Maria Rohmer - Liebe Amelie! SECHS

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Am Mittagstisch einer typischen, deutschen Durchschnittsfamilie:
– Eine Mutter, geschieden, Vollzeit-berufstätig, daher zur Mittagszeit nicht am Tisch
– zwei Kinder, eines davon männlich, beide gerade von der Schule heimgekehrt,
(das weibliche Kind eigentlich noch gar nicht da, hat schweren Herzens auf die Anwesenheit in der 7. und 8. Stunde verzichtet und ist deswegen doch schon da),
– eine Tante, teilzeit-verheiratet, mal mit, mal ohne Ehemann (z. Zt. ohne), stunden- und ersatzweise für Zucht und Ordnung im schwesterlichen Haushalt zuständig, zaubert von Mo.-Fr. eine mittägliche Mahlzeit auf die Teller (was sie selbst immer wieder in Erstaunen versetzt),
– Flipper, keine Angst, hierbei handelt es sich nicht – wie man allzu leicht annehmen könnte – um einen Namensvetter des legendären Fernseh-Delphins, nein, dieser Flipper gehört zur Rasse des normalen, deutschen Hauskaninchens, auch wenn er von Mo.-Fr. von der Tante mit einem «Na, du alter Hase» begrüßt wird.
Zwischen Suppe und eventuell Eis zum Nachtisch prasseln hier tagtäglich (außer Sa. und So.) so um die zwölf Dutzend Fragen auf die typische, deutsche Tante ein:
Was essen wir hier eigentlich? Ist das Spinat oder Rosenkohl? (gespitzter Chinakohl! Sieht man doch.)
Du, Ita, was war eigentlich mit Babylon? Hast du nicht irgendwo ein Bild vom schiefen Turm zu Pisa? Liegt Pisa in Ägypten? Wie schreibt man eigentlich Ä-g-y-p-t-e-n?
(Wie m-a-n das schreibt, weiß ich nicht.
Ich schreib' das immer auf – gut – Glück).
Hieroglyphen mit «ie» oder "y"?
(Gute Frage. Nächste Frage?)
Heißt das nun eigentlich «he has been visited»?
(Warum nicht «he would be will visited»? Wobei es sich bei «to visit» um ein regelmäßiges Verb handelt. Klar, Besuche waren immer schon regelmäßig – auch im Englischen).
Du, Ita, soll ich nun im nächsten Jahr Französisch oder Latein nehmen?
Ach, weißt du was, nimm doch Latein.
(Des Lateinischen ist die Tante nicht allzu mächtig. Um die Wahrheit zu sagen – sie hat null Ahnung.

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Maria Rohmer

Liebe Amelie! SECHS

Zwei wie wir...

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Inhaltsverzeichnis Titel Maria Rohmer Liebe Amelie SECHS Zwei wie wir - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Maria Rohmer Liebe Amelie! SECHS Zwei wie wir... Dieses ebook wurde erstellt bei

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

Brenzliges

"Großbrand im Dorf“– so könnte das Thema des heutigen Briefes an Dich auch lauten, Amelie.

Großbrand direkt vor unserer Haustür – sozusagen. Beim letzten Mal hatte ich Dir ja von der Kirmes berichtet, die alljährlich auf dem freien Platz, demnach keine drei Meter von unserem Vorgarten entfernt stattfindet. Du erinnerst Dich: Mit Autoscooter, Karussell für die Kleinen, mit Los-Schieß- und Freßbuden, mit einem aufnahmefähigen Feschtzelt und 3tägigem Tschingderassabumm .

Wie wir – die Anrheiner des freien Platzes – diesem Großereignis entgegenfiebern, kannst Du ansatzweise nachempfinden?!

Nun – kaum waren diesmal die Fahrgeschäfte abgebaut, sämtliche Schausteller samt Zuckerwatte, Currywurst und Wolfgang Petri – CD entschwunden, kaum waren die letzten Bodenbretter und die letzte Plane des Feschtzeltes auf dem LKW festgebändselt, kaum die letzte Niete vom Feschtplatz in unseren Vorgarten geweht, kaum also war der freie Platz endlich wieder das, was er die meiste Zeit des Jahres ist (sonst müssten wir auswandern!), kaum also war wieder dörfliche Ruhe eingekehrt, da wurde der Platz in dunkler Nacht auf’s Neue besetzt, da heulten in dunkler Nacht die dörflichen Sirenen.

