Puh, das hat auch schon wieder Stunden meines Lebens in Anspruch genommen. Praktischer wäre ein Laden (in der Nähe) gewesen, wo ich hingehe, meine Liste vorlese, und der freundliche Verkäufer sucht alles zusammen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Der moderne Käufer ist mündig und selbstbestimmt und sucht sich im virtuellen Shop alles selbst zusammen. Dafür hat er ja auch die Fahrtkosten und die Anfahrtszeit gespart und muss nichts nach Hause schleppen, denn der Paketbote bringt alles bequem bis zur Haustür.
Und das tut er in den nächsten Tagen, denn in der Regel werden die wenigsten Dinge zusammen in einem Paket geliefert. Da klingelt es schon wieder - peinlich, ausnahmsweise alles für mich, normalerweise nehme ich die Pakete für die arbeitstechnisch aushäusigen Nachbarn entgegen. Das Futterpaket wiegt zwanzig Kilogramm und ist klein und kompakt, versteckt sich aber in einem unauffälligen Karton. Zufällig bin ich draußen, als es ankommt. Ich sehe den Paketboten von Weitem ankeuchen und der ansonsten sehr freundliche Mensch erklärt mir in leicht entrüstetem Tonfall, dass das Paket sehr schwer sei. Ich bedeute ihm, es direkt in der Einfahrt abzustellen - das kann gleich mein lieber Ehemann in den Keller tragen.
So, jetzt ist aber wirklich alles da und es fehlen also nur noch die Bewohner. Und in dieser Frage sind wir im Laufe des Bauprozesses auch zu einer Antwort gelangt.
6a. Huhn ja, aber welches?
„Wir bekommen Hühner“ ist zuerst einmal leicht gesagt. Aber spätestens, wenn man sich tiefer in das Projekt hineinkniet, stellt man fest, dass Huhn nicht gleich Huhn ist. Das ist theoretisch natürlich auch schon im Vorfeld klar. Zumindest wird jeder auf die Schnelle sagen können, dass es weiße und braune Hühner gibt, denn es gibt ja auch weiße und braune Eier - klarer Fall. Aber die Hühnerrassenvielfalt ist bedeutend größer.
Eine erste Ahnung davon habe ich durch die Vogelstation. Dort gibt es nämlich ganz kleine Hühner, sogenannte Zwerghühner. Und durch diese Erfahrung und dann noch die Hühner am See des Klosters sind wir ja überhaupt auch erst auf die Idee gekommen, dass wir uns Hühner anschaffen könnten.
Die Zwerghühner der Vogelstation sind Seramas. Zwerghühner gibt es auch verschiedene: Einige Rassen sind klein, außerdem wurden andere Rassen auch in klein gezüchtet. Die Seramas sind eine kleine Hühnerrasse und laufen auf der Vogelstation überall frei herum. Sie haben ein ganz buntes Gefieder und kein Huhn gleicht dem anderen. Einige sind braun, andere schwarz gescheckt. Im Frühjahr brüten sie und bekommen Nachwuchs, kleine runde flauschige Federbüschel, die hinter Mama herlaufen. So süß!! Als ich Annegret, der Leiterin der Vogelstation, von unserem Projekt berichte, bietet sie sofort an, uns von ihren Seramas abzugeben. Sie hat nämlich einige Hennen und zwei Hähne, die sich nicht verstehen. Da wäre es gut, wenn sie getrennt würden. Und dann könnten wir von dem Nachwuchs Tiere bekommen. Ich bin ganz aufgeregt. Die Seramas sind wirklich niedlich und ja auch ganz unkompliziert. Sie laufen den ganzen Tag auf dem Gelände der Vogelstation herum, versorgen sich mit Nahrung und sind gut beschäftigt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich lauten Krach von ihnen gehört hätte. Annegret bestätigt, dass sie nicht laut sind und auch der Hahn in einem schallisolierten Stall sicher niemanden stören wird.
„Mit dem Hahn kannst Du sogar auf dem Sofa kuscheln, so zutraulich ist der!“ Und Annegret nimmt ihn zur Bestätigung hoch und der Hahn scheint ganz zufrieden zu sein. „Und wegen der Nachbarn würde ich mir auch keine Sorgen machen. Du nimmst Dir den Hahn auf den Arm und gehst bei den Nachbarn vorbei und stellst ihn dort vor und versprichst allen, dass sie vom Eiersegen abbekommen werden. Da wird keiner mehr etwas gegen Euren Hahn haben.“
Das klingt leicht und wahrscheinlich hat sie recht, aber ein ungutes Gefühl beim Thema Hahn habe ich trotzdem.
