Louis Geras
Zwiebelsuppe à la Jules
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Inhaltsverzeichnis
Titel Louis Geras Zwiebelsuppe à la Jules Dieses ebook wurde erstellt bei
Alex
Jules
Britta
Zwiebelsuppe
Britta II
Jules II
Milanda
Der Waschsalon
John
Britta III
Der Anruf
Die Vernissage
Am Boden
Baldwin Brix
Britta III
Parkplatzprobleme
Problem Nummer zwei
Agentur Brix
Solution-Club-Treffen I
Das Projekt
Der Anruf
Letzte Chance
Das Meeting
Giovannis Ende
Bernard Demond
Kunstgeflüster
Vorstellungsgespräch
Das Geschenk
Das Ende der Liebe
Die Uhr
Zwiebelsuppe à la Jules
Epilog
Impressum neobooks
Zwiebelsuppe à la Jules
von
Louis Geras
Alex Wolf behielt die Augenlider geschlossen. Genussvoll rekelte er sich unter dem glatten Laken, streckte seine Beine aus und rollte sich dann zur Seite. Leise schabte sein Bart am seidenen dunkelblauen Kissen, als er seine Wange daran schmiegte. Er wollte diesen Moment festhalten. Er klammerte sich an die Erinnerung der letzten Stunde fest. Aber sein verflixtes Gehör verweigerte ihm den Gehorsam. Stattdessen nahm es jedes noch so leise Geräusch auf. Lauschte aufdringlich in das stille Zimmer, um nichts zu überhören. Die vertrauten Geräusche vor dem offenen Fenster - anfahrende Autos, leise Musik von Nebenan und der Glockenschlag, der unbarmherzig von der nahen Turmuhr herüber schallte, sowie das leise Rascheln, welches beim hastigen Anziehen von Kleidung entsteht – drangen in seine Ohren und somit in sein Bewusstsein. Schließlich hörte er das kaum wahrnehmbare Rasseln und anschließende Klicken des Schlüssels im Schloss. Die Wohnungstür schwang mit leisen Scharren über den Vorleger auf und Alex hörte nur noch die unpersönlichen, wagen Worte: „Ich rufe Dich an. Vielleicht donnerstags ….oder sonst nächste Woche.“ Dann …. fiel die Tür ins Schloss.
Kalt und abweisend klangen ihm die Worte in den Ohren. Der kurze, heftige Schlag der energisch geschlossenen Tür beendete seinen Tagtraum. Schmerzhaft empfand er die Stille, die sich nun ausbreitete. Und wie jedes Mal, wenn sich das Gefühl des Verlassens sein nach dem hastigen Abschied im Zimmer ausbreitete, konnte er sich nicht mehr gegen dieses demütigende Gefühl erwehren, welches an seinem Ego kratzte. Das unterschwellig ständig da war, aber welches er unterdrückte, da er sich vor dem Alleinsein fürchtete.
Am Anfang ihrer heimlichen Beziehung hatte er dieses Gefühl nicht gekannt, aber je öfter er in den letzten Wochen die Wohnung betreten hatte, die Gespräche, bevor sie im Bett landeten, weniger und die Abschiede kürzer geworden waren, umso mehr kratzte es in seinem Unterbewusstsein und hinterließ diesen schmerzhaften Fleck. Es zerstörte die Illusion, die ihn hierher trieb. Die Illusion geliebt zu werden und nicht nur eine kurze Affäre zu sein. Je öfter sich die Türe schloss, umso mehr fühlte er sich benutzt, nein, mehr noch, ausgenutzt. Dabei wollte er nichts anderes als geliebt werden. Er hasste es, so zu empfinden. Schließlich kam er aus freien Stücken hierher. Er war hier, weil er es so wollte. Punkt um. Trotzdem blieb der schale Geschmack danach. Immer wenn die Tür sich schloss, fragte er sich, warum er eigentlich wieder kam.
Er zwang sich seine Augenlider einen Spalt zu öffnen. Es fiel ihm schwer. Als würden seine Lider von einem zentnerschweren Etwas niedergedrückt. Als wollte diese Etwas verhindern, dass er die Wirklichkeit sah. Eine Wirklichkeit, vor der er seit Wochen floh.
Endlich schaffte er es. Abschätzend sah er sich in der kleinen Wohnung um. Sie war modern und ausgesprochen unpersönlich eingerichtet. Alles…. und doch nichts da. Eine Liebeshöhle - elegant, praktisch und sauber. Fast schon steril, als fürchte man, sie könnte alle ihre verborgenen Geheimnisse verraten. Immer, wenn Alex sie betrat, erschien sie ihm leblos und leer. Erst durch sie beide erwachte sie zum Leben. Doch kaum gingen sie, entwich ihr dieser Lebenshauch. Starb sie einen einsamen Tod… .