Da eine Seemannsfrau so leicht nichts (mehr) erschüttern kann, hatte ich eigentlich beschlossen, in meiner warmen Koje zu verbleiben und so zu tun, als hörte ich das fortdauernde Heulen nicht.

Aber, Amelie, da kennst Du unsere Sirenen schlecht, die nämlich konnten sich – einmal in Fahrt gebracht – so schnell nicht mehr beruhigen.

Die heulten und heulten, das es nur so eine nächtliche Freude war.

Irgendwann konnte auch ich ihr eifriges Bemühen die Dorfbewohner aufzuschrecken nicht länger ignorieren – ich tappte ins dunkle Wohnzimmer. Daß man in solch unklarer Situation zum Zwecke der Aufklärung und Festlegung des weiteren Verhaltens unbedingt die Radio- und Fernsehgeräte einschalten sollte – diese, die 1. Bürgerpflicht im Katastrophenfall, die kam mir erst wieder in den Sinn, als die Geschehnisse längst der Vergangenheit angehörten.

Statt dessen hielt ich es erstmal für nötig, die Rollade des Wohnzimmerfensters gerade so weit hochzuziehen, um Dir die Szene auf dem (überraschender Weise) durch mehrere Scheinwerfer gut ausgeleuchteten Platz schildern zu können.

Draußen war von Leere nichts mehr zu sehen, parkten da doch ein der dörflichen Brandbekämpfung zugehörender Feuerwehrwagen sowie zwei was-weiß-ich-woher-stammende Feuerlöschzüge, deren Blinklichter heftig zuckten und blitzten.

Zahlreiche uniformierte Brandbekämpfer sprangen wild entschlossen hin und her – einige mit Schlauch, dafür ohne Helm,

andere ohne Schlauch, dafür jedoch mit feuerwehrmännlicher Kopfbedeckung – einige dörflich , daher freiwillig , andere städtisch , daher gezwungenermaßen vor Ort.

Waren die etwa auf der Suche nach Wasser, um endlich ihrer Mission (dem Löschen eines ausgebrochenen Brandes) nachzukommen?

Denn, Amelie, ausgebrochen war ganz ohne Zweifel irgendetwas. Davon zeugten dichte, sich gegen den pechschwarzen Nachthimmel grau absetzende Rauchschwaden, die keine 600 m von unserem Heim entfernt in die Höhe stiegen.

Eine gewisse Hektik bei den gemischten Feuerlöschern war nicht zu übersehen, und selbst ich – hinter meiner Wohnzimmerfensterscheibe -, in (noch) relativ sicherem Abstand vom Brandherd, auch ich konnte mich einer leichten Nervosität nicht entziehen. Wäre ich doch bloß bei der letzten Haussammlung der dörflichen Feuerwehr meiner Spendenpflicht nachgekommen ...

Hätte ich doch bloß nicht so getan, als sei niemand zuhause und hätte das zweimalige Klingeln nicht überhört...Hätten die umherhuschenden Gestalten den Hydranten dann nicht schneller aufgespürt ...?

Nun jedenfalls kam jegliche Reue (wie so oft im Leben) zu spät.

Während ich bereits überlegte was alles ich im Falle eines Näherrückens des Feuers zusammenraffen und retten müsste, fanden die Brandbekämpfer doch noch das dringend erforderliche Wasser. Dem Hl. Sankt Florian sei Dank!

Jetzt schoss es aus allen verfügbaren Rohren.

Als dann irgendwann der letzte Schlauch eingerollt wurde und der letzte, der zufällig gerade Vorbeigekommenen (darunter auch ein emsig fotografierender Reporter eines regionalen Mitteilungsblattes) – als sämtliche Beteiligten also den Rückzug antraten, da konnte auch ich beruhigt die Rollade herunterlassen.

Haus und Hof Rochusstraße 5 waren noch mal davongekommen.

Am nächsten Tag erfuhr ich vom hiesigen Drogisten (der die Dinge weiß, bevor sie überhaupt geschehen sind), daß in der Lagerhalle der dörflichen Heizungsbaufirma etwas explodiert sei . Aber der Mann sei gut versichert .

Ja, Amelie, aber den Dreck, die Aufregung und die Schreiberei mit der Versicherung – das alles hat er trotzdem! Und mein Mitgefühl auch!

Feurige Grüße!

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