„Erinnert ihr euch daran, wie Gabi von unserem ersten Besuch in Jenny´s Geschäft erzählt hat, von ihrer Angst, als sie Jenny das erste Mal gesehen hatte“?
Wieder wanderten fragende Blicke hin und her.
„Nun mach´s doch nicht so spannend, Liebling“, sagte Gabi.
Sabine erinnerte sich genau an den Moment, als Gabi zugab, Angst gehabt zu haben, ihren Klaus zu verlieren, als dieser Jenny zum ersten Mal gesehen hatte. Sylvia war die Nächste gewesen, die dieselbe Angst bei Peter bestätigt hatte und zu guter Letzt hatte Skip noch einen draufgelegt.
Ohne es zu bemerken, hatten sie alle eine These aufgestellt und damit bestätigt, dass Jenny verdammt attraktiv war und so ziemlich jedem Mann gehörig den Kopf verdrehen konnte.
Jenny spürte, wie die Hitze in ihr Gesicht stieg.
Klaus erzählte, wie er danach, gemeinsam mit Gabi beschlossen hatte, Jenny den Job anzubieten.
Seit jenem Moment konnte er es kaum noch abwarten sie zu fragen. Vor allem musste er sie fragen, bevor das Casting stattfand. Der Plan sah vor, dass die Verträge mit den „Auserwählten“ noch am selben Tag unterzeichnet wurden, da der Dreh bereits ein paar Tage später beginnen würde.
Somit musste er die Antwort von Jenny bekommen, bevor diese Verträge von einer anderen Bewerberin unterzeichnet wurden. Klaus war spontan, aber auch zielstrebig. Seine Ideen wurden, oft in kurzer Zeit geboren, aber dann, vor ihrer Umsetzung, perfekt durchgeplant. In diesem Fall blieb ihm nicht allzu viel Zeit. Aber dieses Risiko würde er eingehen. Also stellte er die unausweichliche Frage:
„Jenny, hättest du Interesse daran, die weibliche Hauptrolle in unserem Werbespot zu übernehmen“?
Jenny´s Gedanken überschlugen sich. Sylvia klatschte und kreischte voller Freude. Sabine sah Jenny an und war stolz, ein Teil dieses Momentes sein zu dürfen. Peter nickte Gabi anerkennend zu und Skip strahlte über beide Ohren. Kim wollte bereits den Champagner holen, als ihr einfiel, dass Jenny ja noch gar nicht geantwortet hatte.
Nun blickte ihr Klaus direkt in die Augen und wartete auf ihre Antwort. Er war es anscheinend gewohnt, dass man seine Fragen stets sofort beantwortete.
Sie räusperte sich:
„Also, ähem. Erstmal, danke für das große Kompliment. Ich weiß gar nicht so recht, was ich sagen soll. Ich habe doch überhaupt keine Ahnung von der Arbeit auf der anderen Seite der Kamera. Ich weiß nicht, ob ich die Richtige bin, für so etwas“.
Sie winkte ab und blickte leicht beschämt auf den Teakholzboden unter ihren Füßen.
Klaus schien diese, oder eine ähnliche Antwort erwartet zu haben, denn er reagierte sofort und machte ihre Argumente binnen Sekunden zunichte.
„Du hast das Aussehen, du hast die körperliche Fitness und du hast die Ausstrahlung. Du kennst deine Seite der Kamera, wie fast kein anderer und du gibst den Akteuren die Anweisungen. Folglich weißt du genau worauf es ankommt. Außerdem hab ich bereits bemerkt wie dein Gehirn funktioniert und wie schnell du in der Lage bist, Situationen richtig einzuschätzen. Aus meiner Sicht hast du mehr Vorteile und Ahnung als du selbst weißt, oder du bist einfach nur bescheiden. Jedenfalls habe ich eine Sache noch nicht erwähnt. Für die beiden Hauptrollen wurde eine Gage definiert. Diese will ich dir nicht vorenthalten“.
Bevor er weiterreden konnte, unterbrach ihn Jenny:
„Warte Klaus, ich möchte keine Zahlen hören. Wenn ich mir ernsthaft Gedanken über dein Angebot machen soll, dann will ich das tun, ohne dafür noch zusätzlich Geld zu bekommen. Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Diese soll auch weiterhin gelten. Sollte es am Ende bedeuten, dass Sabine den großen Teil meiner Arbeit, in Sachen Honeymoonfotografie übernehmen muss, würde ich gerne über eine Honorierung ihrer Leistung mit dir reden. Sabine sah sie mit ungläubigen Augen an.
Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
Aber das war doch komplett nebensächlich. Wie konnte sie in solch einem Moment um ihr Wohlergehen besorgt sein?
