kristian winter
Stalking II
Tränen der Asche
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Inhaltsverzeichnis
Titel kristian winter Stalking II Tränen der Asche Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
01. Kapitel
02. Kapitel
03. Kapitel
04. Kapitel
05. Kapitel
06. Kapitel
07. Kapitel
08. Kapitel
09. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
Epilog
Expose
Impressum neobooks
Was heiß hier verrückt? Das ist doch nur ein Trick, um mich mundtot zu machen! Ich habe genug davon und möchte endlich Klarheit! Darum werde ich die Wahrheit notfalls herausschreien und zwar genau so, wie ich sie erlebt habe und nicht, wie man sie mir suggerieren will.
Natürlich passt das einigen Herrschaften nicht und das aus gutem Grund. Man fürchtet einen Skandal mit unabsehbaren Folgen bis in die Politik. Kein Wunder, dass man alles daran setzte, mich mundtot zu machen, vergaß aber mein Hintergrundwissen. Folglich platzte mir der Kragen und es kam zur Eskalation. Inzwischen ist es so schlimm, dass es gar nicht mehr um die Sache geht, sondern um mein Leben. Nur deshalb bin ich hier.
Hier heißt in diesem Fall die Intensivstation des Friedrich-Wilhelm-Krankenhauses in Berlin-Bohnsdorf. Das ist ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Drogensucht, wo ich schon seit Tagen liege und reglos an die Decke starre. Etwas anderes bleibt mir auch nicht übrig, denn ich bin mit meinem ganzen Körper straff ans Bett gebunden. Selbst mein Kopf ist durch einen Stirnriemen derart fixiert, dass ich ihn nicht bewegen kann.
Das dient meiner Stabilisierung, nebenbei aber auch der Sicherheit, denn seit meiner Einlieferung bin ich akut suizidgefährdet. Jedenfalls wird das behauptet, obwohl das gar nicht stimmt. Nur weil ich diesem Kriminalbeamten in den Finger biss und danach in einem Anfall von Raserei in den Flur stürzte, wo man mir jedoch den Weg versperrte, so dass ich aus einem Fenster springen musste, war das noch lange kein Indiz. Ich wollte nämlich nur flüchten, vergaß allerdings die vierte Etage.
Allein einer mannshohen Hecke verdanke ich mein Leben, denn sie federte meinen Aufschlag etwas ab. Es erschien auch recht schnell ein Notarztwagen, der die Erstversorgung übernahm. Ich weiß bis heute nicht, wer ihn rief. Zwar sind die Blutungen inzwischen gestoppt, auch die anderen Blessuren halten sich in Grenzen – allerdings besteht jetzt der Verdacht einer Rückenmarksfraktur und niemand kann sagen, wann und ob ich jemals wieder genesen werde. Darüber mag ich aber noch gar nicht nachdenken, sonst werde ich noch verrückt.
Wie ich mitbekommen habe, ist das hier ein Einzelzimmer, völlig steril und mit kahlen Wänden. Die Fenster sind leicht abgedunkelt und ständig ist ein sonores Brummen zu vernehmen - offenbar ein Sterilisator oder etwas in der Art. Alle zwei Stunden kommt eine Schwester, kontrolliert die Instrumente und wendet mich per Knopfdruck. Das ist interessant, denn es geschieht vollautomatisch um 180 Grad. Dann dreht sich meine Matratze einmal um sich herum und ich hänge sozusagen in den Bandagen, so wie jetzt, wo ich den Boden mit seinem kalten, grünen Linoleum sehen kann.
Während dieser Zeit sagt die Schwester natürlich kein Wort. Offenbar hat man sie instruiert, denn ich bin ja verrückt und mit Verrückten redet man nicht. Außerdem soll ich mich nicht aufregen. Als ob das noch etwas ändern könnte. Nun liege ich schon seit Tagen in diesem Bett, nichts wissend, vor allem aber nichts verstehend, und fühle mich wie ein Staffelläufer, der kurz vor dem Ziel den Stab verloren hat. Aber genauso wollte man mich haben, wehrlos und mundtot. Allerdings hat man meinen Geist vergessen und der ist noch hellwach. Und wenn ich mir noch eines vorgenommen habe, dann den Tag der Abrechnung.
Doch erstmal der Reihe nach, sonst weiß ja niemand, wovon ich rede.
