„Gerne, ich laufe sicher nicht weg“, antwortete diese scheinbar gelassen, während in ihrem Inneren wieder das bekannte Kribbeln aufstieg.
Die wenigen Minuten allein nutzte sie, um ihren Blick erneut durch den Raum schweifen zu lassen. Ein typischer Hotelraum, der meist für solche Zwecke zur Verfügung gestellt wurde. Düstere, holzgetäfelte Wände, ein tiefroter Teppich und ein paar Pseudo-Antiquitäten, ein paar Stühle, gegenüber ein kleineres Sofa, einige Anstandsbilder an der Wand und der obligatorische Obstkorb.
Beim Anblick des Obstkorbes begann ihr Magen zu knurren, denn sie hatte heute noch nichts heruntergebracht. Vorsichtig schaute sie sich um, es schien doch noch ein wenig zu dauern, bis sie nun dran war. Daher griff sie beherzt in den Korb und stopfte sich schnell einige Trauben in den Mund.
Im gleichen Moment flog jedoch schon mit einem lauten Knall die Tür auf und ein ganzer Tross von Personen betrat den Raum.
Schnell hatte sie ihn inmitten all der Menschen, die um ihn herumwimmelten, ausgemacht.
„Wie unwirklich“, schoss es ihr durch den Kopf, als er auch schon auf sie zukam. Hatte sie das leise Zögern in seinen Schritten richtig gedeutet? Eilig versuchte sie, die Trauben herunter zu schlucken, da blieb er auch schon nah vor ihr stehen, sehr nah, für ihre Begriffe.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm direkt in die grünen Augen zu sehen.
Verlegen blinzelte sie, während ihre Nase seinen Geruch wahrnahm.
Immer noch – er roch immer noch so verdammt gut. Sie hatte diesen Geruch nie vergessen.
Seine Pupillen schienen sich für einen Sekundenbruchteil zu weiten, dann zwinkerte er ihr zu.
„Hi, hast du nicht gefrühstückt?“, fragte er mit tiefer Stimme, die ihr erneut einen Schauer durch den Körper jagte.
Verdammt, wenn sie schon der erste Satz gleich aus dem Konzept brachte, was sollte dann erst aus dem Rest werden?
Immer noch stand er dicht vor ihr, sein Atem streifte ihr Gesicht wie ein Lufthauch, also nickte sie nur stumm und überlegte fieberhaft, wie sie etwas mehr Abstand zwischen sich und ihn bringen konnte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Doch noch bevor ihr etwas Gescheites eingefallen war, spürte sie plötzlich seinen Daumen, der sanft über ihre Oberlippe strich.
Ihr Herz trommelte gegen ihren Brustkorb und sie hoffte inständig, dass sie nun nicht auch noch rot anlief. Was sollte das?
„Du hast da einen Milchbart und wir wollen doch nicht, dass eine so hübsche Frau wie du einen Bart tragen muss, oder?“, klang seine Stimme von weit her an ihr Ohr.
„Reiß dich zusammen“, tönte ihre innere Stimme energisch.
Erschrocken fand sie sich in der Wirklichkeit wieder und trat einen Schritt zurück, während sein Blick sie immer noch festhielt.
Sie beschloss, das Vorgefallene einfach zu ignorieren und das Heft in die Hand zu nehmen. Schließlich war sie Profi auf dem Gebiet.
Lächelnd reichte sie ihm die Hand.
„Hi, ich bin von RTV und wir haben einen Termin zu einem Interview. Die Fragen sind soweit abgesprochen worden, wenn du etwas nicht beantworten möchtest oder eine Frage dir nicht gefällt, dann sage es bitte einfach, okay?“
So, wenn sie viel redete, war sie in ihrem Element und wurde langsam ruhiger.
Er zog eine Augenbraue hoch und antwortete mit amüsiertem Unterton: „Wer ich bin, weißt du ja noch. Wollen wir uns setzen?“
Er deutete auf das Sofa und ließ sich hineinsinken.
„Noch? Hatte er noch gesagt?…weißt du ja noch…“, klang es in ihren Ohren. Unsinn, das war nur ein dummer Zufall.
Sie nickte.
„Ja, gerne, aber ich nehme den Stuhl gegenüber, wenn es dir nichts ausmacht, so ist es besser für die Kameramänner.“
„Nein, mach nur.“ Er stopfte sich seelenruhig ein dickes Kissen in den Rücken.
„Von hier kann ich dich auch viel besser beobachten.“
Erwartungsvoll sah er sie an. Flackerte sein Blick?
