Tom kannte diese bereits von früheren Jobs. Pepe hatte bei jeder Besprechung dieser Art die Vereinbarungen bereits vorformuliert dabei.
Bisher waren es jedoch immer Pepe´s Zahlen gewesen, die eingesetzt waren. Nicht so, dieses Mal.
Tom forderte achtzig Prozent für sich und gewährte Pepe zwanzig, als Vermittlerhonorar.
Das waren im Erfolgsfall immerhin zweihunderttausend Schweizer Franken.
Tom nahm die Formulare entgegen und ließ seinen Blick darüber schweifen. Als er alles gelesen hatte, entspannten sich seine Gesichtszüge und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Pepe, Pepe, es geschehen noch Zeichen und Wunder“.
Dieser ballte seine rechte Hand zur Faust und drohte Tom, halb scherzhaft und dennoch mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Tom war sich sicher, dass Pepe dieser Schritt nicht leicht gefallen war. Er hatte tatsächlich alles so eingetragen, wie Tom ihm am Telefon vorgegeben hatte, also nahm er den Füller und setzte seine Unterschrift darunter.
Zufrieden rührte er in seinem Espresso und trank ihn in einem Schluck.
„Wann muss ich dort sein“?
„Um neun geht’s los. Ich weiß nicht, wie viele Kandidaten eingeladen sind, jedoch solltest du dich darauf einstellen, dass es ein langer Tag wird“.
Tom, der nicht zum ersten Mal zu einem solchen Casting ging, wusste im Grunde wie es ablief.
„Ok, das dürfte kein Problem sein.“
Mit diesen Worten packte er die Unterlagen zusammen, erhob sich, schüttelte Pepe´s Hand und drehte sich zum Gehen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du auf den Deal eingehen würdest“. Er winkte Lucinda, die wieder am Eingang stand, zeigte auf Pepe, während er Daumen und Zeigefinger zusammen rieb, und ging entspannt über die Terrasse, durch den Torbogen hinaus auf die Straße, die ihn nach Hause zu Gianna, seiner Gianna, führte.
Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, ein leichter Wind wehte von Süden das Tal herauf. Er war zufrieden mit sich und der Welt. Alles schien in die richtige Richtung zu laufen.
Noch ahnte er nicht, was die nahe Zukunft für ihn bereithielt.
Kapitel 26 Das nächste Ziel - Mittelmeer
„Nun, habt ihr endlich alle ausgeschlafen“?
Klaus stand in der Luke zum Niedergang, mit einem Fuß auf der obersten Stufe und dem anderen in der Plicht, während er das Team, das um den mit Obst, Salzgebäck , Kaffee und Säften eingedeckten Tisch versammelt saß, ansprach.
„Geht es euch gut? Genießt ihr den Trip? Fehlt es euch an etwas“?
Er war gut gelaunt, das konnte man erkennen.
Die Frage hätte er sich jedoch sparen können, da die Auswahl keine Wünsche offen ließ.
Am Horizont konnte man seit geraumer Zeit die Umrisse Mallorcas erkennen.
„Wie lange haben wir noch bis Portocolom“?
Skip, der entspannt hinter dem Steuer stand, blickte auf seine Uhr und gleichzeitig auf die Instrumente vor sich.
„Ich denke, dass wir unser Ziel in etwa vier Stunden erreichen müssten“.
„Also, hört mal alle zu“, knüpfte Klaus an seine Worte an.
„Ich habe euch ja bereits erzählt, dass ich noch einige Überraschungen für euch vorbereitet habe. Gerne würde ich die Gelegenheit dazu nutzen, euch nun den ersten Teil davon preiszugeben. Natürlich nur, wenn ihr auch Interesse daran habt“.
Jenny konnte erkennen, dass er platzen würde, würde er sein Wissen noch länger für sich behalten müssen. Die anderen gaben sich, ohne Absprache, allesamt gelangweilt, was dazu führte, dass sie gleichzeitig zu lachen begannen.
Klaus hatte Humor, denn er stimmte in das Lachen ein, bevor er fortfuhr.
„Ok, wir werden morgen nach dem Frühstück zu einem größeren Schlag aufbrechen. Unser nächstes Ziel heißt Korsika. Dort werden wir, zwei bis drei Tage später, im Hafen von Bonifacio auf weitere Gäste, beziehungsweise auf weitere Teilnehmer unseres Trips stoßen“.
Sofort brachen alle in Jubel aus.
„Korsika, wow“.
„Ist ja fantastisch“.
