Norbert Böseler
Verdammte Welt - Böse Geschichten
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Inhaltsverzeichnis
Titel Norbert Böseler Verdammte Welt - Böse Geschichten Dieses ebook wurde erstellt bei
Das schwarze Monster
Navi
Die dritte Kerze
Im Schatten der Feder: Teil 1 - Reue
Inkers Ink
Im Schatten der Feder: Teil 2 - Der Dämon
Impressum neobooks
Das schwarze Monster verfolgte ihn. Die Wächter der Anstalt hatten es geweckt, um Tim zurückzuholen. Noch befand es sich ein gutes Stück entfernt von Tim, aber das Wesen aus der Finsternis näherte sich rasend schnell.
Die Nacht war wolkenverhangen und dichte Nebelschwaden hingen tief über den Boden. Wasserlachen auf dem Waldweg erschwerten das Laufen und Tim übersprang die meisten dieser Pfützen, soweit er dazu noch in der Lage war. Er lief so schnell er konnte, aber das schwarze Monster holte weiter auf, rückte Tim immer dichter auf die Fersen. Er sah das helle Leuchten des Monsters immer näher kommen. Das Licht der furchterregenden Augen durchschnitt die graue Wand des Nebels und schien unheimlich in die Dunkelheit des Waldes hinein. Auch die wütenden Geräusche des schwarzen Monsters wurden lauter. Es knurrte ihn an und ein kalter Schauer lief Tim über den Rücken. Er versuchte noch schneller zu laufen, sah dunkle Bäume an sich vorbeihuschen und hörte aufgeschreckte Vögel davonfliegen. Seine Füße wurden durchnässt, doch das war ihm egal, er musste weiter, weg von dieser Bestie. Tim rannte um sein Leben.
Die brutalen Wächter hatten das bösartige Monstrum auf Tim gehetzt, nachdem er aus der Anstalt des Leidens geflohen war. Er hatte die sich ihm bietende Gelegenheit genutzt und die Flucht ergriffen. Hätte Tim es nicht getan, wäre er an diesem entsetzlichen Ort zugrunde gegangen. Die bösen Wächter hätten ihn wahrscheinlich zu Tode getreten, oder aber die weißen Gestalten hätten ihn vergiftet.
Die Wächter waren es auch gewesen, die ihn vor langer Zeit entführt hatten. Nach einem bedeutungslosen Streit war Tim von Zuhause ausgerissen. Tim hatte sich noch nicht weit von dem heimischen Grundstück entfernt, als er seinen unüberlegten Entschluss bereits wieder bereute. Er wollte gerade reumütig umkehren, als die zwei Wächter kamen und ihn überwältigten. Sie stülpten Tim einen Sack über den Kopf und dann ging alles blitzschnell. Sie ließen ihm keine Möglichkeit sich zu wehren. Er wurde eingepfercht und verschleppt - seinen Liebsten entrissen.
Später sperrten sie Tim in ein dunkles Verlies ohne Tageslicht. Eine Neonröhre erhellte den fensterlosen Raum mit einem kalten violetten Licht. Er war von nacktem Beton umgeben. Tim setzte sich in eine Ecke des Raumes und starrte auf die Metalltür, die im oberen Drittel vergittert war. Er bibberte vor Kälte und zitterte vor Angst. Tim hoffte, hinter dem Türgitter würde einer seiner Liebsten erscheinen, ihn aus dem Loch herausholen und fest in die Arme schließen. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein und wegen einer Bedeutungslosigkeit davonrennen? Wie sollte seine Familie ihn hier jemals finden? Er schämte sich, durfte die Hoffnung jedoch nicht aufgeben.
Manchmal beobachtete er durch das Gitter, wie einer der Wächter über den Gang auf und ab ging. Einmal sah er durch das Metallgestänge in Tims Zelle und grinste ihn verachtend an. Tim vernahm den Geräuschen des Ganges nach, dass er nicht alleine war. Es mussten sich noch weitere Opfer in der Anstalt befinden. Klagende Laute drangen bis in seine karge Unterkunft vor. Die Stimmen verstummten nicht, sie bohrten sich kreischend in Tims Ohren. Er versuchte sie zu ignorieren, dabei wurde er müde, sehr müde. Viele Stunden später schlief er ein.
Am nächsten Tag hörte er erneut Schreie, Schreie des Schmerzes, gefolgt von einem leidvollen Wimmern. Kurze Zeit später sah Tim die weißen Gestalten über den Flur gehen. Das Wimmern mutierte zum Flehen, dann, wie von Geisterhand, herrschte eine beängstigende Stille über den unheilbringenden Ort.
