Jedenfalls, nach der ersten Zeit im Einheitsbewusstsein, auch „Samstag 2“ (oder so ähnlich?) genannt, wird es ziemlich ätzend. Zunächst einmal die Frage:
1 Und? Was jetzt?
Wenn Du nicht erleuchtet bist, hast Du irgendwas: Ein Ziel, irgendwas, worauf Du hinarbeitest. Aber wenn Du erleuchtet bist , hast Du kein Ziel mehr. Du bist angekommen. Und zwar am Ziel aller Ziele. Das bedeutet für Dich: es gibt nichts mehr zu tun, nirgendwo mehr hinzugehen. Klingt gut – ist aber doof. Z.B. gibt es keine Antwort mehr auf die Frage: zu mir oder zu Dir? – ganz einfach, weil die Frage nicht mehr existiert. Ein Erleuchteter geht nirgendwo mehr hin, weil er ja bereits angekommen ist. Ja, es kann sein, dass er morgens nicht mal mehr zur Arbeit fährt. Er ist ja bereits da – zumindest, wenn er Homeoffice hat.
Glaub mir: es gibt nichts Blöderes, als am Ziel aller Ziele angekommen zu sein. Fragen wie: „in welche Kneipe gehen wir heute Abend?“ lösen sich in Luft auf. Und das ist ziemlich ätzend, wenn man bedenkt, wie lecker die Chicken Wings beim Mexikaner im nächsten Ort sind…
1 Ein Guru zu werden und zu sein ist total bekloppt!
Fast jeder Erleuchtete wird ein Guru. Das sagt schon viel aus: denn einfallsreich sind die Erleuchteten damit gerade eben nicht. Guru ist langweilig. Gibt’s schon. Wenn ich das Wort Guru nur höre, fange ich immer so herzhaft an zu gähnen, dass ich mir fast den Kiefer verrenke. Außerdem ist es lächerlich. Oder hast Du dieses seltsam gekleideten Wesen auf Esoterikseminaren jemals ernst genommen? Also, ich nicht. Nachteil Nummer zwei: ein Guru zu sein, kollidiert mit deiner Freizeitgestaltung. Im Ernst? Wie willst Du es schaffen, deine Wochenarbeitszeit auf sinnvolle 40 Minuten zu reduzieren, wenn Du permanent durch die Lande tingelst und irgendwelchen Leuten, die Du nicht kennst, Zeug erzählt, das sie nicht verstehen? Das mag sich vorteilhaft auf deine Altersvorsorge auswirken. Aber immer denselben Mist labern? Also irgendwie ist das doch total öde!
Meine Alternative war: ich stöpselte mir eine von diesen komischen Baukastenwebsites zusammen, schrieb ein paar dumme Geschichten rein (das hat mir mein Deutschlehrer schon bestätigt, dass ich das kann – lange bevor ich erleuchtet wurde) und verseile mich nach getaner 40-Minuten-Woche regelmäßig an den Badesee, um dümmlich nach innen grinsend viel zu jungen Dingern im Bikini hinterher zu starr…, Entschuldigung, ich meine natürlich im Einheitsbrei, äh –Bewusstsein zu versinken!
1 Entsetzt im Hier und Jetzt!
Man sollte meinen, dass Hier und Jetzt eigentlich ganz cool sind. Aber das ist nicht der Fall. So könntest Du zum Beispiel vergessen, dass Du dein Häuschen noch abbezahlen musst. Oder Du löst in einem Anfall von besonders intensiver Erleuchtung deine private Altersvorsorge auf und haust das Geld auf den Kopf. Das bedeutet, dass Du dann arm bist. Zwar immer noch erleuchtet, aber arm. Dazu kommt, dass Erleuchtete grundsätzlich keinen Selbstmord begehen und trotz Erleuchtung hast Du keine Glaskugel. Du kannst nicht damit rechnen, dass Du sofort abnippelst (was natürlich Vorteile hätte - aber es ist nur eine von vielen Möglichkeiten).
Als Erleuchteter planst Du nichts mehr. Wozu auch? - Es ändert ja nichts an der Erleuchtung. Hat aber den Nachteil, dass es das Leben ziemlich unberechenbar macht. Und wie reagiert ein Erleuchteter, wenn ihm etwas völlig Unberechenbares passiert?
„Ups!?“
Nicht gut…
1 Als Erleuchteter bist Du ein besserer Mensch? Vergiss es!
Das ist eine von den Lügen, die sie dir erzählen: „als Erleuchteter bist Du ein besserer Mensch!“ Ich verrate dir ein kleines Geheimnis: das ist Quark³!
