Weg
Pfarrer Christian Sieberer
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© 2018 Pfarrer Christian Sieberer
Einleitung
Aus-gehend vom sinnvollen Umgang mit Langeweile und mit Dank als stärkendem Proviant möchte ich mich heute auf den Weg des Lebens begeben.
Wir sind immer unter-wegs, ob wir es merken oder nicht. Im Leben liegt Dynamik, die dankbar angenommen werden kann.
Sie hält jung bis zum letzten Atemzug.
Die schöne Tatsache, dass jeder Mensch einzigartig ist, lässt sich auch an seinem Lebensweg erkennen. Glücklich, wer diesen Weg annehmen kann, mit all seinen Windungen und Wendungen. Mit den luftig-leichten Höhen, den lähmend-zähen Tiefen und dem solid-vertrauten Alltag.
Im gesellschaftlichen Diskurs wird häufig debattiert, wann der Lebensweg eigentlich beginnt und ab welchem Zeitpunkt man von einer menschlichen Person sprechen kann.
Insbesondere neue medizinische Entwicklungen (vor allem in der Reproduktionsmedizin) werfen viele ethische Fragen auf. Dabei ist die Frage, wann das Dasein beginnt, naturwissenschaftlich eindeutig zu beantworten.
Das menschliche Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle (= Empfängnis).
Alle Eigenschaften des Lebens treffen auf die befruchtete Eizelle zu. Diese Eigenheiten sind zum Beispiel Abgrenzung von der Umwelt, Stoffwechsel, Vermehrungsfähigkeit, Wachstum, Reizbarkeit und Reizbeantwortung.
Die durch Verschmelzung entstandene Zelle trägt die Information für die ganze folgende Entwicklung in sich. Alle Milliarden Zellen, aus denen der Körper besteht, gehen aus dieser einen Zelle hervor. Die gesamte Erbinformation ist darin enthalten. Nicht nur ihre Zugehörigkeit zur menschlichen Rasse, sondern sogar Geschlecht, Augenfarbe und viele andere Merkmale. Von Anfang an ist das Ungeborene also ein einzigartiger und unwiederholbarer Mensch.
Die Entwicklung des Kindes verläuft fließend. Die Befruchtung ist das einzige gravierende Ereignis. Es gibt keinen anderen Zeitpunkt, an dem der Beginn des Lebens bewiesen werden könnte.
„Der Mensch entwickelt sich nicht zum Menschen, sondern als Mensch. Er wird nicht Mensch, sondern ist Mensch… in jeder Phase seiner Entwicklung, von der Befruchtung an.“ bezeugte der Embryologe Prof. Dr. Erich Blechschmidt.
In dem Moment, in dem Eizelle- und Samenzelle miteinander verschmelzen, verbindet sich auch das Erbgut von Frau und Mann, und es entsteht ein einzigartiger, neuer Mensch. Geschlecht, Aussehen und andere genetisch bedingte Eigenschaften sind in diesem Moment grundgelegt, und es beginnt nun eine rasante, kontinuierliche Entwicklung, die bis zum Tod dieses Menschen andauern wird.
Jugend für das Leben hat diese Tatsachen dankenswerterweise präzise formuliert.
So beginnt also der einzigartige Lebensweg jedes Menschen, von Anfang an sind wir eng verbunden mit anderen Menschen.
Noch nie hat sich ein Mensch aussuchen können, wann und wo er geboren wurde. Ob ihn seine Eltern freudig erwarten oder entsetzt ablehnen würden. Wie viel Nahrung und Kleidung zur Verfügung stehen, ob in seinem Heimatland Frieden oder Krieg herrschen, wie es um die medizinische Versorgung bestellt sein sollte, usw.
Jeder Mensch wird in eine Welt hineingeschubst, in der es erstaunlich viele Wege und Möglichkeiten gibt, unterwegs auf dem Raumschiff Erde, in den unendlichen Weiten des Universums. In einer einzigen Minute be-wegt sich auf diesem Planeten, auf dem wir unser ganzes Leben verbringen, atemberaubend viel:
In einer Minute werden auf unserer Erde…
… 257 Kinder geboren.
… 730.000 Fotos aufgenommen.
… 48.000.000 Telefonate geführt.
… 14 Meteoriten in der Erdatmosphäre abgefangen.
… pro Person bis zu 33 Gedanken gedacht.
… 5 neue Bücher veröffentlicht.
… 100 Stunden Videos auf YouTube veröffentlicht.
… 285.000 Tiere geschlachtet.
… 2500 Tonnen Müll produziert.
