„Niemanden!“ war die empört klingende Antwort. „Er ist einfach eine faszinierende Persönlichkeit! Reich - mit großem Einfluss in Europa und guten Verbindungen nach Amerika.“
Wieder konnte Rayan ein Grinsen nur mit Mühe unterdrücken und dachte „wenn du wüsstest“.
Er fand nun richtig Gefallen an dem Spiel und beschloss noch ein wenig dicker aufzutragen: „Ach jetzt weiß ich, wen Sie meinen, das ist doch dieser Erfinder des Computers – wie heißt der noch – Bill Gates?“
Wieder dieser kritische Blick aus diesen grünen Augen und einen Moment lang dachte er, er hätte den Bogen überspannt.
„Nein er ist Araber – ein echter Scheich!“ rang sie sich dann ab.
„Ach Öl und so, was? Na kein Wunder, dass er reich ist“, flötete er.
Da wurde ihre Stimme verschwörerisch: „Aber nein, kein Öl! Das ist ja das Komische. Keiner weiß so genau, woher er das viele Geld hat, und es hat auch nie jemand hinterfragt …“
Na das wäre ja auch noch schöner, dachte Rayan bei sich …
Die nächsten eineinhalb Stunden vergingen tatsächlich wie im Fluge. Er stellte ihr Fragen und sie beantwortete voller Begeisterung, was sie alles über „den Scheich“ wusste. Rayan war fasziniert von ihrem Enthusiasmus, mit dem sie über „ihr Projekt“ und „ihr Buch“ redete. Überhaupt sah sie richtig attraktiv aus, wenn sie sich so ereiferte. Einige ihrer blonden Strähnen hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und hingen ihr wirr ins Gesicht, was ihre natürliche Ausstrahlung betonte. Sie schien kaum Make-up zu tragen. Daher konnte er sehen, dass sich ihre Wangen gerötet hatten. Und als sie ihm gestenreich ihre Ideen schilderte, blitzte das Grün ihrer Augen. Es tat ihm fast ein wenig leid, dass sie letztendlich unweigerlich in einer Sackgasse landen musste, denn ein Buch über ihn? Absolut lächerlich – „No way!“
Am Ende war es sein Freund und Leibwächter Ibrahim, der ihm von weiter vorne mit einem betonten Blick auf seine Armbanduhr zu verstehen gab, dass es bald Zeit zur Landung war, und er sich noch umziehen musste …
Also verabschiedete er sich höflich, bedankte sich für die nette Unterhaltung und meinte zum Abschied noch: „Ich komme viel herum in der Welt, sollte ich ihn sehen, ihren Scheich, richte ich ihm schöne Grüße aus, Frau …?“ „Carina, Carina Hartmann“, sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln.
Dann ging er nach vorne an Ibrahim vorbei und durch den Vorhang, den man vor die erste Klasse gezogen hatte.
Carina war der Blick aus seinen wundervollen dunkelblauen Augen so unter die Haut gegangen, dass ihr erst zu spät auffiel, dass er sich ihr nicht vorgestellt hatte.
2014 - Flughafen von Dubai - Zufall oder doch Schicksal?
„Werte Passagiere, bitte haben Sie noch einen Moment Geduld, bis ein besonderer Fluggast das Flugzeug verlassen hat. Wir bitten Sie, diese Verzögerung zu entschuldigen.“
Carina traute kaum ihren Augen: Von ihrem Platz aus hatte sie einen direkten Blick auf die vordere Ausstiegsluke und da kam doch ausgerechnet ihr neuer, geheimnisvoller Bekannter aus der ersten Klasse. Aber nicht mehr in seinem schicken Rolli mit Jackett, nein inzwischen hatte er in ein traditionelles arabisches Gewand gewechselt. In tiefem Dunkelblau sah er einfach umwerfend aus!
Aber wieso?
Zwei weitere Männer, einer davon der finster aussehende Kerl, der den Eingang zur ersten Klasse bewacht hatte. Offenbar also ein Leibwächter.
Ihr neuer Freund lächelte ihr noch einmal unverschämt zu und ging dann schnurstracks und überaus selbstsicher auf den Ausgang zu.
Ich glaub´ mich tritt ein Pferd! Was war das eben? „VIP – hab ich was verpasst?“, dachte Carina verwirrt.
„Miss Hartmann? Ich habe eine persönliche Nachricht vom Scheich für Sie“, sagte leise eine der Flugbegleiterinnen neben ihr.
