Amos lässt die Fäuste sinken. „Jonathan muss die Marmelade rot machen“, verlangt er.
„Bist du damit einverstanden?“, fragt Papa Jonathan.
„Meinetwegen“, gibt der nach und greift nach einem roten Stift.
„Das ist immer noch nicht gleich“, beschwert sich Amos, als Jonathan fertig ist. „Die eine Marmelade ist rot und die andere ist jetzt orange.“
Papa betrachtet die Bildchen. „Vielleicht solltest du die rote Marmelade mit Gelb übermalen“, schlägt er Jonathan vor. „Dann wird sie auch orange.“
Nachdem der das gemacht hat, sind endlich alle zufrieden.
„Jonathan muss gleich nach Hause“, ruft Mama aus der Küche.
Amos’ Papa holt ihnen eine Schachtel, in der sie die selbstgemachten Memorykärtchen aufbewahren können.
„Was fandest du eigentlich schöner: das Malen oder das Spielen?“, erkundigt sich Jonathan, kurz bevor er geht.
Amos überlegt. „Eigentlich das Malen“, antwortet er.
„Ich auch“, sagt Jonathan.
„Du?“ Amos lacht. „Du kannst doch noch nicht mal Marmelade malen.“
Fahrradfahren und Notlügen
„Was hast du?“, fragt Papa Amos beim Frühstück. „Du isst ja gar nichts.“
Amos druckst ein wenig herum. „Ich kann nicht Rad fahren“, sagt er schließlich. „Und ich weiß nicht, was ich da machen soll.“
„Wieso? Du kannst doch mit deinem Rad fahren“, wirft Mama ein.
„Ja, aber nur, weil es Stützräder hat.“
„Und du möchtest ohne fahren können?“, hakt sein Papa nach.
„Ich muss ohne fahren können“, erwidert Amos. „Heute Nachmittag will Leon nämlich mit seinem Papa im Park radeln, und ich darf mitkommen. Aber mit Stützrädern bin ich zu langsam. Und das sieht auch doof aus.“
„Leon ist der Junge, der mit seinen Eltern in unsere alte Wohnung eingezogen ist“, erklärt Mama.
„Ja, und er ist zwei Jahre älter als ich“, fügt Amos hinzu. „Er sagt oft, dass ich ein Baby bin. Er spielt bloß manchmal mit mir, weil er hier noch keinen richtig kennt.“
„Ich verstehe, sagt Papa. „Du willst nicht, dass er die Stützräder sieht und denkt, dass du ein Rad für kleine Kinder hast.“
Amos nickt. „Meinst du, ich kann heute Morgen lernen, richtig Rad zu fahren?“, erkundigt er sich.
„Hm, ich weiß nicht.“ Papa wiegt den Kopf. „Die Zeit ist ein bisschen knapp.“
„Wenn du mir hilfst, schaffe ich es vielleicht“, sagt Amos hoffnungsvoll.
„Ist er nicht noch zu jung dafür?“, wirft Mama ein. Sie hat Angst, dass Amos was passiert.
„Mal gucken“, antwortet Papa. „Ich kümmere mich darum.“
Nach dem Frühstück gehen sie zusammen in den Keller. Dort macht Papa die Stützräder von Amos’ Rad ab. Danach bringen sie es in den Garten.
Papa stellt das Rad an den Anfang des Gartenwegs. „Und nun setz dich drauf“, sagt er.
Amos wird mulmig, als er merkt, wie kippelig das Rad jetzt ist.
Papa macht den Sattel tiefer. „So kannst du die Füße gleich auf den Boden stellen, wenn du das Gleichgewicht verlierst“, erklärt er.
Dann beugt er sich nach unten und hält das Rad am Gepäckträger fest. „Und nun fahr los.“
Das ist leichter gesagt als getan. Amos tritt die Pedale, aber das Rad schwankt mehr, als dass es fährt. Wenn Papa ihn nicht festhielte, würde er garantiert umfallen. Schnell stellt Amos die Füße auf den Boden.
„Noch mal!“, sagt Papa.
Amos traut sich nicht loszufahren. Papa schiebt ihn an und läuft nebenher. Das Rad wackelt dermaßen, dass Amos angst und bange wird.
„Fahr ruhig etwas schneller“, ruft Papa. „Ich halte dich fest.“
Als sie am Ende des Gartenweges angekommen sind, sagt Amos kläglich: „Ich schaffe es nicht, Papa.“
„Ach was! Jeder lernt Radfahren. Man muss nur genug üben.“
Papa ist unermüdlich. Immer wieder fährt Amos den Gartenweg rauf und runter, und er läuft nebenher. Zwischendurch lässt er los. Das sagt er Amos aber erst hinterher, und der ist dann ganz erstaunt, weil er das gar nicht gemerkt hat.