„Jenny“, schrie sie fast und bemerkte, dass sie sich in eine Verhandlung einmischte, die sie eigentlich gar nichts anging.
Jenny hob besänftigend ihre Hand und sah abwartend zu Klaus.
„Heißt das, du machst es“, fragte er.
„Um ehrlich zu sein, reizt mich der Gedanke schon. Und wenn ihr alle der Meinung seid, dass ich das Zeug dazu habe, dann würde ich dein Angebot gerne annehmen“.
Klaus´ Augen strahlten. Jetzt sprang Kim auf und schob sich an ihm vorbei, während sie in die Runde rief:
„Ich hol den Champagner“!
Klaus hob nochmals seine Hand um die aufkeimende Euphorie in Schach zu halten, denn er war noch nicht fertig.
„Jenny, es freut uns sehr, dass du dich dafür entschieden hast, den Job anzunehmen. Auch wenn wir hier an Bord wie eine große Familie, ja, wie Freunde sind, so ist es dennoch notwendig, dass wir einen Vertrag abschließen. Ich würde gerne unter Deck die Details mit dir durchsprechen, da es noch einige Punkte gibt, die du wissen musst, auch in Bezug auf Versicherung und so weiter. Und außerdem gibt es da noch ein Problem“.
Jetzt war es wieder still. Alle schauten gespannt auf Klaus und versuchten in seinem Pokerface zu erraten, was als nächstes kam.
„Ich muss dir leider sagen, dass das mit deinen Gehaltsvorstellungen so nicht funktionieren wird. Unsere Marketingabteilung hat in diffizilen, strategischen Überlegungen und Berechnungen, gemeinsam mit unserer kaufmännischen Abteilung, einen Fahrplan für die gesamte Kampagne erarbeitet. Darin enthalten, sind alle Kosten und Auslagen für diese Aktion. Diese Zahlen wurden bereits, zur Veröffentlichung, an diverse Mediengruppen weitergereicht. Wir können davon nicht so ohne weiteres abweichen. Denn, wenn wir das täten, stünden wir in Kürze als „unglaubwürdig“ da. Das können wir uns in einer so wichtigen Sache nicht leisten. Ergo, wirst du das für deinen Job vorgesehene Honorar auch bekommen. Was du dann damit anstellst bleibt dir überlassen, aber annehmen wirst du es müssen“.
Jenny verstand.
Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht verkündete er:
„Die Gage für die weibliche Hauptrolle beträgt eine Million Schweizer Franken“.
Jenny stockte der Atem.
Kapitel 29 Schöne Au – Rottach Egern
Bildfetzen der Vergangenheit huschten durch sein Gehirn.
Er sah sich selbst, wie er vor zwei Jahren die Klinik betreten hatte,
wie er in seinem Krankenbett lag, umgeben von elektronischen Geräten und sterilen Wänden.
Er blinzelte mehrmals.
…weitere Bilder in rascher Folge:
Eine Schwester die neben seinem Bett stand und ihm eine Kunststoffschale mit Medikamenten hinhielt, Dr. Schreiber der Fragen stellte, ein Helfer, der ihn in einem Rollstuhl durch den Park, mit dem kleinen See in der Mitte, schob.
Ein stechender Schmerz im Gehirn – dann Dunkelheit.
Erschrocken riss er seine Augen auf.
Tief Durchatmen – das half .
Zum Glück nur eine Erinnerung .
Gedrängt von Micki und auf Anraten seines Hausarztes hatte er damals die Klinik freiwillig aufgesucht. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass Vittorio von einer Anzeige abgesehen und die Polizei keine weiteren Untersuchungen angestellt hatte.
Seine Erinnerungen waren nur bruchstückhaft vorhanden, da die Aussetzer seines Gehirns, zu jener Zeit, mehrmals täglich aufgetreten waren.
Zeiten, in denen er sich an nichts erinnerte, ein totaler Blackout der Gedanken, Momente, in denen er nicht Herr seiner selbst war und Dinge tat, an die er sich danach nicht erinnerte.
Zurück blieben Schmerz und Leere, die zu füllen er nicht im Stande war.
Bisweilen fehlte ihm jegliches Gefühl für Zeit und Raum.
Dr. Schreiber, Chefarzt für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, in der Klinik „ Schöne Au“ in Rottach Egern, hatte sich ihm persönlich angenommen und festgestellt, dass sein Gehirn jegliche äußeren Reize als Bedrohung verarbeitete, was zu panischen Reaktionen und dem temporären Abschalten seiner Großhirnrinde führte. Die Folge war Apathie.
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