Joachim Stiller
Platon: Besprechungen I
Von der Apologie bis zum Menexenos
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Inhaltsverzeichnis
Titel Joachim Stiller Platon: Besprechungen I Von der Apologie bis zum Menexenos Dieses ebook wurde erstellt bei
Platon: Apologie
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Platon: Ion
Platon: Hippias II
Platon: Laches
Platon: Charmides
Platon: Eutyphron
Platon: Protagoras
Platon: Gorgias
Platon: Menon
Platon: Hippias I
Platon: Euthydemos
Platon: Menexenos
Impressum neobooks
Inhaltliche Gliederung
A: Die Verteidigungsrede
I. Einleitung
1. Begründung und Kriterium der Verteidigungsweise
II. Die alten Ankläger
2. Ursprung und Gefährlichkeit der Verleumdung
3. Inhalt der Verleumdung
.. a) Sokrates, der übermenschliche Weise
.. b) Sokrates, der Menschenerzieher
4. Widerlegung: Die wahre Aufgabe und Weisheit des Sokrates
.. a) Der Orakelspruch von der Weisheit des Sokrates
.. b) Prüfung des Orakels an den Staatsmännern
.. c) Prüfung des Orakels an den Dichtern
.. d) Prüfung des Orakels an den Handwerkern
.. e) Folge der Prüfung: Anschein der Weisheit und Anschein der Jugendverführung
III. Die Anklage des Meletos
5. Der Inhalt der Klage des Meletos
6. Widerlegung
.. a) Erweis der Inkompetenz des Meletos
.. b) Erweis der Inkonsequenz des Meletos
.. c) Die These der Gottlosigkeit des Sokrates
.. d) Ungereimtheit des Vorwurfs der Gottlosigkeit
IV. Die Lebensführung des Sokrates
7. Rechtfertigung ihrer Art und Gefährlichkeit
8. Ihre Notwendigkeit
9. Ihr Nutzen für die Athener
10. Warum sich Sokrates von den Staatsgeschäften zurückhält. Das Daimonion
11. Bewährung der Haltung des Sokrates im Staat
12. Sokrates ohne Lehre und ohne Schüler
13. Ergebenheit seiner Anhänger
V. Schluss
14. Rechtfertigung des ungewöhnlichen Verhaltens vor Gericht
15. Pflicht der Richter
B: Die Rede nach der Verkündigung des Strafmaßes
16. Sokrates und das Urteil
17. Gegenschätzung des Sokrates
18. Begründung der Schätzung
19. Unmöglichkeit für Sokrates, seien Lebensform aufzugeben
20. Erneute Schätzung
C: Die Rede nach der Verurteilung
21. Urteil des Sokrates über den Prozess
22. Weissagung an die Verurteilenden
23. Erklärung an die Freisprechenden
.. a) Das Ausbleiben des Daimonion und seine Bedeutung
.. b) Hoffnungen für den Tod
.. c) Schlussworte an die Richter
Besprechung
Zur Apologie
„Unter "Apologie des Sokrates" wird gemeinhin die Verteidigungsrede des Sokrates verstanden, die dieser während seines Prozesses hielt. Nach
dem Tod des Sokrates entstand eine Unzahl von Verteidigungsschriften,
deren Urheber nicht nur seine Schüler waren. Die meisten sind
verschollen, so zum Beispiel auch die des Lysias. Die Unterschiede
zwischen den beiden als einzige erhaltenen Apologien (der des Xenophon
und der des Platon) lassen erahnen, wie unterschiedlich die weiteren
Apologien gewesen sein könnten. Daher ist die Apologie Platons eine
zweifelhafte Quelle, um Rückschlüsse auf den historischen Sokrates zu
ziehen.“ (Wiki)
„Platons Sokrates sagt: "Offenbar bin ich (...) um eine Kleinigkeit
weiser, eben darum, dass ich, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen
glaube." -- Allerdings bleibt Platons Sokrates in den reiferen Dialogen
an diesem Punkt niemals stehen, sondern dieser Punkt ist der Anfang zu
einem neuen, einem besseren Wissen. Es darf angenommen werden, dass
diese Haltung weit mehr von Platon stammt, als dass sie von dem
wirklichen Sokrates entlehnt sei.“ (Wiki)
Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß
