„Tja, so lernt man immer mal wieder was dazu. Ich habe so was auch noch nicht gewusst.“
„Gibt es Informationen über diese Bank oder dieser Ruben Compagnie ?“
Kuntz verneinte die Frage mit einem eindringlichen Kopfschütteln. Frank hakte nach. „Google, Wikipedia, Nichts?“
„Nichts! Nicht die kleinste Information. Ein kaum zu erkennendes Bild von dem Gebäude in Bern, nichts Spektakuläres.“
„Ist das Rechtens…, und woher wissen die überhaupt davon?“
Kuntz nahm seine Brille ab und lehnte sich zurück.
„Wenn man so was findet, musst du nachforschen wem es gehören könnte. Außerdem gibt es ein sogenanntes Art-Loss-Register.“
„Art-Loss-Register?“
„Eine weltweite Datenbank über verlorene Kunstgegenstände. Da werden alle gestohlenen oder vermissten Kunstgegenstände aufgelistet.“
„Alle?“
„Ein Großteil jedenfalls. Mit Kunstgegenständen ist das so eine Sache. Manche sucht man, manche werden gefunden, andere werden gestohlen, wieder andere sollen gar nicht gefunden werden usw., usw. Auf alle Fälle können wir uns das nicht einfach in die Vitrine stellen. Auch wenn wir das gerne wollen, wir müssen erst mal klären, wem das gehören könnte.“
„Die Russen machen es aber nicht so kompliziert.“
„Oh, das ist ein anderes Kapitel. Hier aber scheinen die Besitzverhältnisse klar auf der Hand zu liegen. Es gibt internationale Abkommen, die besagen in solchen Fällen zu prüfen, inwiefern es sich tatsächlich um Beutekunst oder etwas Ähnliches handelt. Offiziell nennt man das ja Restitutionsansprüche. Und glaube mir eins, die es darauf anlegen, die kriegen das auch mit. Für die hat das oberste Priorität. Die haben ihre Augen und Ohren überall. Dieses Art-Loss-Register ist auf dem Computer bei solchen Leuten in der Favoritenliste ganz oben. Bei jedem neuen Eintrag klingeln bei denen die Alarmglocken. Diese Ruben Compagnie hat Unterlagen, Besitzurkunden bzw. Kaufverträge die angeblich zweifelsfrei belegen, dass diese Kunstgegenstände aus jüdisch-russischem Besitz ihnen gehören.“
Während Frank in den Schreiben blätterte, wandte Kuntz sich an Sarah, die auffällig ruhig geblieben war.
„Was sagst du dazu?“
Sarah machte den Eindruck mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein, sie schien gar nicht zuzuhören. Langsam drehte sie sich zu Kuntz.
„Bevor du dir meine Meinung anhörst, willst du mir nicht erst mal was sagen?“
Kuntz nickte bedächtig, als würde es ihm gerade wieder einfallen.
„Du hast Recht. Ich hätte dich erst mal fragen sollen. Dass ich dabei deine Hilfe brauche, habe ich ja schon gesagt. Diese komische Bank wünscht, und das müssen wir wohl auch tun, dass ihr ihnen sämtliche Unterlagen die uns zur Verfügung stehen, zukommen lasst. Die prüfen dann, ob es sich auch wirklich um die gesuchten Kunstgegenstände handelt und ihr müsst prüfen, ob diese Ansprüche berechtigt sind. Soll heißen, ihr seid vor Ort, natürlich in direkter Verbindung mit meiner Kommission.“
Frank schien irritiert.
„Aber wir leben doch im 21.Jahrhundert. Warum mailen oder faxen sie denen die Listen nicht einfach runter.“
„Das darfst du mich nicht fragen. Vermutlich, weil alleine die Listen und Unterlagen die wir haben schon ein Vermögen wert sind. Abgesehen davon haben wir das schon getan, deshalb ja die konkreten Ansprüche und nun müssen wir die ihnen im Original vorlegen. Wie sollen die sonst ihre Echtheit prüfen?“
„Aber man kann das doch schicken? UPS oder so.“
Skeptisch wackelte Kuntz mit seiner Hand.
„Nein, nein. Die wünschen, dass ihnen das persönlich übergeben wird. Die übernehmen auch die Kosten. Flug, Leihwagen, Hotel usw., das ganze Programm.“
Frank lehnte sich zurück. Sein Blick richtete sich zu Sarah. Auch Kuntz drehte sich ihr zu.