Alex fröstelte es. Warum kam er hier immer nur auf so absurde, pathetische Gedanken. Wahrscheinlich lag es an ihrer verstohlenen geheimen Beziehung. Manchmal erschien es ihm unheimlich, dass man sich so intim kannte und doch nichts Elementares voneinander wusste, außer einigen wenigen unwesentlichen Details, die nichts verrieten. Was jedoch nicht an ihm lag. Wann immer er im Gespräch versuchte mehr zu erfahren, wurde er vertröstet, schließlich sollte man die wenigen gestohlenen Augenblicke, die man für einander hatte, genießen und nicht mit nutzlosen Gesprächen vergeuden. Jeder Augenblick war kostbar. Auch Alex empfand es so und versuchte sie auf seine Weise festzuhalten. Dazu gehörte für ihn aber auch ein vertrautes Gespräch. Gedankenaustausch oder zärtliche Worte.
Seine Augen folgten den Sonnenstrahlen, die sich zwischen den halbgeschlossenen Rollläden hindurch stahlen und über den kleinen Tisch vor dem Fenster Linien zeichneten. Er versuchte diese Gedanken zu verdrängen, denn er fürchtete sich vor der Alternative.
Die Turmuhrglocke schlug ein Mal. Viertel nach Zwei. Es wurde Zeit. Das nächste Meeting fing in einer Stunde an und er musste noch ans andere Ende der Stadt. Die gestohlenen Stunden verlangten Organisation und hetzten ihn.
Seufzend schlug er die Decke zurück, blieb aber noch einen Moment liegen und fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Innenseite seines Schenkels. Ganz leicht. Ganz langsam und behutsam. Das Kribbeln setzte augenblicklich ein und er schloss die Augen und genoss es.
Er hatte früher nicht gewusst, wie sehr es ihn erregte, wenn das jemand machte.
In den vergangenen Monaten seit sie sich hier trafen, hatte er viel über sich gelernt. Er hatte neue, für ihn fremde erogene Zonen seines Körpers kennengelernt und jede einzelne erforscht. Berührungen, die ihm früher Fremd gewesen waren, erregten ihn nun. Alleine bei dem Gedanken daran, versetzten Impulse ihn in einen berauschenden Zustand. Er wusste, dass dies die Antwort war auf seine Frage, warum er immer wieder hierher kam. Auch wenn er sie nicht hören – nicht wahrhaben - wollte.
Missmutig zog er seine Augenbrauen zusammen. „Schlampe! Geile Schlampe!“, sagte er halblaut in den leeren Raum und meinte sich selbst damit. Dann zwang er sich die Augen endgültig zu öffnen. Rasch schwang er nun seine Beine über die Bettkante und sprang auf, um nicht in Versuchung zu geraten, weiterhin seinen Gedanken und Gefühlen nachzuspüren.
Auf dem Weg ins Bad sammelte er seine Socken und die Jeans vom Boden auf und warf sie auf einen der Stühle neben dem Tisch.
Zuerst heiß, dann eiskalt prasselte das Wasser der Dusche auf ihn nieder. Das klärte seine Gedanken, wenigstens für eine Weile.
Nachdem er auch die anderen Kleidungsstücke gefunden hatte – er war jedes Mal überrascht, an welchen Orten er sie wiederfand - verließ er, nach einem kurzen prüfenden Blick in den Spiegel, hastig die Wohnung.
Den Gang entlang eilend, vorbei an den verschlossenen anonymen Türen, suchte er nach seinem Handy in der Jackentasche. Er schaltete es immer aus, wenn sie sich trafen. Er wollte unerreichbar für die alltägliche nüchterne Welt sein, während sie sich in der Wohnung aufhielten. Nun checkte er seine Anrufe. Dreimal das Büro. Eine SMS. Er lud sie herunter.
Kaum hatte er sie gelesen, beschleunigte er seine Schritte. Seine Hast kam nicht von ungefähr. „Meeting schon um halb“, stand in der SMS. „Verdammt!“, stieß er hervor. Dann begann er den Gang entlang zu laufen - wobei er immer wieder halblaut vor sich hin fluchte -sprang die Treppe - immer zwei Stufen auf einmal nehmend - hinunter und bremste erst knapp vor der zweiteiligen gläsernen Eingangstür.
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