Er erinnerte sich an den besagten Tag, an dem er gegen 14 Uhr von der Schule nach Hause kam und den Krankenwagen und das Polizeiauto im Hof des Hauses sah. Er hatte sofort gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, und dass es um seinen Vater gehen musste, da dessen Auto im Hof stand. Normalerweise war er um diese Uhrzeit nie zu Hause. Ein Polizist kam auf ihn zugerannt und brachte ihn sofort ins Wohnzimmer. Der Weg in den Keller war versperrt, sonst war alles ruhig. Das Dienstmädchen war nicht zu sehen.
Der Polizist blieb bei ihm und hatte offensichtlich Schwierigkeiten, eine Erklärung abzugeben. Er schaffte es nicht, ihm in die Augen zu schauen und sagte ihm nur, er müsse noch ein bisschen warten. Bald kam eine Polizistin und fragte ihn, ob er wisse, wie man seine Mutter erreichen könne. Er war wie in Trance und ahnte, was passiert war. Er tat alles, was von ihm gefordert wurde, ohne ein Wort zu sagen. Leider war die Mutter zuerst nicht zu erreichen, sie war auf dem Rückweg von einem Kongress in Mailand. Aber 10 Minuten später rief sie an und sagte, dass ihr Flug gelandet und sie fast schon in Darmstadt sei. Er redete nicht mit ihr. Sie telefonierte mit der Polizistin, die ihr nicht direkt sagte, was los war, sie aber bat, schnell nach Hause zu kommen.
Er spürte nur noch Wut. Auch in diesem harten Moment war seine Mutter nicht da, um ihm zu erklären, was los war und ihn zu trösten. Er wollte die Wahrheit nicht aus dem Mund der fremden Leute hören. Er stand auf und rannte schreiend aus dem Haus und war weg.
Er kam 20 Minuten später zurück, seine Mama war schon da und weinte. Dann erfuhr er, was er geahnt hatte. Sein Vater hatte sich, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen, das Leben genommen. Er hatte sich erhängt. Er hatte den schlimmsten Tod gewählt und seine Familie damit verflucht. So hatte Walker auch immer über den Tod seines eigenen Vaters, Johnnys Großvater, geredet und jetzt hatte er das Gleiche getan. War gegangen, ohne etwas zu erklären, damit jeder sich Vorwürfe machen konnte. Johnny war so außer sich vor Wut, dass er nicht einmal um seinen Vater weinte.
Er entschied sich weiterzuleben und niemals so zu werden wie sein Vater. Er hasste seine Familie. Er wollte niemals so viel Geld haben. Er wollte keine Frau haben, die Karriere machen wollte und wollte dies selber auch nicht. Er wollte in keinem großen Haus wohnen. Er wollte nichts von seinem Vater haben. Auch nicht seine berühmten Ratschläge wie:
„Du bist dein Gott. Du lebst für dich. Denk zuerst an dich, jeder ist Meister seines Schicksals.“
Johnny Walker Mackebrandt war mit 26 Rechtsanwalt, Chef und Teilhaber der Kanzlei Mackebrandt und Mackebrandt, seine Mutter war die andere Teilhaberin. Mit 27 lernte er Mireille kennen. Er hatte in seinem Leben bereits mehrere Therapien gemacht, die mal mehr, mal weniger geholfen hatten. Auf jeden Fall hatte er einen Weg gefunden, mit seiner Vergangenheit zu leben. Er war nicht immer zufrieden, aber glücklich war er schon. Er war glücklich, dass er eine eigene Familie hatte, die sich verstand, die zusammenhielt und in der das Geld und der Ruhm nicht im Vordergrund standen.
Er, seine Frau und ihre zwei Kinder wohnten in einer großen Wohnung in einem familienfreundlichen Viertel in Darmstadt. Er gab sich Mühe eine normale Arbeitszeit zu haben, damit er so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie verbringen konnte. Anders als wie es sein Vater gemacht hatte, war er fast jeden Spätnachmittag beim Fußballtraining seines Sohns und beim Ballett seiner Tochter. Am Wochenende fuhr er persönlich mit seinem Sohn zu Fußballspielen und Turnieren.
