Jesus: Oder sie entwickelt sich.
Gott: Vielleicht rolle ich das wirklich wieder ein wie eine Buchrolle. Weil ich noch andere Bücher lesen will. Vielleicht gibt es unendlich viele Bücher.
Jesus: Da sind wir wieder bei Parallel-Universen.
Gott: Klingt doch ziemlich großspurig. Ein Buch ist poetischer.
Jesus: Man fragt sich schon, ob du und die Evolution zusammenpassen.
Gott: Das bestimme aber ich.
Jesus: Betrachten wir, was wir schon wissen.
Gott: Du weißt, ich vermeide das. Ich schaue in die Zukunft.
Jesus: Darum geht es mir auch. Es gab immer wieder Entwicklungssprünge in der Evolution. Es entstand etwas, das vorher nicht da war und nicht gekannt. Als die doppelte Menge DNA im Nachwuchs kleiner Fischlein große Wirkung zeigt. Als das wieder passiert. Erst ist es eine Seltenheit. Da würde jemand es Anomalie nennen können. Doch bald ist es die Zukunft. Ein weiteres Beispiel ist das Kamera-Auge. So wie das menschliche. Alle Wirbeltiere haben es entwickelt. Doch bevor es zum ersten Mal aufkam, war damit durch nichts zu rechnen.
Gott: Du willst mir nicht die gesamte Evolution vorbeten.
Jesus: Du weißt das alles. Das sind noch materielle Vorgänge.
Gott: Was weißt du von dem Erleben der ersten Wirbeltiere?
Jesus: Es war jedenfalls kein erkenntnisorientiertes Bewusstsein, eher ein existenzieller Lebenserhalt.
Gott: Den kennen die Menschen auch.
Jesus: Gut so. Bevor sie abheben, weil sie jemand ihrem infantilen Wunsch nach, von aller Bürde befreit. Es gibt diese biologischen Überlebensfunktionen, die sich in der Evolution herausbilden. Gar nicht immer nur dem Zweck geschuldet und mit oder ohne solchen oft fantastisch schön.
Gott: Schmeichler. Komm zum Punkt.
Jesus: Ein weiterer Entwicklungssprung ist die Entstehung der elterlichen Fürsorge. Die hat der Mensch nicht erfunden. Es ist keine rein biologische Funktion.
Gott: Man fängt einfach an und mit der Übung kommen die Ideen.
Jesus: Es ist ein Zusammengehörigkeitsbewusstsein, das dem Überleben dient, aber Erkentnis im Geist erfordert. Nicht nur die biologische Änderung am Körper. Das ist noch anders als individuelle Partnerwahl, die von Pheromonen gesteuert wird, ohne das die Probanden das verstehen.
Gott: Die Familie erkennt sich auch am Geruch.
Jesus: Das war aber vor der Entwicklung der elterlichen Fürsorge auch so, sonst wäre da ja nichts gewesen, wie bei Reptilien und Fischen.
Gott: Vögel machen etwas dazwischen.
Jesus: Du hast ziemlich viel ausprobiert.
Gott: Also?
Jesus: Seit dem Urknall ...
Gott: Sehr schön, wenn ich entströmen lasse, dann wird es gleich ein Urknall.
Jesus: Insofern es reichlich schnell entströmt, ist es wirklich göttlich.
Gott: Wie gesagt, kann ich mich nicht aufhalten und auf kleinliche Zeitspannen Rücksicht nehmen.
Jesus: Die gesamte Entwicklung hat immer wieder gezeigt, dass Dinge möglich sind, die man früher nicht mal erträumt, geschweige denn für möglich gehalten hätte. Dafür gibt es die Menschheit lange genug, um das zu erkennen.
Gott: Freut mich.
Jesus: Was hält uns davon ab, zu glauben, dass da noch so viel mehr ist, von dem wir noch nicht zu träumen wagen?
Gott: Das, mein lieber Sohn, frage ich dich.
Jesus: Unsere Angst vor unserer eigenen Begrenztheit. Diese ganzen Weltuntergangsszenarien, Kollaps des Universums und alles futsch kommen doch immer von alten Männern. Sie sind müde, wenn sie unzufrieden und neidisch sind, wollen sie vielleicht alles zerstören.
Gott: Was soll's?
Jesus: Aber es ist nur das Ende des einzelnen Lebens. Es muss immer neue Menschen geben, die alt werden, und neue, die jung sind.
Gott: Das heißt: Weitermachen.
Petrus: Ich hab' da 'was gefunden, das dir die Entscheidung die menschliche Prophetie betreffend erleichtern kann.
Gott: Aha.
Petrus: Von Zhuangzi.
Gott: Das ist aber kein hebräischer Name.