Ihr kam die Situation sehr eigenartig vor, sie entschloss sich aber schnell, einfach mit dem Interview zu beginnen. Seine Zeit war sicher knapp bemessen und sie musste ihren Job machen, auch wenn sie am liebsten davongerannt wäre.
So dicht bei ihm, in einem Raum zu sein, rief alle mühsam verdrängten Gefühle wieder wach. In ihren Ohren setzte ein leises Pfeifen ein, wie immer, wenn sie sich hilflos fühlte.
Während sie sich schnell auf den Stuhl ihm gegenüber setzte, ließ er sie keine Sekunde aus den Augen. Seine Blicke schienen sie zu taxieren, glitten wie ein Scanner über ihre Erscheinung und funkelten schließlich merkwürdig. Er rieb sich mit dem Finger über die Nase.
„Okay, dann leg mal los!“, forderte er sie lächelnd auf.
Sie nickte dem Kamerateam zu und versuchte sich an die vorbereiteten Fragen zu erinnern, während er sich mit der Hand langsam durch die Haare fuhr und sie immer noch nicht aus den Augen ließ.
Noch bevor sie ihre erste Frage stellen konnte, kam er ihr zuvor.
„Weißt du, dass du tolle Beine in den hohen Stiefeln hast?“ stellte er grinsend fest. „Ich stehe ja auf Stiefel…aber nur an Frauen“, vollendete er den Satz.
„Ehm…ja…danke“, stammelte sie unprofessionell und konnte sich nun erst recht an keine Frage mehr erinnern.
„Hast du etwas dagegen, wenn ich meine Karten benutze?“, fragte sie ihn etwas atemlos und kramte in ihrer Tasche. Verflixt, irgendwo in der Tasche mussten sie doch sein.
„Nein gar nicht“, antwortete er mit unschuldigem Augenaufschlag.
„Wenn du sie brauchst, Süße.“
Aufatmend fand sie ihre Interviewkarten schließlich am Boden der Tasche und zog sie mit klammen Fingern heraus. Mit Schwung landeten die bunten Kärtchen auf dem Boden vor ihren Füßen. Himmel noch mal, sie würde sich bis auf die Knochen blamieren und ihren Job verlieren, wenn sie sich nicht endlich unter Kontrolle bekam. Schnell kniete sie sich hin, um die Karten wieder aufzusammeln und versuchte zum wiederholten Male ruhig zu atmen.
Gerade als sie wieder ihre Gedanken beisammen hatte, bemerkte sie seinen Blick, der dreist auf ihrem Ausschnitt ruhte, vom Sofa aus hatte er einen guten Einblick, während sie auf dem Boden kniete und die Karten einsammelte.
„So mag ich die Interviews am liebsten“, lachte er frech.
„Sie erlauben mir ungeahnte Einblicke.“
Er sah aus, als würde er vor Lachen gleich losprusten, wurde aber schnell wieder ernst.
„Du hast tolle Brüste – sind die echt?“
Sprachlos sah sie ihn an, ihr Mund blieb offen stehen.
Wie dreist war das denn? Sie wollte schon das Passende erwidern, als sie sich gerade noch besinnen konnte, wo sie war und warum sie hier war.
Sie rappelte sich schnell auf und ließ sich wieder in den Stuhl gleiten, schlug die langen Beine übereinander und sah ihn herausfordernd an.
„Ja, bei mir ist alles echt, und bei dir?“
Abwartend schaute sie zu ihm herüber. Entweder, er warf sie nun in hohem Bogen raus oder er stieg darauf ein.
„Willst du mal nachschauen?“, fragte er unbeeindruckt zurück. Das Spiel gefiel ihm augenscheinlich, denn er lehnte sich gemütlich in die Kissen zurück und schien zu überlegen, womit er sie noch weiter aus dem Konzept bringen konnte.
„Vielleicht später“, murmelte Caroline scheinbar unbeeindruckt.
„Ich muss hier erst mal meinen Job machen.“
„Dann mach schon“, trommelte er ungeduldig mit der Hand auf die Sofalehne.
„Dann habe ich später vielleicht auch noch einen Job für dich.“
Auffordernd blickte er zu ihr herüber.
„So eine Frechheit“, schoss es ihr durch den Kopf.
Na immerhin schien er sie nicht erkannt zu haben, sie atmete tief durch und ersetzte die Nervosität durch eine gehörige Portion Wut.
Wenn sie sauer war, brachte sie nichts und niemand mehr aus dem Konzept. Hochkonzentriert stellte sie die vorbereiteten Fragen, die er nicht minder professionell beantwortete.
Читать дальше