*****
Für alle, die meine Vorgeschichte nicht kennen - mein Name ist Birgit Möller, vollendete achtundvierzig Jahre, ledig, vollschlanke einsfünfundsiebzig, konfessionslos und bisexuell, falls das interessiert. Von Beruf bin ich Sozialdisponentin für Migration im Bezirksamt Berlin-Neukölln, einer unmittelbar dem BAMF nachgeordneten Institution mit Außendienstaufgaben für Härtefälle.
Das hört sich zwar hochtrabend an, ist es aber nicht. In Wirklichkeit rangiert es irgendwo zwischen heilpädagogischem Streetworker und staatlichem Seelsorger, Leuten also, die weder das Eine noch das Andere beherrschen und dennoch stets so tun müssen. Aber seit dem letzten Jahr ist das für mich nicht mehr entscheidend. Seitdem bin ich primär eine amtlich bestätigte Mörderin, weil ich meinen Ex-Geliebten und Peiniger, den Wirtschaftsmigranten und muslimischen Stalker Neznadiq Shariquiri aus Belutschistan, kaltblütig niederschoss. So steht es jedenfalls in der Anklage.
Aber apropos kaltblütig. Nur weil es so in der Anklage steht, muss es doch nicht stimmen, zumal mir meine Psychologin, Frau Dr. Hövelbein, eine klassische Affekthandlung diagnostizierte, welche in kausaler Folge des vorangegangenen Stalkings entstand. Dazu führte sie auch schlüssige Beweise an und erstellte sogar ein Psychogramm mit einem apodiktischen Entwicklungsspektrum. Aber erstaunlicherweise interessierte das niemanden. Viel höher wurden meine Tatintensität und die damit bescheinigte Kaltblütigkeit bemessen.
Selbst als ich den ganzen Tatablauf noch einmal minutiös schilderte und dabei, von psychischem Stress befallen, überaus emotional wurde, brachte mir das nur ein mildes Lächeln ein.
Das warf mich natürlich um. Denn das Gefühl, vor einem solchen Gremium nicht ernstgenommen zu werden, kam einer inneren Demontage gleich. Kein Wunder, dass ich fortan aus Protest schwieg und meine Kommentare auf gelegentliches Lachen oder Prusten beschränkte.
Doch auch das störte niemanden. Vielmehr überbot man sich mit allerlei Unterstellungen und Unverschämtheiten, nur um mich zu kompromittieren. So erkundigte man sich zum Bespiel während der mehrere Wochen dauernden Verhandlung nicht ein einziges Mal nach meinem Befinden, obwohl ich kurz vor einem Kollaps stand.
Dafür wollte man wissen, was ich fühlte, als das Opfer blutüberströmt vor mir lag. Man gierte förmlich zu erfahren, ob der tödliche Schuss Erleichterung, Neugier oder gar sexuelle Erregung in mir auslöste und erwartete sogar noch eine Antwort.
Das konnte nur von Leuten kommen, die nichts verstanden oder - noch schlimmer - dafür bezahlt wurden, nichts zu verstehen, wie dieser schmierige Ahmet Selimgüler, seines Zeichens Anwalt für Straf- und Familienrecht des in meinem Fall zu Tode gekommenen Belutschen Neznadiq Shariquiri, übrigens einer seiner Landsleute.
Dieser honorige Herr und Cambridge-Absolvent, der die Nase so überaus hoch trug und sich meisterhaft zu inszenieren verstand, war Vater vieler solcher Gedanken. Diese verstand er in passenden Momenten effektvoll einzustreuen und damit niederste Instinkte zu bedienen.
Doch wer fragte nach der Kehrseite? Vermochte man nur im Ansatz die Situation eines Menschen zu beurteilen, der schlagartig ruiniert und ganz auf sich allein gestellt einen ungleichen Kampf gegen einen Verrückten führen musste?
Stattdessen folgten halbseidene Anspielungen oder beleidigende Unterstellungen wie: „Es stimmt doch, dass Herr Shariquiri wesentlich jünger war - wie ich der Akte entnehme, fast zwanzig Jahre. Dennoch unterhielten sie regelmäßig sexuelle Kontakte zu ihm und das sogar recht leidenschaftlich, wie den Beschwerden der Nachbarschaft zu entnehmen ist.
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