Isabel Ackermann - Wie starb Murdock?

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Da steht sie nun: Talentiert, schön, Mitte zwanzig – und krank. Lebt mit dem 19-jährigen Nick zusammen, den Louise erst ein paar Monate kennt und muss sich damit anfreunden, dass ihr Leben kaputt ist. Doch da kommt Stepheny, das Nachbarskind, mit einem lächerlich wichtigen Auftrag: «Murdock ist ermordet worden. Er war mein bester Freund. Mama sagt, ihr beide habt nichts zu tun. Findet ihr den Mörder… bitte?»
Während Louise und Nick tatsächlich versuchen, die Todesumstände des Katers Murdock zu klären, passiert so einiges: Wutausbrüche, Liebesgeständnisse, Verfolgungsjagden, das Aufdecken krimineller Machenschaften.
Und immer wieder zeigt sich, dass in den Sackgassen des Lebens die besten Begegnungen stattfinden, dass lang Herbeigesehntes nicht immer Erlösung birgt und umgekehrt – dass der größte Verlust manchmal zum größten Gewinn führt.
Eine Novelle voller Wortwitz und Poesie, Alltagssprache und Anmut, die Mut macht zum Lieben, Leben und Sterben. Ein Buch für Krimiliebhaber, Lebenslustige und Verzweifelte, Gott-Verweigerer und -Sucher.

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Isabel Ackermann

Wie starb Murdock?

Eine Novelle

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Inhaltsverzeichnis Titel Isabel Ackermann Wie starb Murdock Eine Novelle - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Isabel Ackermann Wie starb Murdock? Eine Novelle Dieses ebook wurde erstellt bei

1. Die Katze ist tot

2. Der Auftrag

3. Fragen

4. Auf der Mauer, auf der Lauer

5. Killerbaby

6. Gespräche

7. Möglichkeiten

8. Übern Gartenzaun

9. Rattenfänger

10 Größer

Impressum neobooks

1. Die Katze ist tot

Im Angesicht des Todes sind alle gleich.

Der August blies eine warme Brise in das Wohnzimmer, als Louise die Haustür öffnete. Genüsslich sog sie die Luft ein, schluckte den Rest ihres Latte Macchiato herunter und senkte den Blick auf den kleinen Menschen, der an ihrer Tür geklingelt hatte.

Er hieß Stepheny, war zehneinhalb Jahre alt und atmete schwer, als stünde er kurz vor einer Explosion. Stepheny war wütend. So wütend, dass ihre Augen dunkler waren als sonst, ihre Nasenflügel riesig und ihr Körper so gespannt und aufrecht, dass sie zehn Zentimeter größer wirkte.

Louise war alarmiert, obwohl sie das Kind nicht gut kannte.

„Was ist los? Stepheny, sag!“

Das Mädchen öffnete kurz den Mund, um zu sprechen. Haltung zu bewahren kostete sie allerdings soviel Anstrengung, dass sie nichts herausbrachte. Stattdessen warf sie Louise einen verzweifelten, kämpferischen Blick zu, drehte sich um und lief davon.

Verwirrt blickte Louise ihr nach.

„Was war das denn?“, fragte sie laut.

„Was war was?“ Nick, ihr Mitbewohner, hatte zwar nur wenige Schritte entfernt auf dem Sofa gesessen, aber nichts von der verstörenden Szene mit bekommen, weil er Play Station spielte. Andere Welt.

Louise wunderte sich kurz, dass er ihre Frage überhaupt gehört hatte.

„Die kleine Mowig war gerade hier. Sie war total aufgeregt. Wollte irgendwas sagen, aber sie brachte nichts heraus. Keine Ahnung, was das sollte.“

„Keinen Plan.“, erwiderte Nick, völlig versunken in sein GTA oder was auch immer er da spielte und nicht weiter in der Lage, Interesse vorzutäuschen.

Louise setzte sich neben ihn.

Noch immer fühlte sie sich nicht heimisch hier. Diese Wohnung war alles andere als das, was sie gewohnt war. Und der Halbwüchsige, wie sie den Neunzehnjährigen vor sich in Gedanken nannte, war alles andere als die Art Mann, mit der sie eigentlich ihren Lebensabend verbringen wollte.

Sie lachte kurz, vom Halbwüchsigen unbemerkt.

Das weiche Sofa lud sie dazu ein, sich zurückzulehnen und ihre braungebrannten, schmalen Füße auf dem Tischrand abzustützen. Sie goss sich einen zweiten Milchkaffee nach und ließ ihn lange auf der Zunge liegen, bevor sie schluckte.

Dabei sah sie Nick an. Das tat sie gern, und oft kam dabei ein Gefühl tiefer Zärtlichkeit in ihr auf. Freundschaft. Vertrautheit.

Wie kommt es, dass dieser Junge mir am Ende meines Lebens am nächsten steht?

Sie dachte zurück.

Vor einem Jahr hatten sie sich im Krankenhaus kennen gelernt und gleichzeitig erfahren, dass sie sehr krank waren, Louise sogar todkrank. Vier Jahre hatten sie ihr gegeben, vielleicht. Mit Mitte zwanzig. Einfach so. Ohne Vorwarnung.

Nick hatte einen Herzfehler.