In dem entsprechenden Wiki-Artikel wird gesagt, bei dem "Ich weiß, dass ich nichts weiß" des Sokrates handle es sich zwar um ein geflügeltes Wort, allein es gäbe den Sokrates der Apologie falsch wieder. Korrekt müsse es heißen: "Ich weiß, dass ich nicht weiß", oder "Ich weiß, dass ich unwissend bin". Und wie zum Beweis wird nun der Abschnitt 4 b) unserer Apologie zitiert, nach dem man den Ausführungen durchaus zustimmen müsste. Was dabei aber übersehen wird, ist, dass Sokrates die Formulierung ständig variiert und mit unter auch sinngemäß sagt: "Ich weiß, dass ich nichts weiß". Auch dafür gibt es Belege, z.B. den Abschnitt 4 d):
4 d) Prüfung des Orakels an den Handwerkern
„Zum Schluss nun ging ich auch zu den Handarbeitern. Denn von mir selbst wusste ich, dass ich gar nicht(s) weiß, um es geradeheraus zu sagen, von diesen aber wusste ich doch, dass ich sie vielerlei Schönes wissend finden würde. Und darin betrog ich mich nun auch nicht; sondern sie wussten wirklich, was ich nicht wusste, und waren insofern weiser. Aber, ihr Athener, denselben Fehler wie die Dichter, dünkte mich, hatten auch diese trefflichen Meister. Weil er seine Kunst gründlich erlernt hatte, wollte jeder auch in den andern wichtigsten Dingen sehr weise sein; und diese ihre Torheit verdeckte jene ihre Weisheit. So dass ich mich selbst auch befragte im Namen des Orakels, welches ich wohl lieber möchte, so sein, wie ich war, gar nichts verstehend von ihrer Weisheit und auch nicht behaftet mit ihrem Unverstande, oder aber in beiden Stücken so sein wie sie. Da antwortete ich denn mir selbst und dem Orakel, es wäre mir besser, so zu sein, wie ich war.“ (Platon: Apologie)
Platon räumt also selber ein, dass er mit der Formulierung "Ich weiß, dass ich nichts weiß" einverstanden ist, und diese soweit billigt. Und in der Tat ist der Sinn beider Paradoxien nahezu der gleiche, und so ist es von je her von den Menschen verstanden worden. Nur in diesem Sinne wurde der Satz je gebraucht. Damit will ich sagen, dass ich die Formulierung "Ich weiß, dass ich nichts weiß" durchaus für akzeptabel halte.
Übrigens habe ich selber einmal die Wendung gebraucht: "Je mehr ich weiß, um so mehr weiß ich, dass ich nichts weiß". Das ist halt meine eigene Art eines skeptischen Standpunktes. Und in der Tat handelt es sich bei Platon um einen Skeptizismus. So gesehen kann Platon wohl als einer der Ahnherren der späteren Skeptizismus angesehen werden. Der Unterschied ist nur, dass der Skeptizismus sich auch noch mit dem Relativismus der Sophisten verband, einem Relativismus, den Sokrates selber entschieden abgelehnt und zurückgewiesen hat.
Zuerst einmal ist die Diskussion darüber inwieweit welcher platonische Sokrates noch ein überlieferter, welcher ein idealisierter und welcher gar ein erdachter ist, zu schwierig, vor Allem, da wir uns hier nur auf die Texte Platons konzentrieren und nicht auf die überlieferten Darstellungen von Sokrates (wen das interessiert, sollte sich nebst den platonischen Dialogen vor allem "Die Wolken" von Aristophanes und "Die Apologie" von Xenephon anschauen).
Doch glaube ich, dass jede Variante des hier diskutierten sokratischen Satzes "Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß", in jedem Fall (auch) als eine gegen den Sophismus gerichtete Aussage verstanden werden kann. Ob wir nun Platon als den Erfinder dieses Sokrates' annehmen, oder als reinen Chronisten - zweifelsfrei bleibt in der Aussage vor allem die Verurteilung vermeintlichen Wissens präsent, d.h. dass hier (jedes Paradoxon und jeden Skeptizismus bei Seite gelassen) vor ein ewiges Noch-nicht-Wissen gemeint sein könnte. Auf diese Art verstanden deckt sich die Aussage dann auch sowohl mit den "sokratischen Methoden" des Elenchos und der Mäeutik, so wie sie den Dialog als einen Akt der Wahrheitsfindung und Lernens hervorhebt. (Auch die spätere Ideenlehre Platons ließe sich auf diese Weise mit dieser "relativistischen" Auslegung des Satzes decken - doch das muss/kann/soll bei einer Diskussion über die Apologie sicher noch nicht thematisiert werden).
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