Petrus: Er ist Chinese beziehungsweise chinesischer Philosoph.
Gott: Chinesen? Das sind doch die, derentwegen die Juden dumm dastehen, weil sie sie mit der Spracherfindung evolutionär ausgestochen haben. Von wegen Gottes Wort.
Petrus: Schlaues Völkchen. Dieser Zhuangzi hat auch eine sehr poetische Form der Philosophie. Märchen und Geschichten mit chinesischer Metaphorik und Denkweise.
Gott: Gut, aber was hat das mit uns zu tun?
Petrus: Die Bilder zeugen von einer Kosmologie.
Gott: Das ist eine Interpretation.
Petrus: Natürlich muss Metaphorik interpretiert werden.
Gott: Woher weißt du, dass du bei der Auslegung keinem Irrtum unterliegst? Bist du so in der chinesischen Philosophie bewandert?
Petrus: Mit ein bisschen gesundem Verständnis lassen sich die an sich einfachen Bilder klar übertragen.
Gott: Der Bezug zu Kosmologie ist doch schon eine Selektion des Deutungsbereiches. Wer sagt dir, dass nichts ganz anderes gemeint ist?
Petrus: Hör dir das an und sag' mir, ob dir etwas auffällt:
"Wo habt Ihr das alles gelernt ?"
fragte Herr Sonnenblum von Südungefähr.
"Ich lernte es vom Sohn des Gehilfen Tusche.
Der Sohn des Gehilfen Tusche lernte es vom
Enkel von Fertiger Rhapsode.
Der Enkel von Fertiger Rhapsode lernte es von Klare Schau.
Klare Schau lernte es von Angenehmes Flüstern.
Angenehmes Flüstern lernte es von Aufrichtiger Dienst.
Aufrichtiger Dienst lernte es von Schluchzender Sänger.
Schluchzender Sänger lernte es von Dunkles Geheimnis.
Dunkles Geheimnis lernte es von Teilhaber Leere.
Teilhaber Leere lernte es von Scheinbarer Anfang."
Zhuangzi - Innere Kapitel - 6. Der große Ahn und Meister
Gott: Aha.
Petrus: Dir kommt darin nichts bekannt vor?
Gott: Der Gehilfe Tusche scheint offensichtlich ein schönes Bild für Schrift oder stellvertretend ein Schriftgelehrter zu sein. Aber dann finde ich die Bilder zwar schön, zweifle aber an der Eindeutigkeit der Übersetzung. Die ist doch auch schon eine Interpretation.
Petrus: Ja, aber der Übersetzer ist bewandert und übersetzt deshalb so, dass man es richtig versteht. Weil er weiß, was die Chinesen sagen wollen.
Gott: Trotzdem gibt es doch sicher andere Übersetzungen.
Petrus: Nicht alle sind gut.
Gott: Man müsste sie vergleichen.
Petrus: Tatsächlich folgt die Philosophie, die traditionelle, wie die chinesische Gesellschaft, ausgeklügelten Regeln. Da man sie kennt, ist man vor Irrtum gefeit.
Gott: Die Philosophen streiten doch ständig. Sicher auch bei den Chinesen.
Petrus: Da das alles lange her ist, kennt man dadurch die einzelnen Schulen noch besser.
Gott: Aha.
Petrus: Es sind Bilder. Eine mathematisch exakte Auslegung ist nicht ihr Sinn. Sie werden gebraucht, weil sie etwas erscheinen lassen, dass sich in sachlich präzisen Worten nicht fassen lässt. Deshalb die Blüte von Bildern.
Gott: Weil du meinst, es geht um uns.
Petrus: Es geht um den Sinn. Dieses Werk von Zhuangzi handelt vom Sinn. Eine andere Übersetzung dessen, was bei Lao Tsé der Weg heißt. Vielleicht ist es dasselbe Wort.
Gott: Da hast du's. Du kannst eben kein Chinesisch.
Petrus: Du bist doch allwissend.
Gott: Beim Chinesischen aber ziemlich aus der Übung.
Petrus: Seit wann muss Gott üben?
Gott: Du vergisst, dass ich nicht mehr der Jüngste bin.
Petrus: Ich dachte Zeit spielt keine Rolle.
Gott: Wenn alles gleichzeitig passiert oder sowieso ewig ist. Ich kann sofort das alles auf chinesisch rekapitulieren. Dann ist es chinesisch. Das versteht ihr nicht. Also was soll's? Übersetzen, interpretieren werde ich es nicht. Ich interpretiere meine Schöpfung nicht.
Petrus: Wie immer eine große Hilfe.
Gott: Wozu hab' ich euch? Du hast damit angefangen.
Читать дальше