Er war ein guter Vater und Ehemann, ein lustiger, netter und angenehmer Kerl, sehr hilfsbereit, freundlich und den Menschen zugewandt. Er war das Gegenteil von seinem Vater und erzog seine Kinder anders, als seine Eltern ihn erzogen hatten und lebte sehr bodenständig und achtete darauf, dass seine Kinder auch so aufwuchsen. Niemand hätte gedacht, dass er ein erfolgreicher Rechtsanwalt und der Sohn der bekanntesten und reichsten Familie Darmstadts sei.
Dann ereignete sich ein Fall, über den die ganze Republik sprach. Es ging um Katrin, die Frau des Finanzlöwen Fischer. Sie hatte aus Eifersucht ihren 20 Jahre jüngeren Liebhaber und seine Freundin bestialisch ermordet. Wochenlang gab es kein anderes Thema in den Medien als diesen Mord. Aber ihr Mann stand merkwürdigerweise zu ihr. Das Geld war für ihn nicht das Problem. Sein Problem war, dass er einen Anwalt brauchte, der seine Frau aus dem Gefängnis holte. In einem Interview sagte er: „Ich möchte nicht weiter allein in meinem Ehebett schlafen. Kati muss bald raus.“ Da er viele Geschäfte mit den Mackebrandts machte und ihnen vertraute, stand es für ihn fest, es zuerst dort zu versuchen. Für ihn kam nur Johnny in Frage. Obwohl Mireille dagegen war und Johnny davon abriet zu helfen, wollte Johnny dennoch aus Loyalität zur Familie Fischer, die seinem Vater mehrmals geholfen hatte, den Fall übernehmen und Katrin, die er seit der Kindheit kannte, aus dem Gefängnis rausholen.
Die Verhandlung vor Gericht erstreckte sich über mehrere Wochen. In einem fulminanten Schlussplädoyer schaffte er es, das Gericht zu überzeugen, dass Katrin aus Notwehr gehandelt hatte. Katrin wurde als freie Frau aus dem Gefängnis entlassen und Johnny wurde der bekannteste Rechtsanwalt Deutschlands. In allen Talkshows war er zu sehen. Er wurde weltweit eingeladen und langsam rutschte er in ein Leben, das er bis dahin abgelehnt hatte.
Je mehr Geld er verdiente, je erfolgreicher und ruhmreicher er wurde, je mehr mächtige Freunde er hatte, desto mehr veränderte er sich. Langsam kamen die Werte seiner Erziehung wieder zum Vorschein. Er wurde wie sein Vater und verkehrte nun nur noch in reichen und mächtigen Milieus. Seine Wohnung passte ihm nicht mehr. Er kaufte sich eine Villa mit 10 Zimmern und 10 Duschen im Steinbergviertel, dem reichsten Viertel Darmstadts.
Er fing an seine eigenen Kinder zu erziehen, wie es seine Eltern mit ihm getan hatten. Er hatte immer weniger Zeit für sie und seine Frau, deren Warnungen er hartnäckig ignorierte. Seine Kindheit hatte ihn eingeholt und damit auch die ganzen negativen Gefühle von damals, die sich langsam eingeschlichen hatten.
Seine Freude am Leben war weg. Sein tolles Lachen und seine Fröhlichkeit waren weg. Er nörgelte nun immer nur rum. War ständig schlecht gelaunt, wenn er nach Hause kam. Um die Situation zu retten, dachte er, wie seine Eltern, dass er das Verständnis seiner Familie mit Geld und vielen teuren Geschenken kaufen könne. Die Situation wurde immer schwieriger zu ertragen für Mireille. Sie erreichte ihren Mann nicht mehr. Ihm war die Darstellung nach außen wichtiger als alles andere.
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