Als Erleuchteter bist Du noch nicht einmal mehr ein richtiger Mensch, geschweige denn ein besserer! Wie denn auch? Wenn Du Dich den ganzen Tag (und jeden Tag!) so fühlst wie nach einer LKW-Ladung der lustigen Partypillen, die Welt seltsam bunt und irgendwie merkwürdig perfekt ist, hast Du noch Bock, irgendwas zu verändern oder zu verbessern? In dem Zustand machst Du nichts , was irgendeinen Sinn hat! Kennst Du Helge Schneider? So ähnlich. Nur, dass Du eventuell noch nicht einmal ein Instrument gescheit spielst.
Du könntest Büttenreden schreiben. Oder so einen Quatsch wie ich. Das Problem ist nur: damit kann man weder die Umwelt schützen, noch das Klima verbessern, noch die Nazis bekämpfen oder was Nicht-Erleuchtete den ganzen Tag Sinnvolles tun. Das bedeutet wiederum: auf einem Klassentreffen bist Du der Oberlangweiler! Während andere die Welt retten, schaust Du Dir diesen Steinhaufen im Weltall einfach nur an, dabei immer dümmlich in Dich hinein grinsend.
Mir ging das mal so: es ist mir auf einem Klassentreffen mal so halb-freiwillig herausgerutscht, dass ich erleuchtet bin. Eine hat mich danach getätschelt und gesagt: naja, manchmal muss man halt auch mit Kleinigkeiten zufrieden sein!
Das kannst Du nicht wirklich wollen! Genauso wenig, wie ein Sachzwang 3bei mir oder wie diese komischen esoterischen Dinger heißen …
1 Deine Trainingsziele leiden, sobald Du erleuchtet bist
Vor deiner Erleuchtung gibt es immer irgendetwas, womit Du unzufrieden bist: zum Beispiel Deine Figur. Wenn Du aber erst einmal erleuchtet bist , ist Dir Deine Figur egal. Das legt sich ungut auf Deine Trainingsziele.
Wenn Du überhaupt noch ins Fitnessstudio gehst, dann guckst Du dir die viel zu jungen Dinger in dem engen, knackigen Sportdress an und denkst: „Niedlich! Erinnert mich an das eine Mädel, an das ich schon in der Schule nicht rangekommen bin!“ (Für ErleuchteTINNEN: „Erinnert mich an den scharfen Typen, den mir meine bis dahin beste Freundin vor der Nase weggeschnappt hat!“). Dabei grinst Du nur dümmlich nach innen. Der Nachteil: davon werden weder der Bizeps dicker, noch der Bauch flacher. Buddha hatte einen Bauch, weil er sich im Fitnessstudio nur noch die jungen Dinger angeguckt hat.
Mein Bauch ist auch nicht geschrumpft, seit ich erleuchtet bin. Im Gegenteil: ich habe mir nämlich im Hier und Jetzt die ein- oder andere Tafel weißes Nougat zu viel reingeballert.
1 Berufliche Karriere, ade!
Noch so etwas, das nach der Erleuchtung unweigerlich baden geht: Dein beruflicher Aufstieg geht den Bach runter! Ich brauche Dir ja wohl nicht zu erklären, wieso das so ist? Statt die Karriereleiter zu erklimmen, nach unten zu treten und nach oben zu beschwichtigen (damit der, der über Dir ist, nicht nach Dir tritt), stehst Du neben der Karriereleiter und schaust, wie die andern hoch kraxeln - dabei wie immer dümmlich nach innen grinsend.
Falls Du noch etwas vor hast in Deinem Leben, falls Du es zu etwas bringen willst, falls Du große Pläne geschmiedet hast und aufsteigen willst - vermeide Erleuchtung um jeden Preis!! Erleuchtung durchkreuzt jegliche Karrierepläne! Das gilt natürlich selbstverständlich genauso, wenn Du selbstständig bist…
1 Deine Garderobe ist nicht gesellschaftsfähig (naja, nicht wirklich…)
Ich bin ja nun auch freiberuflicher Probefahrttourist. Das ist einer, der Autos probefährt, aber dann nicht kauft. Das ist für sich gesehen schon kein leichtes Brot, denn: Autohändler hassen diese Typen. Mir geht das zwar am Arsch vorbei, ich bin ja erleuchtet. Es geht mir ja nur darum, EINS zu werden mit den Autos. Zumindest während der Probefahrt. Aber Erleuchtung und Probefahrttourismus sind aus einem anderen Grund nicht kompatibel:
Die Garderobe.
Weißt Du, wenn Du vor einem überwiegend weiblichen Grüppchen von Esoterikern quatschst, ist diese weite Mönchskuttenimitation ja recht praktisch. Du täuschst Authentizität vor und wenn mal eine besonders hübsche Esoterikerin Deinen Vortrag ziert, kannst Du gewisse Eigenmächtigkeiten Deines erleuchteten Stabes effektiv verbergen. Erleuchtete Frauen ziehen sich bevorzugt weiße, halbtransparente Gewänder an, um mit ihren lichten Vorzügen von der Inhaltsleere ihres Gefasels abzulenken.
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