Orkania - Im Auge der Kamera

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Gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt an den Arbeitsplatz, muss Erich Hermanns feststellen, dass nichts mehr ist wie vorher. Der ruhige Job als Nachtwächter in der Agentur ist auf einmal zu einem Spießrutenlaufen gegen die Angst geworden. Ein Nachtwächter mit Angst im Dunkeln? Oder ist doch mehr dran an den mysteriösen Geschehnissen in der Agentur und den dunklen Alpträumen, die ihn plagen? Erich geht dem Ganzen auf den Grund – und findet mehr heraus, als er je wissen wollte.

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Orkania

Im Auge der Kamera

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Inhaltsverzeichnis Titel Orkania Im Auge der Kamera Dieses ebook wurde - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Woche I

Woche II

Woche III

Woche IV

Freitag der 13.

Epilog

Impressum neobooks

Woche I

Montag

Als Erich Hermans seinen Dienst antrat, dämmerte es bereits. Es war nach zwei Wochen Urlaub der erste Arbeitstag für den Nachtwächter. Bereits seit Jahren arbeitete Erich hier in der bekannten Agentur und sorgte nachts für die Sicherheit des alten Gebäudes. Es war eine schöne Villa, in der die Agentur ihren Hauptsitz hatte, sorgfältig renoviert und hergerichtet. Sogar die Stuckverzierungen und Dachschindeln wurden unter grossem Aufwand erhalten. Das Innere des Gebäudes war wesentlich funktionaler, aber auch hier wurde viel Wert auf ein passendes Ambiente gelegt. Jedesmal, wenn Erich das Haus sah, freute er sich, hier zu arbeiten. Es war sehr viel schöner als ein grosses Warenhaus oder ein Riesendiscounter.

Die Empfangsdame telefonierte angeregt. „Nein, der Herr Werner ist im Urlaub auf Teneriffa. Er kommt erst nächste Woche wieder!“ Sie lachte über irgendetwas und winkte Erich nur halbherzig zu. Schnell trug er sich in das Personalbuch ein und schloss sein kleines Überwachungsbüro auf. Um 8 Uhr am Abend waren die meisten Angestellten schon gegangen. Bei einem Blick ins Verzeichnis sah er, dass sich bereits über die Hälfte ausgetragen hatte. Nur im zweiten Stock schienen noch ein paar Büros an einem Grossauftrag zu arbeiten. Erich legte seinen Gürtel mit der Taschenlampe und der mobilen Telefoneinheit um und fuhr den Computer hoch. Dann rief er in der Sicherheitsfirma an und bestätigte seinen Dienstantritt. Die Empfangsdame würde bis nach 8 Uhr bleiben und beim Verlassen des Gebäudes die Eingangstür absperren. Danach würden die restlichen Angestellten durch die Tiefgarage mit ihrem eigenen Schlüssel hinausfahren oder Erich bitten, die Tür noch einmal zu öffnen. Das kam selten vor, da die meisten vorher das Haus verliessen.

Er hatte nun zwei Stunden Zeit, um Aufnahmen der gestrigen Nacht noch einmal durchzusehen und dann auf einer externen Festplatte abzuspeichern. Früher hatte er die Videobänder in das Archiv im Keller getragen, aber heute benutzte man ja für all das einen PC. Erich hatte extra eine Schulung besucht und war sogar über ein Wochenende zu einem Crash-Kurs nach Hamburg gefahren. Das hatte sich bezahlt gemacht, denn er kam mit dem Programm sehr gut zurecht. Sogar seine Urlaubsfilmchen hatte er zu Hause am heimischen Computer ein wenig bearbeiten können. Er öffnete das Programm und lud die Video- Dateien des gestrigen Tages. Er überflog flüchtig das Protokoll mit den Einträgen seiner Urlaubsvertretung. Alles schien bestens gelaufen zu sein.

Kurz nach Mitternacht machte Erich Pause. Er kontrollierte noch einmal, ob der Computer die Übertragungen der Kameras aufzeichnete und schloss dann hinter sich die Tür ab. Seine Pause machte er am liebsten in der Angestelltenküche, um nicht die ganze Zeit in dem engen Zimmer zu sitzen. Bevor er nach oben ging, benutzte er das kleine WC gegenüber. Dort war ein kleines Fenster, das ein wenig gekippt war. Es war zwar vergittert, aber Erich schloss es dennoch. Er mochte keine Fenster unten offen lassen, wenn er oben am Tisch sass und Kaffee schlürfte.

Erich nahm die Treppe nach oben, er benutzte nie den Fahrstuhl. Natürlich rief er ihn mehrmals während seiner Schicht und kontrollierte die Fahrstuhlkabine, aber er fuhr nicht damit. Obwohl alles einwandfrei funktionierte, hatte er Angst stecken zu bleiben. Er war ja ganz allein im Gebäude. Auch wenn er in der Lage wäre, den Wartungsdienst anzurufen, kämen die ohne Schlüssel nicht ins Gebäude. Man müsste daher auch die Sicherheitsfirma anrufen, für die er arbeitete, oder den Chef der Agentur, der sein Auftraggeber und Ansprechpartner war. Beides wäre ihm einfach zu peinlich. Mal ganz davon abgesehen, dass er vielleicht eine Abmahnung riskierte.