„Was sagst du Sarah? Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich es euch als kleinen Erholungstrip verkaufen. Ich habe aber so ein mulmiges Gefühl. Ich muss euch nicht sagen, dass wir das nicht gerne wieder rausgeben. Aber wenn es denen gehört, werden wir das wohl machen müssen. Also? Bist du dabei?“
Mit einem vorsichtigen Lächeln schaute Sarah ihn an.
„Heißt das, ich bin wieder im Dienst?“
„Was?“
Ratlos schaute Kuntz zu Frank. Der vergrub sein Gesicht vorsichtig hinter seiner Hand. Er ahnte was jetzt kommen sollte.
„Wovon redest du?“
„Von mir. Du willst doch, dass ich euch helfe. Demzufolge gehe ich davon aus, dass ich wieder…“
Sarah stockte. Sie merkte, dass Kuntz nicht mal ansatzweise wusste wovon sie redete. Ihr dämmerte Ungemach.
„Was? Was meinst du?“, ließ Kuntz nicht locker.
„Bin ich nun wieder im Polizeidienst oder nicht?“
„Kindchen, wie kommst du darauf?“
„Nenn mich nicht Kindchen. Ich habe mir 15 Jahre für deinen Laden den Arsch aufgerissen und ich denke mal, dass ich dir bewiesen habe, dass ich das noch kann. Ich bin kein Kindchen.“
„Du meinst, so wie vorhin oben im Foyer.“
Sarah zuckte zusammen.
„Warte…, warte…, du hast gedacht, dass du wieder in den Polizeidienst kannst? Jetzt verstehe ich. Man, da hätte ich ja auch selber draufkommen können. Tut mir leid, ich hätte mich wohl gleich klipp und klar ausdrücken sollen.“
Genervt, enttäuscht, ratlos schaute Sarah hilfesuchend zu Frank. Wie ein Stich ins Herz empfand sie seinen leeren Blick. Von ihm schien keine Hilfe zu kommen. Sie drehte sich wieder zu Kuntz.
„Aber warum bin ich dann hier?“
„Du sollst da nicht als Polizistin hinfahren. Du fährst da im Auftrag der Sonderkommission hin.“
„Und warum nicht als Polizistin? Warum die ganzen neuen Gutachten, die ganzen Gespräche mit den Gehirnklempnern…?“
„Gut! Reden wir über die Gutachten. Die Gehirnklempner, wie du so schön sagst, sind der Meinung, dass sich zwar geringe Verbesserungen an deiner Psyche feststellen ließen, du aber noch weit davon entfernt bist, den Anforderungen…“
„Hör auf!“, wurde er von Sarah unterbrochen. „Das kann doch nicht dein Ernst sein? Du kennst mich doch. Bist du derselben Meinung?“
„Sarah! Ich habe dir das schon mal gesagt. Es geht hier nicht um meine Meinung. Verflucht nochmal, ich bin Polizeidirektor. Wir sind hier nicht in einem Kleingartenverein, wo man manche Sachen beim Kaffeeklatsch beschließt. Ich muss die Leute ohne persönliche Sympathien alle gleich behandeln. Ich kann denen nur Empfehlungen geben, aber entscheiden tun die das. Dafür sind solche ärztlichen Gutachten doch da. Man ist immer noch der Meinung, dass du in Extremsituationen nicht so reagierst, wie es sein sollte.“
„Das ist doch Schwachsinn.“
„Schwachsinn? Was ist mit deinen Schwindelanfällen? Was ist mit deinen Gefühlsausbrüchen? Wie nennst du das, was da oben mit Büttner…“
„Hör endlich auf!“
Während Sarah den Direktor erneut unterbrach, sprang sie auf. Ihr Blick wandte sich zu Frank.
„Hast du das gewusst?“
Sie wartete erst gar keine Antwort ab.
„Na klar hast du das gewusst. Und nichts gesagt.“
Enttäuscht schob Sarah die Unterlagen in die Mitte des Tisches.
„Macht euren Scheiß alleine. Wer mich nicht haben will, der kriegt mich auch nicht.“
Sarah machte sich daran, den Raum zu verlassen. Kuntz blickte ratlos zu Frank, der wie es schien darüber nachdachte, wie er mit der Situation umgehen sollte. Jetzt und vor allem später. Beschwichtigend wandte sich Kuntz nochmal an Sarah.
„Sarah! Setz dich wieder hin. Ich brauche deine Hilfe. Die Sonderkommission braucht deine Hilfe. Es geht hier um wichtigere Sachen. Du wirst auch genauso bezahlt…“
Sarah hob ihre Hand. Sie wollte nichts mehr hören.
„Das ist mir egal. Dein Geld kannst du dir sonst wohin stecken. Ich will hier nur raus.“
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