Er verordnete Medikamente, die ihn beruhigten und entspannten. Täglich wurden Tests und Untersuchungen durchgeführt, die Dr. Schreiber mit der Zeit ein Bild von Florian´s physischer und psychischer Verfassung verschafften.
Es vergingen sechs Monate, ehe er im Stande war, seine erste Therapiesitzung anzutreten.
Anfangs hatte Dr. Schreiber diese bereits nach wenigen Minuten wieder abbrechen müssen, da Florian den Schmerz der zurückkehrenden Erinnerungen nicht ertragen konnte.
Wie siedend heiße Wassertropfen fielen sie in sein gefrorenes Gehirn und drohten, es mit ihrer Hitze zu zersprengen.
Doch Dr. Schreiber hatte die Anzeichen schnell erkannt und fortan die Reise in Florian´s Gedankenwelt rechtzeitig beendet.
Es gab Tage, an denen sie das Ziel des Vortages nicht erreichten, und früher aussteigen mussten, Türen die bereits geöffnet worden waren, wurden wieder verschlossen, dann wieder öffnete sich tags darauf eine Neue.
Sukzessive kam Florian´s Erinnerung zurück und er empfand Trauer und Schmerz für alles was passiert war.
Er erinnerte sich an die glückliche Zeit mit Jenny, an seinen besten Freund Micki, sowie dessen Freundin Melanie. Er erinnerte sich auch an seine Eltern, an das Haus auf Mallorca und die vielen schönen Stunden, die sie dort gemeinsam verbracht hatten.
Aber er erinnerte sich auch an den Tod seiner Mutter und an den Selbstmord seines Vaters, und daran, dass er ihn nicht hatte davon abhalten können. Er erinnerte sich daran, wie es war, mit Jenny zu schlafen und es trieb ihm Tränen in die Augen. Er hatte alles vernichtet. Alles, das er geliebt hatte war zerstört, und er allein trug die Schuld daran.
Kapitel 30 Vertragsunterzeichnung - Seadream
Jenny hatte, nachdem sie den ersten Schock über die Million Schweizer Franken verdaut hatte, das Vertragliche mit Klaus unter Deck durchgesprochen und unterzeichnet. Er hatte sie, mit bereits vorgefertigten Verträgen überrascht, konnte sie jedoch beruhigen, und hatte ihr erklärt, dass er ein Mensch sei, der schon ein Leben lang versuchte, für jeden und alles, immer und überall gewappnet zu sein. Das war zum Teil das Geheimnis seines Erfolges. So hatte er sich angewöhnt, mit dem Unmöglichen zu rechnen, um damit darauf vorbereitet zu sein, wenn es eintraf.
Diesmal hatte es sich ausbezahlt. Sie fand seine Erklärungen glaubwürdig und empfand tatsächlich Bewunderung für diesen jungen Mann, der bereits so abgeklärt und geschäftstüchtig wirkte und gleichzeitig ein gutes Herz zu haben schien.
Nachdem sie alle Papiere unterzeichnet hatte, auch das, in welchem sie ihn von jeglicher Haftung ausschloss und die Verantwortung für alle Risiken selbst übernahm, füllte er zwei Gläser mit Champagner und stieß mit ihr an.
„Auf eine gute Zusammenarbeit“.
Er umarmte sie freundschaftlich. Leicht verwirrt, stieg sie den Niedergang hinauf. Als sie den Kopf oben hinausstreckte, brach Jubel und Gekreische aus.
Sabine filmte das Ganze. Sie freute sich so für Jenny. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, begab sich Jenny zum Bug des Schiffes um sich etwas auszuruhen. Sabine leistete ihr Gesellschaft. Und so lagen sie wieder nebeneinander auf den Handtüchern und blickten nach oben in die aufgeblähten Segel. Die Seadream machte gute Fahrt.
„Und, wie fühlst du dich nun, als zukünftige Millionärin“?
Sabine hatte die Frage vorsichtig gestellt, denn sie meinte bemerkt zu haben, dass Jenny etwas nachdenklicher war als noch zuvor.
„Willst du eine ehrliche Antwort? - Ich weiß es nicht“.
Sie sprachen gerade laut genug um sich zu verstehen.
„Mensch Jenny, das ist doch ein Traum. Stell dir einmal vor, wie viele Menschen von solch einer Chance träumen. Und du bekommst sie, ohne dich je mit diesem Traum beschäftigt zu haben“.
„Ja, ich weiß, aber für mich gibt es einfach wichtigere Dinge als Geld, verstehst du“?
Sabine dachte darüber nach und nickte.
„Du denkst dabei an deine Vergangenheit, nicht wahr“?
Jenny blieb stumm und Sabine bohrte nicht weiter.
Kapitel 31 Tom´s Idee - Tessin
Als Tom von seinem Treffen mit Pepe zurückgekommen war, hatten die beiden Frauen, auf der Terrasse gesessen und sich so vertieft unterhalten, dass sie sein Kommen gar nicht bemerkten.
Erst, als er die Terrasse betrat, nahmen sie ihn wahr.
„Oh Tom, du bist schon zurück? Wie ist es gelaufen“?
„Ganz gut, denke ich. Jedenfalls sieht es danach aus, als hätte Pepe zum ersten Mal den Kürzeren gezogen“.
Tom erzählte in kurzen Worten, was Pepe ihm über den neuen Job, sofern er ihn dann bekommen würde, mitgeteilt hatte, und dass er auf all seine Forderungen, in vertraglicher Hinsicht, eingegangen war.
