht Mandy denn so lange im Bad? Geht es ihr vielleicht nicht gut? Fühlt sie sich schlecht? Sollte ich nach ihr schauen?
Aber wäre das dann nicht gegen ihre Privatsphäre? Aber?
Geht es dir gut?
Ich muss es sie einfach fragen und wenn es nur telepathisch ist, nur um mich zu beruhigen, aber Mandy antwortet nicht darauf.
Ich gehe zur Tür und klopfe dreimal daran. Auch dann ertönt keine Antwort von ihr. Mein Herz pocht schneller. >>Mandy, wenn du mir nicht antwortest, komme ich gleich rein. <<
>> Mir geht es gut. Lass mich nur noch ein kleines bisschen allein. Ich… ich bin gerade dabei… dabei mich so… mein neues… mein neues Ich zu… zu akzeptieren. << Ihre Antwort ist zittrig und überhaupt nicht beruhigend. Mandy weint. Sie weint wirklich und das plantschende Wasser hatte es bisher vertuscht. Was bin ich für ein Mann, wenn ich nicht mitbekomme, dass es ihr nicht gut geht?! Ich rutsche an der Tür bis auf den Boden. >>Mandy, bitte weine nicht. Du bist immer noch du selbst. Nicht hat sich in diesem Sinne verändert. Du bist immer noch du. Du hast jetzt nur noch ein paar mehr Fähigkeiten. << Aber das scheint ihr nicht zu helfen.
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