Tim bekam zwei Tage nichts zu essen und trinken. Hunger, vereint mit Durst, schwächte seinen Körper. Er verlor jegliches Zeitgefühl, wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. In seinem Verlies stank es nach Extremente und Urin, da er seine Notdurft auf den Boden verrichten musste. Niemand kam, um den Raum zu säubern. Unmengen an Fliegen verirrten sich durch die Gitterstäbe in das Verlies und labten sich an seinen Fäkalien. Die aggressiven Insekten fielen auch über Tim her und quälten ihn mit stechenden Bissen.
Er hatte die Klappe im unteren Türbereich noch nicht bemerkt, erst als sie plötzlich aufschlug und Essen in sein ödes Loch geschoben wurde. Gierig verschlang Tim die köstliche Mahlzeit. Zudem bekam er Wasser, um den Durst zu löschen. Anschließend fühlte Tim sich gut und schöpfte neue Hoffnung.
Tim schlief viel. Er gewöhnte sich langsam an die schrecklichen Geräusche des Ganges. Wie lange sie ihn wieder hungern ließen, konnte er nicht einschätzen. Die Zeit verschwamm zu einer endlosen Schleife. Ihm kam es ewig lange vor, bis sich die Klappe wieder öffnete. Abermals verschlang er seine Nahrung in Windeseile. Diesmal fühlte er sich danach nicht gut, im Gegenteil, er ermüdete, seine Sinne wurden schläfrig und sein Blick trübte sich. Das graue Loch begann um ihn herum zu schwanken. Tim legte sich wankend auf den Boden, weil die Beine unter seinem Gewicht nachließen. Er wurde auf unerklärliche Weise sehr träge. Schemenhaft bekam er mit, wie die Tür geöffnet wurde und sich jemand näherte. Ein Wächter trat ihn mit dem Fuß gegen den Bauch, dann ein zweites Mal. Er holte einen Stock hervor und drückte damit auf Tims Brustkorb. Trotz seiner Benommenheit konnte er den kribbelnden Schmerz spüren. Der Wächter erhöhte den Druck, solange bis Tim anfing zu schreien. Zuckende Schläge durchfuhren seinen geschundenen Körper. Dann ließ der Peiniger zufrieden von ihm ab und entfernte sich aus der trostlosen Zelle.
Wenig später traten die weißen Gestalten ein. Tim lag wie leblos auf den feuchten Boden. Er versuchte sich aufzurappeln, doch seine Beine gehorchten nicht mehr. Die zwei gespenstisch anmutenden Wesen konnte er schleierhaft erkennen. Sie waren ganz in Weiß gekleidet, selbst ihre Füße steckten in weißen Stiefeln. Einer der beiden Gestalten drehte Tims wehrlosen Körper auf die Seite. Der Zweite zog einen spitzen Gegenstand aus der Tasche. Dann vernahm Tim mit Schrecken, wie man ihm mit einer Spritze in den Hals stach. Er spürte den Druck, als das Gift in seinen Körper gedrückt wurde.
Irgendwann, nach einer Zeit wie in einem dunklen Traum, kehrte Tims Bewusstsein zurück. Er fühlte sich schlecht. Übelkeit ließ ihn erbrechen. Nachdem er sich seiner Last entledigt hatte, verbesserte sich sein Zustand. Man gab ihm fortan regelmäßig Nahrung, damit er wieder zu Kräften kam. Später ließen sie ihn wieder hungern.
Obwohl Tim bewusst war, dass der anschließenden Mahlzeit wieder ein Betäubungsmittel untergemischt war, aß er. Er musste es tun, wenn er nicht verhungern wollte. Ohne mit der Wimper zu zucken, würden die Wächter ihn elendig verrecken lassen, dessen war er sich sicher. Er musste teilnahmslos hinnehmen, wie die weißen Gestalten während seiner Benommenheit das giftige Serum in seinen Körper spritzten.
Die Intervalle dieser qualvollen Prozedur wurden immer kürzer. Tim verlor viele Haare und einige Zähne. Sein Geschmacks - und Geruchssinn verminderten sich merklich. Die einst strahlenden Augen lagen trübe in tiefen Höhlen, die Lider schwollen an. Vor allem aber verließ Tim die Hoffnung, die Hoffnung, die vertrauten Gesichter seiner Liebsten jemals wiederzusehen.
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