Nachdem er seine Erzählung beendet hatte, verabschiedete sich Sophia und ging ihren privaten Dingen nach.
Tom hatte unterdessen die Idee geboren, Gianna zum Casting nach Zürich mitzunehmen. Sie war sofort Feuer und Flamme, als ihr bewusst wurde, dass sie ja gar keine Wechselkleidung dabei hatte, aber auch hierfür hatte er bereits die Lösung parat.
Sie fuhren nach Ascona, wo Gianna ein paar Jeans, T-Shirts, bequeme Schuhe und einen Bikini erstand.
Anschließend fuhren sie in eines der Täler, wo es ruhiger, und die Luft kühler war. Sie genossen die Ruhe dieses freien Tages und machten Halt in einem Grotto, in Verdasio.
Gianna sah Tom in die Augen und sagte:
„Danke“.
„Wofür“, antwortete er lachend.
„Für alles. Ich bin so glücklich. Ich könnte schreien vor Glück. Mach bitte, dass das immer so bleibt, ja“?
Er fühlte ähnlich, und dachte in diesem Moment darüber nach, ob er das überhaupt verdient hatte.
„Tom, hörst du mir zu“?
„Ja, natürlich hör ich dir zu. Mir geht es doch genau gleich. Am liebsten würde ich in diesem Moment die Zeit anhalten, und bis an mein Lebensende, hier auf dieser harten Steinbank sitzen bleiben“. Er grinste hämisch.
„Du Hornochse“.
Nach dem Essen fuhren sie zurück nach Ronco, wo sie in den Pool sprangen und der neue Bikini eingeweiht wurde, den Tom ihr innerhalb von zwei Minuten wieder ausgezogen hatte. Sie liebten sich auf einer Decke neben dem Pool und schliefen danach eng umschlungen ein. Als sie erwachten, war die Sonne gerade dabei, hinter den Bergwipfeln unterzugehen. Sie sah ihm in die Augen und da wusste Tom, dass Gianna die Richtige für ihn war. Er drückte sie fest an sich und küsste sie zärtlich.
Beide waren zu müde um zu kochen, also beschlossen sie ins Albergo Ronco zu gehen, um dort den Abend ausklingen zu lassen.
Kapitel 32 Traurige Vergangenheit - Mittelmeer
Nach einer Weile nahm Jenny das Gespräch wieder auf.
Sabine lauschte gebannt:
„Es begann vor etwa fünf Jahren, mit dem Tod von Florian´s Mutter. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Jahre zusammen und hatten darüber nachgedacht zu heiraten und eine Familie zu gründen. Florian war in der Kanzlei zum Juniorchef aufgestiegen und verdiente sehr gut. Mein Geschäft lief ebenfalls prima. Wir hatten alles, was man sich als junges Paar wünscht. Unserem Glück schien nichts im Wege zu stehen, als plötzlich seine Mutter an Knochenkrebs erkrankte. Sie war gerade mal siebenundfünfzig Jahre alt. Als die Nachricht ihn erreichte, war ich bei einem Shooting in Cannes und konnte nicht sofort nach Hause kommen. Florian buchte den nächsten Flug nach Mallorca und kümmerte sich um seine Eltern. Drei Tage später reiste ich ihm nach und fand ein Haus vor, dessen Mülleimer überquollen. Die Ameisen liefen, in dicken schwarzen Straßen durch die Küche und trugen die Essensreste davon. Der Kühlschrank war leer und überall lagen Klamotten verstreut.
Karin, Florian´s Mutter, lag in der Universitätsklinik Son Dureta in Palma. Florian und Karl verbrachten täglich mehrere Stunden bei ihr und versuchten die Diagnosen der Spezialisten zu deuten. Doch keine der angewandten Methoden schien anzuschlagen und Karin baute täglich mehr ab. Dann mussten wir zurück nach Deutschland. Wir waren bereits drei Wochen fort gewesen. Mein Geschäft hatte ich einfach, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, abgeschlossen und Florian wurde in seiner Firma gebraucht. Also füllten wir Karls Kühlschrank bis zum Anschlag, packten unsere Sachen und flogen zurück. Fortan telefonierte Florian täglich mit den beiden. Am dreiundfünfzigsten Tag nach ihrer Einlieferung erlag sie dem Krebs. Ihre Beerdigung fand in Memmingen, ihrem Geburtsort in der Nähe von Augsburg statt. Karl verbrachte eine Woche bei uns und flog dann alleine zurück nach Mallorca. Er meinte, er würde schon zurechtkommen. Er war ja erst dreiundsechzig und zu diesem Zeitpunkt noch gesund. Jedenfalls so gesund, wie man in diesem Alter eben sein konnte. Weder Florian noch ich hätten je daran gedacht, dass Karl seinem Leben ein Ende setzen würde. Er tat dies, zwei Tage nachdem er zurückgeflogen war. Wir waren an jenem Abend mit unseren Freunden Micki und Melanie zum Abendessen verabredet, um auf andere Gedanken zu kommen. Dass Florian versehentlich sein Handy zu Hause liegen gelassen hatte und somit Karls Versuche ihn zu erreichen gescheitert waren, bemerkten wir erst später. Karl sprang in jener Nacht von der Klippe und schlug unten auf dem überstehenden Fels auf. Er war sofort tot“.
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