Vom Scheich? Von welchem Scheich? Obwohl Carina ihre Gedanken nicht laut geäußert hatte, schien die Frage deutlich auf ihrem Gesicht lesbar zu sein.
Jetzt war es an der Stewardess verdutzt drein zu blicken: „na Scheich Rayan Suekran al Medina y Nayran – Sie haben sich doch vorhin selbst mit ihm unterhalten? Hat sich der Herr gar nicht vorgestellt?“
ER - der Scheich?
Oh mein Gott, der hat mich die ganze Zeit verarscht – kein Wunder, dass er immer so amüsiert gegrinst hatte! Carina spürte, wie ihr erst die Schamesröte ins Gesicht stieg, die dann aber ziemlich schnell in blanken Zorn umschlug.
Ohne nachzudenken öffnete sie ihren Sicherheitsgurt und sprang auf. Noch bevor die Stewardess bemerkte, was geschehen war, war Carina schon durch die halbe Business-Class zur ersten Ausstiegsluke gesprintet. Dort hielt sie inne – was sollte sie eigentlich tun? Ihm hinterherrufen, was für ein unverschämter Kerl er war? Und wieso sprach er eigentlich ein so gutes Deutsch, fast ohne jeden Akzent?
Sie konnte es einfach nicht glauben – sie flog nach Arabien um Recherchen über ihr Idol anzustellen und dann saß sie höchstpersönlich neben ihm und merkte es nicht einmal.
Der Scheich war in der Zwischenzeit die Gangway hinuntergegangen, wo man unten einen roten Teppich ausgerollt hatte. Eine schwarze Maybach 62S Limousine wartete auf ihn.
Vor dem Wagen stand ein Offizier der arabischen Polizei, der ihn mit einer tiefen Verbeugung begrüßte. Carina konnte die Worte nicht verstehen, doch sie sah ihm an, dass er voller Ehrfurcht war.
Man könnte fast meinen er hat Angst, dachte sie interessiert.
Links und rechts der Limousine standen noch weitere Beamte in Uniform stramm, die Hände zum Gruß an der Mütze. Die Ehrengarde bestand aus je fünf Mann auf jeder Seite. Was für ein Aufmarsch!
Ein eher kleiner, aber durchaus attraktiver Araber trat aus Richtung der Limousine heran und umarmte mit breitem Grinsen den Scheich.
Plötzlich sah Carina aus ihrer erhöhten Perspektive aus dem Flugzeug heraus eine Bewegung weiter links am Flugzeug. Ein Techniker begann, sich am Rolls-Royce Triebwerk des Airbus zu schaffen zu machen. Oder doch nicht?
Carina konnte später nicht mehr sagen, warum sie auf ihn aufmerksam wurde, doch als sie genauer hinsah, sah sie plötzlich eine Pistole mit Schalldämpfer in seiner Hand. Er hob die Hand und zielte. Oh mein Gott! Der Scheich!
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.
Aber warum tat denn keiner was?
Sie schien die Einzige zu sein, die etwas bemerkt hatte. Und plötzlich ging alles ganz schnell: Sie begann zu schreien und fast zeitgleich feuerte der Mann mit der Walther P99 mehrere Kugeln ab.
Was genau die Münchnerin geschrien hatte, konnte sie nicht mehr sagen – jedoch hatte der hintere der beiden Leibwächter sofort reagiert, sich schützend auf seinen Herrn geworfen und ihn zu Boden gerissen, dann sackte der Personenschützer leblos zusammen.
Und plötzlich war die Hölle los. Die Beamten zogen ihre Waffen und feuerten auf den flüchtenden Mann. „Fangt ihn lebend, wir brauchen ihn lebend!“, hörte sie den Offizier laut rufen.
Entsetzt sackte Carina in der Einstiegsluke des Flugzeugs zusammen - was war da gerade passiert?
Unten sah sie den Scheich auf dem Boden knien, den Leibwächter in seinen Armen. Jemand schrie: „Wir brauchen einen Arzt –schnell!“
Doch auf dem Hemd des Mannes machten sich bereits an mehreren Stellen rote Flecken breit und Carina realisierte, dass es Blut war und er offenbar von mehreren Kugeln getroffen worden war. Sie hörte den Scheich auf ihn einsprechen, mit leiser fester Stimme und der Mann lächelte noch einmal unter Schmerzen, bevor er in sich zusammensackte.
Sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war – Minuten? Stunden? – als endlich ein Sanitätswagen angefahren kam.
Hinter ihr drängten sich die anderen Passagiere und auch an den Fenstern des Flugzeuges hingen Gesichter, jeder wollte sehen, was da draußen passierte.
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