… 21.000.000 WhatsApp Nachrichten versandt.
… 10.000.000 Zigaretten geraucht.
… 14.000 Menschen ein Flugzeug betreten.
… 140 neue Autos gebaut.
… 16.000.000 SMS gesandt.
… 15.300.000 Toiletten gespült.
… 3.500.000 Google Suchanfragen gestellt.
… 1.400.000 Plastiksackerl benützt.
… 59 Hochzeiten gefeiert.
… 544 neue Laptops oder Computer gekauft.
… 2.689.682 Euro für wohltätige Zwecke gespendet.
… 65.000 Ölfässer verbraucht.
… 2700 Smartphones gekauft.
… pro Person die Haare 0,00060 Zentimeter länger.
… 5 Erdbeben registriert.
… 2.700.000 E-Mails versandt, 67% sind Spam.
… 111 Menschen für tot erklärt.
In diesem Gewusel kann man leicht die Orientierung verlieren oder gar zu der Einschätzung gelangen, dass man selbst keine wirkliche Bedeutung hat.
Doch ganz im Gegenteil:
Es gibt für jeden Menschen genug zu tun, damit unsere Erde ihren Gästen ein besseres Zuhause bieten kann.
In jedem Augenblick hast Du die Chance, dein und das Leben anderer Geschöpfe zu verändern. Erkenne deine Verantwortung und warte nicht auf die da draußen, die Vielen, Starken, Gescheiten und Mächtigen.
Deine kleine Welt darfst du tatsächlich zu einem großen Teil selbst gestalten, fange genau jetzt damit an!
Die erste Frage dabei lautet:
Wo soll der Weg hingehen? Wo möchte ich in einem, in drei, in zehn Jahren stehen?
Nur du kannst dein Leben leben, niemand kann es dir abnehmen. Ebenso wenig kannst du das Leben eines anderen leben.
Wir werden allein geboren, wir werden allein aus dieser Welt gehen. Niemand kann dies für uns tun.
Von diesen Tatsachen ausgehend weitet sich der Blick auf die netten Gimmicks, die uns ein Stück des Wegs begleiten: Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine,…
Wohin auch immer du gehst, einen nimmst du auf jeden Fall mit: dich selbst.
Jeden Tag deines Lebens bist du 24 Stunden mit dir zusammen, da lohnt sich tatsächlich ein gutes Miteinander.
Doch: Warum haben wir manchmal Angst vor uns selbst und halten es schwer aus, allein zu sein?
Wenn der tiefste Grund für eine Beziehung mit anderen Geschöpfen die Flucht vor sich selbst ist, kann diese Beziehung jedenfalls nicht gut gehen.
Es ist ein schöner Lebensauftrag, den Mitmenschen als eigenständige Persönlichkeit zur Verfügung zu stehen. Sie haben einfach mehr von dir, wenn du tatsächlich du bist.
Stelle dich der Realität, halte sie aus, bringe dich ein und gestalte sie mit. Wenn du dein bester Freund bist, wenn du ehrlich und offen auf dich schaust, dann kann das Abenteuer beginnen.
Wer zeigt dir Wege, dich selbst zu finden und anzunehmen?
Wer führt dich zum Erwachsen-Sein?
Zum reifen, in sich ruhenden Menschen, mit Realitätssinn, Verantwortung, Mut, Stärke,…
Es ist gar nicht so einfach, Vorbilder zu finden.
Suche sie nicht auf den ausgelatschten Pfaden von Erfolg, Geld und Einfluss. Frage nicht nach Zugriffszahlen, Likes und ähnlichen Lächerlichkeiten.
Suche nach Menschen, die der Wirklichkeit dienen, anstatt sich selbst zur Wirklichkeit machen zu wollen.
Wo könnte man sie finden?
Irgendwo da draußen gibt es seit gut zweitausend Jahren Menschen, die irgendwann einmal genug hatten von Realitätsverweigerung.
Die sich dem Leben stellen wollten.
Die ihr kurzes Dasein auf Erden einem höheren Gut zu widmen versuchten.
Menschen wie du und ich, mit Fehlern und Schwächen, aber auch dem gewissen Etwas: Eremiten.
Ein Eremit (altgriechisch ἐρημίτης, eremítēs, aus griechisch ἔρημος, érēmos, das „Wüste“ und „unbewohnt“ bedeutet, daher „Wüstenbewohner“, deutsch auch „Einsiedler“) ist ein Mensch, der mehr oder weniger abgeschieden von den Menschen lebt (siehe Einsiedelei oder Eremitage).
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