„Du kannst sie Dir ja auch erst einmal eine Weile ausleihen, und wenn es nicht klappt, gibst Du mir die Hühner zurück.“ Das ist ein sehr großzügiges Angebot von ihr und entspannt die Sachlage natürlich. „Ja prima“, denke ich, „so kann es gehen“, und fahre beschwingt für dieses Mal zurück nach Hause. Ungeduldig erwarte ich die Rückkehr des Hausherrn und der Kinder, um die Neuigkeiten loszuwerden. Auch bei Klaus-Dieter trifft der Vorschlag auf offene Ohren. „Ja, das können wir doch so ausprobieren.“ Und Katharina ist ganz begeistert, denn ich zeige auch die Fotos von den Küken, die ja wirklich total knuffig sind. Selbst Arne gibt eine nicht hypercoole Regung von sich.
Dann ist das erst einmal beschlossene Sache: Wir nehmen die Seramas von der Vogelstation, Annegret freut sich auch, weil sie ihr Kampfhahnproblem los ist. Und die Seramas sind es gewohnt, den ganzen Tag überall herumzulaufen und abends brav in ihren Stall zurückzukehren. Und unsere Nachbarn hätten nichts dagegen, wenn die Hühner auch bei ihnen vorbeischauen, ansonsten sind rundherum große Wiesen. Dadurch, dass wir nicht direkt an der Straße wohnen, ist die Entfernung zur Straße vergleichbar mit der auf der Vogelstation und wir sind zuversichtlich, dass auch bei uns die Hühner kein Interesse daran hätten, bis zur Straße zu laufen.
Und die Gefahr, die durch Rabenkrähen, gegebenenfalls Elstern und Greifvögel besteht, schätzt Annegret als unwesentlich ein. „Das alles habe ich hier ja auch, und hier ist noch nie etwas passiert.“
6c. Plan 2: Bresse-Hühner
Zum Geburtstag bekomme ich ein tolles Geschenk: Ein Papierhuhn, das ein Ei legen kann. Mein Mann war wieder kreativ und hat sogar die Kinder mit herangezogen. Denn die Vorlage aus dem Netz hat er nicht selbst ausgemalt, sondern das schön delegiert. Witzige Idee, dass das Huhn ein Ei legen kann: Auf der Rückseite des eindimensionalen Huhns (so ein Huhn hat nicht jeder) sind zwei Papierstreifen befestigt, in die das (ebenfalls eindimensionale) Ei hineingesteckt werden kann. Aber das Huhn ist nur Informationsträger für das eigentliche Geschenk: Ein Gutschein für einen Besuch bei einem Versuchsbauernhof. Im Radio war ein Bericht darüber, dass es dort freitags nachmittags eine „Hühnersprechstunde“ gibt. Das ist toll! Und Eier kann man da auch kaufen. Der Bauernhof ist ganz in der Nähe und ich erinnere mich, dass ich da schon einmal war, als ich mit meiner Freundin spazieren ging und ihr Orientierungssinn sie etwas im Stich ließ (meiner ist sowieso kaum ausgebildet, daher kann ich guten Gewissens alle Schuld von mir weisen). Bei unserem abendlichen Spaziergang über Wiesen und Felder landeten wir damals zunächst mitten auf der Kuhweide und bei unserem Versuch, ohne großen Umweg wieder in bewohnte Gefilde zurückzukehren, auf dem Gelände des besagten Bauernhofs, das man eigentlich nicht so ohne Weiteres betreten darf. Zu allem Übel war dort noch ein Hund unterwegs und meine Freundin hat es mit Hunden überhaupt nicht. Bei mir hängt die Sympathie mit der Größe und dem Gehabe des Tieres zusammen und bei diesem war mir auch nicht so ganz wohl. Wir waren heilfroh, als wir ein Eingangstor fanden und es dann auch noch offen vorfanden und so einen sicheren Zaun zwischen den Hund, das verbotene Gelände und uns bringen konnten.
Um genau diesen Bauernhof handelt es sich also, aber dieses Mal kommen wir ja zu offiziellen Öffnungszeiten durch den Haupteingang von draußen rein - und wollen nicht umgekehrt abends von drinnen wieder heraus. Selbstverständlich ist die ganze Familie dabei, als wir das Gebäude betreten. Dort steht ein Herr, der gerade den Leuten vor uns Eier verkauft. Das ist ja interessant. Ganz bei uns in der Nähe und uns gar nicht bekannt - Eier direkt vom Bauernhof! Für unsere Frage bezüglich der Hühnerhaltung ist seine Kollegin zuständig. Ich sage mein Sprüchlein auf, dass wir uns Hühner anschaffen und nun Expertenrat einholen wollen. Ich zeige zunächst das Foto auf meinem Handy von unserem für die Hühner auserkorenen Stück Land.
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