Er stieg die Treppen hinauf und schnaufte ein wenig. Er musste abnehmen. Hoffentlich warteten oben keine Naschereien auf ihn. Denn er würde schweren Herzens verzichten müssen. Im ersten Stock kontrollierte er die Kamera im Treppenhaus und wartete auf das rote Auge. Dann winkte er. Am Ende der Schicht sah er sich immer nochmal die Aufzeichnungen an und dann schmunzelte er jedes Mal über diese kleine Angewohnheit.

Im nächsten Moment erstarrte er. Was war das? Er hatte etwas gehört! Er lauschte einen Moment angestrengt. Das klang doch nach Schritten im Flur, schwere und schnelle Schritte, polternd, taumelnd. War noch jemand im Büro?

Er hatte doch heute bereits zwei Rundgänge gemacht und alle Büros überprüft und auf seinen Kontrollgängen war ihm nichts und niemand aufgefallen. Hatte er ein geöffnetes Fenster übersehen? Oder war jemand über den Balkon engestiegen? Eher unwahrscheinlich.

Langsam zog er die schwere Taschenlampe aus dem Gürtel. Seines Wissens nach war das Haus leer. Erich zögerte nicht lang. Er öffnete die Tür zum Flur. Das Geräusch kam von hinten. Da war tatsächlich jemand, er stöhnte. Erich überlegte kurz, dann ging er mit drei schnellen leisen Schritten den Flur hinunter bis zur Theke. Die Türen zu den Büros auf der rechten Seite waren geschlossen, die Angestellten hatten sich ausgetragen. Hier war niemand mehr.

Erich warf einen schnellen Blick hinter die Theke und drehte sich dann um. Er hatte hier aus dem hinteren Teil des Flures die Geräusche gehört, aber hier war niemand. Der starke Lichtkegel der Taschenlampe erleuchtete die Wände. Nichts.

Erich trat hinter die Theke und schaltete den Hauptlichtschalter für die gesamte Etage an. Sekunden später flammten alle Deckenlampen auf. Nun war es taghell. Erich kontrollierte nacheinander alle Büroräume, den Abstellraum und die Toiletten. Er war sich sicher, etwas gehört zu haben. Langsam schritt er noch einmal den Flur auf und ab. Die schwere Lampe wog er in der Hand.

Sein Blick fiel auf einen gläsernen Rahmen mit einem abstrakten Gemälde rechts von ihm. Es hing ein wenig schief. Er streckte die Hand aus, korrigierte das Bild vorsichtig und lauschte dabei angestrengt. Aber er hörte nichts mehr. Auf dem Weg nach oben in die Küche hatte er ein ungutes Gefühl. Vergeblich versuchte er es abzuschütteln.

Früher hätte er seine Frau angerufen. Sie ging nie vor Mitternacht ins Bett und irgendwann hatten sie sich dieses Ritual angewöhnt. Er rief sie kurz an, um Gute Nacht zu sagen, und sie wünschte ihm Guten Appetit. Beide hatten oft herzlich darüber gelacht. Jetzt nach ihrem Tod waren seine „Mittagspausen“ plötzlich ziemlich lang. Erich liess sich in der Küche auf einen Stuhl sinken. Was war nur mit ihm los? Ein Nachtwächter hatte keine Angst im Dunkeln! Warum war er so angespannt?

Er hatte zwei Wochen Urlaub hinter sich. Mit einem Freund war er zum Angeln an die Mecklenburger Seenplatte gefahren und hatte sich richtig gut erholt. Und jetzt schmerzte sein Nacken vor lauter Anspannung und er sah ständig über die Schulter. Erich atmete tief durch. Seit dem Tod seiner Frau hatte er häufig unter Alpträumen gelitten und war schweissgebadet aufgewacht. Er hatte damals seinen Hausarzt um Rat gefragt und weil er keine Pillen schlucken wollte, hatte der Arzt ihm Atemübungen empfohlen, um sich vor dem Einschlafen besser zu entspannen und nach einem Alptraum wieder zu beruhigen.

Erich begann also mit einer Atemübung. Er spürte, wie sich sein Herzschlag wieder verlangsamte. Die Härchen im Nacken standen ihm auch nicht mehr zu Berge. Sehr gut. Er fuhr sich mit der Hand über das verschwitzte Gesicht. Vielleicht sollte er das Fenster öffnen und ein wenig frische Luft hereinlassen. Mit der kühlen Abendluft und den Atemübungen ging es ihm schnell wieder besser. Wahrscheinlich hatte er eine Maus gehört und jetzt ging seine Phantasie mit ihm durch. Zum Glück waren nur in den Fluren Kameras und nicht in den Büros und Aufenthaltsräumen. Dann konnte ihn niemand beobachten.

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