Nach einer Weile kann Amos ziemlich gut allein den Gartenweg entlangfahren.
Papa schwitzt. Amos ebenfalls. Und Durst haben sie. Mama bringt ihnen eisgekühlten Tee heraus.
„Na?“, fragt sie. „Klappt’s?“
„Irgendwann bestimmt“, antwortet Papa.
„Als Nächstes müssen wir Kurven üben“, meint er, „am besten auf dem Rasen.“
Amos ist nun schon mutiger, doch er merkt gleich, dass es viel schwieriger ist, im Kreis zu fahren als geradeaus. Als er den Lenker ein bisschen zu stark dreht, kippt er mit dem Rad um. Zum Glück tut er sich nicht weh, weil er im Gras weich fällt.
Er versucht es weiter. Es ist wirklich sehr schwer. „Du, Papa“, sagt er, „ich lerne das Radfahren bestimmt. Aber nicht heute. Ich brauche mehr Zeit zum Üben.“
„Das sehe ich genauso“, antwortet Papa.
Amos setzt sich ins Gras, mit den Ellenbogen auf den Knien, und stützt den Kopf in die Hände. „Was mache ich bloß?“, jammert er. „Am besten rufe ich Leon an und behaupte, dass ich nicht mitkommen kann, weil ich Bauchweh habe. Oder weil mein Rad kaputt ist.“
Papa setzt sich neben ihn. „Ich finde es richtig, dass du Leon absagst“, antwortet er. „Nur warum willst du lügen? Es ist doch nicht schlimm, dass du noch nicht so gut Rad fahren kannst. Oder ist dir das peinlich?“
Amos nickt.
„Hm“, sagt Papa. „Es ist deine Sache, was du Leon erzählst. Allerdings musst du bedenken, dass es riskant ist, nicht die Wahrheit zu sagen. Stell dir vor, Leon kriegt zufällig heraus, dass du gar nicht krank bist oder dass dein Rad nicht kaputt ist.“
„Ich pass auf“, erwidert Amos.
Zusammen gehen sie rein. Papa hört zu, wie Amos Leon anruft.
Der ist nicht zu Hause. Amos spricht mit seiner Mutter. „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich heute Nachmittag nicht mitkommen kann“, beginnt er.
„Wie schade!“, antwortet Frau Liesegang. „Ist dir was dazwischengekommen?“
„Nein, aber ich kann nicht gut genug Rad fahren. Ich muss erst noch üben.“
Frau Liesegang ist sehr nett. „Natürlich“, sagt sie. „Radfahren lernt man nicht von heute auf morgen. Vielleicht klappt es ja das nächste Mal.“
„Bravo“, lobt Papa ihn, als er eingehängt hat. „Das war mutig.“
„Ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, ehrlich zu sein, wenn Leon am Telefon gewesen wäre“, antwortet Amos.
Papa denkt immer nur das Beste von ihm. „Ich glaube schon“, erwidert er.
Beim Mittagessen hat Mama eine Überraschung für Amos. „Heute Nachmittag treffen wir Amelie und Tante Martina im Hallenbad“, sagt sie. „Jonathan darf mitkommen.“
Amos freut sich so sehr, dass er kaum aufessen kann. Er geht furchtbar gern ins Schwimmbad!
Als Amelie, Tante Martina und Jonathan da sind, kann es endlich losgehen.
Jonathan spricht pausenlos davon, dass er tauchen will. „Ich kann mit dem Kopf unter Wasser gehen“, prahlt er, „mit offenen Augen, und einen Ring aufheben.“
Amos hat es lieber, wenn sein Kopf über Wasser bleibt.
„Im Planschbecken tauchen“, sagt Amelie abfällig, „das ist doch gar nichts. „Ich kann im tiefen Teil schwimmen, wenn Mama die Hand unter meinen Bauch hält.“
„Was tust du am liebsten im Wasser?“, will Jonathan von Amos wissen.
„Ich hüpfe und spritze und so was“, antwortet er.
„Pff“, machen Jonathan und Amelie gleichzeitig.
Aber als sie im Becken sind, hüpfen und spritzen sie alle erst einmal. Dann spielen sie Nachlaufen im Wasser. Das ist richtig schwer und man rutscht oft aus.
Tante Martina hat einen Wasserball mitgebracht. Sie bilden einen Kreis und werfen sich den Ball gegenseitig zu.
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