„Oh Mann, das liegt nördlich von Sardinien, wo in ein paar Tagen der Rolex-Cup stattfindet“.
Sylvia hatte das gesagt und alle sahen sie mit ungläubigen Augen an.
„Woher weißt du denn vom Rolex-Cup“, fragte Kim erstaunt.
„Hab ´nen Artikel darüber gelesen, in so ´ner Uhrenzeitschrift, unter Deck“.
Jetzt lachten wieder alle.
„Ich hätte jedoch nicht gedacht, dass wir zu Klaus´ Konkurrenz fahren“, ergänzte sie.
Das Lachen der anderen verstummte so plötzlich wie es begonnen hatte. Peter warf Sylvia einen ermahnenden Blick zu.
„Was“, fragte Sylvia mit gekränktem Tonfall.
Peter begann zu schlichten:
„Schatz, das ist keine Konkurrenz für Klaus“.
Alle spürten, dass er im Begriff war, die Situation noch zu verschlimmern und glücklicherweise unterbrach ihn Klaus sofort.
„Hört auf damit“! Er lachte. „Um Himmel´s Willen, es wäre schlimm, wenn ihr, nur weil ich ein Uhrenfabrikant bin, in meiner Gegenwart die Namen anderer Uhrenhersteller nicht mehr in den Mund nehmen dürftet. Ganz im Gegenteil. Wir haben einen riesen Schachzug geplant. Aber dazu kommen wir noch. Das werde ich euch später erzählen“.
Und wieder brach Stimmengewirr los.
„Nein! Erzähl es uns jetzt“.
„Wer A sagt, muss auch B sagen“.
Sylvias kleiner Lapsus war bereits vergessen und alle wollten nun wissen, was er mit ihnen vor hatte, und wen sie im Hafen von Bonifacio auf Korsika treffen würden. Jenny und Sabine tauschten Blicke, denn nun kannten sie den Zielort.
Kapitel 27 Dr. Schreiber – Rottach Egern
Fast zeitgleich saß Florian in einem Raum mit abgedunkeltem Fenster, auf einem schwarzen Ledersofa und blickte in die milchigen, blauen Augen eines Mannes in den Sechzigern. Ein Schreibtisch trennte die beiden von einander. Der Mann trug einen weißen, langen Arbeitskittel, der nur mit einem Knopf, in Höhe seines Bauches zugeknöpft war und darunter ein weißes Hemd erkennen ließ. In der äußeren Brusttasche des Kittels steckten fünf Kugelschreiber.
Er hatte lichtes, weißes, fast silbernes Haar, das wirr in alle Richtungen zeigte. Auf seinem Nasenrücken trug er eine randlose Lesebrille, durch welche er auf ein paar Blätter starrte, die lose vor ihm auf dem Tisch lagen. Ein Messingschild mit dem Namen „ Dr. Schreiber“ stand daneben.
Florian trug Jeans und ein weißes T-Shirt. Er sah blass und abgemagert aus, mit müden Augen und herabhängenden Schultern. Seine Hände lagen kraftlos, zusammengefaltet in seinem Schoß.
Seit gefühlten zehn Minuten hatte er so dagesessen und Dr. Schreiber angestarrt, während dieser die Akten studierte und immer wieder kurz aufblickte, um ein kurzes „mhm“ von sich zu geben und seine Brille zurechtzurücken.
Nun schien er das letzte Blatt gelesen zu haben und lehnte sich langsam zurück. Er legte die Papiere vor sich ab, nahm die Brille von der Nase und begann an einem der Bügel herumzunagen.
Mit ruhiger, tiefer Stimme nahm er das Gespräch auf:
„Nun, mein lieber Herr Schneider, wie fühlen sie sich heute“?
Florian zuckte zusammen.
„Entschuldigung, was sagten sie“?
„Ich erkundigte mich nach ihrem heutigen Befinden“, wiederholte Dr. Schreiber verständnisvoll.
„Ah - ja. Es geht mir besser“.
„Nur besser, Herr Schneider“?
Florian schien sich nun mehr zu konzentrieren, richtete sich auf und korrigierte seine Worte:
„Nein, es geht mir heute viel besser. Danke der Nachfrage. Wie geht es ihnen“?
Dr. Schreiber setzte die Brille zurück auf seine Nase und ließ seinen Blick abermals über die vor ihm liegenden Blätter gleiten.
„Mir geht es auch sehr gut“.
Erneut verging eine ganze Weile, ohne dass einer der beiden etwas sagte.
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