Beide verloren gleichzeitig ihre Arbeit, und beide hatten gleichzeitig ihre Behausungen verloren, Louise ein luxuriöses Apartment. Nicks Eltern waren nach Südafrika ausgewandert, kurz bevor seine Krankheit erkannt worden war.

Bis heute hatte er sie nicht darüber informiert. Stattdessen hatte er, wie verabredet, ihren Haushalt aufgelöst, den Hund verkauft und sich eine WG gesucht. Nur dass er seine Wohnung nun mit einer sieben Jahre älteren Frau teilte und nicht mit einem Kumpel.

Louise und Nick hatten sich im Flur des Hospitals getroffen und einander ohne höfliches Kennenlern-Geplänkel erzählt, was mit ihnen los war, wie es ihnen mit dem nahen Tod so ging, dass sie Angst hatten und eigentlich noch beschissen viel erleben wollten. Unheimlich befreiend war das gewesen, mit jemandem zu reden, auf den sie keine Rücksicht nehmen mussten, weil sie ihn nicht kannten. Mit jemand zu reden, der nicht wusste, wie sie sonst waren, dadurch nicht aus der Rolle fallen zu können, nicht alarmierend anders zu sein als sonst, das war unendlich befreiend für beide gewesen. Und deshalb war alles so schnell gegangen, dass Vertrautheit wuchs und man sich kannte wie sonst keiner. Kennen lernen ohne jeden Schutz, den brauchte man ja nicht mehr, ohne jede Maske, dafür war zu wenig Zeit.

Beide merkten damals: Im Angesicht des Todes sind alle gleich. Also muss es eigentlich auch im Leben so sein.

Ihr Altersunterschied, ihr unterschiedliches Geschlecht, ihre sehr unterschiedlichen Biografien konnten ihrer Vertrautheit nicht im Wege stehen und wo andere eine verzweifelte, unpassende Affäre unterstellten, gab es in Wirklichkeit nur zwei Seelen, die sich an den Händen hielten, die miteinander verweilen wollten, weil sie sich nun mal gefunden und für gut befunden hatten.

Erneutes Klingeln riss Louise aus ihren Gedanken. Sie sprang auf und öffnete die Tür. Wieder stand Stepheny da, aber dieses Mal hielt sie ihre Arme steif geknickt, als ob sie ein Tablett trüge und präsentierte ihrem Gegenüber eine quer darüber liegende Katze.

Schnell atmend blickte das Kind auf sein Tier, das offensichtlich überfahren worden war. Und dann schaute es hoch, bohrte sich in Louises Augen und sagte: „Murdock ist ermordet worden. Er war mein bester Freund. Mama sagt, ihr beide habt nichts zu tun. Findet ihr den Mörder... bitte?“

2. Der Auftrag

Alles, was wir mit Wärme und Enthusiasmus ergreifen, ist eine Art von Liebe.

Karl Wilhelm Freiherr von Humboldt

Louise hatte das kleine Mädchen hereingebeten und ihm vor lauter Verwirrung einen Espresso hingestellt, den es – ebenso verwirrt - herunterstürzte. Nick schaute lächelnd und kopfschüttelnd zu.

„Nun erzähl erst mal. Was genau ist passiert?“

Die Katze Murdock lag auf dem Abtreter, die Tür hatten sie aufgelassen, damit ihn niemand wegnehme, wie Steph befürchtete. Sie dachte kurz nach, blickte sehr konzentriert und sprach dann:

„Am Montag sah ich, wie ein blauer großer Wagen schnell die Straße hochkam, als Murdock sie überquerte. Der Wagen machte extra einen Schlenker, wie um Murd zu überfahren. Aber Murdock ging schneller und schaffte es auf den Bürgersteig. Gestern war es wieder so... Murdock kam jeden Abend gegen siebzehn Uhr heim, weil ich ihm da Futter gab. Und gestern kam wieder das große blaue Auto und versuchte, ihn zu überfahren. Und heute hat er es geschafft. Gerade eben. Ich wollte Murdock abholen, weil ich mir sowas schon gedacht hab, dass er es wieder versuchen würde, aber ich kam zu spät… Ich sah gerade noch das blaue Auto nach da fahren...“, sie streckte ihren Arm aus um die Richtung anzuzeigen, „und Murdock lag schon tot am Straßenrand.“

„Konntest du erkennen, wie der Fahrer aussah?“, fragte Louise.

„Ich weiß nicht mehr. Ich hab immer nur auf Murdock geschaut.“

„Hmm.“, machte Louise und sah Nick an.

Sie war den Umgang mit Kindern nicht gewöhnt. Wusste nicht, was zu tun war. Trösten? Nach Hause schicken?

Nick übernahm. Er setzte sich aufrecht hin und sah Stepheny fest in die Augen.

„Was möchtest du jetzt von uns?“; fragte er ernst.

„Ihr habt Zeit, sagt Mama. Könnt ihr den Mörder finden und bestrafen? Ich meine, sowas darf man doch nicht! Sowas muss bestraft werden...“

„Natürlich muss es das. Ich sehe das so wie du. Das sind wir Murdock schuldig. Aber es wird eine schwierige Aufgabe, und ich weiß nicht, ob wir es schaffen. Leider haben wir nicht viele Informationen. Ich hoffe, es reicht.“

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