Auf der zweiten Stufe überlegen wir, wie alle Mutterlebewesen durch die Ketten des Karmas eng gefesselt sind – die nichttugendhaften Handlungen, die sie aus Anhaftung, Wut oder Unwissenheit begangen haben und die dazu führen, dass sie nie frei von Leiden und Problemen sind. Wir erzeugen den aufrichtigen Wunsch - der Mitgefühl ist -, sie alle dauerhaft von diesen Ketten zu befreien. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist Bodhichitta. Wir meditieren dann fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.
Auf der dritten Stufe heißt es im Urtext, dass Lebewesen im eisernen Netz der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst gefangen sind. In diesem Zusammenhang wird das Festhalten am Selbst als ein Geist definiert, der irrtümlicherweise glaubt, dass wir und andere, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, tatsächlich existieren. Wir sollten immer wieder über die Bedeutung dieser Definition nachdenken, bis wir klar unsere Unwissenheit des Festhaltens am Selbst erkennen, die immer in unserem Herzen weilt und deren Funktion es ist, unseren geistigen Frieden und unser Glück zu zerstören. Mit dieser Erkenntnis überlegen wir, dass jedes einzelne Lebewesen im eisernen Netz der Unwissenheit des Festhalten am Selbst gefangen ist und deshalb niemand irgendein echtes Glück besitzt. Das ist so, da ihr geistiger Frieden, die Quelle des Glücks, immer durch ihre Unwissenheit des Festhaltens am Selbst zerstört wird, die immer in ihrem Herzen weilt. Indem wir dies verstehen und in dieser Weise denken, entwickeln wir einen aufrichtigen Wunsch, allen Lebewesen, die unsere Mütter sind, reines Glück zu schenken. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist Bodhichitta. Wir meditieren fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.
Auf der vierten Stufe überlegen wir, dass Lebewesen, obwohl sich jedes einzelne von ihnen wünscht, die ganze Zeit glücklich zu sein und dauerhaft von jedem Problem und Leiden frei zu sein, nicht wissen, wie sie das tun sollen. Das ist so, weil ihr Geist, tief bedeckt durch die dichte Dunkelheit der Unwissenheit, die wirkliche Natur der Dinge nicht versteht. Was auch immer sie sehen oder wahrnehmen, ist eine fehlerhafte Erscheinung, eine Halluzination. Indem wir dies verstehen und in dieser Weise denken, entwickeln wir einen aufrichtigen Wunsch, alle Lebewesen dauerhaft von Unwissenheit zu befreien, von einem Geist, der irrtümlicherweise glaubt, dass die Dinge, die wir normalerweise sehen, tatsächlich existieren. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir einen festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist Bodhichitta. Wir meditieren fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.
Auf der fünften Stufe überlegen wir, wie jedes einzelne Lebewesen Leben für Leben in Samsara, dem endlosen Kreislauf unreinen Lebens, wandert und die Leiden schmerzhafter Gefühle, sich verändernden Leidens und durchdringenden Leidens erlebt, wie es ausführlich in den Büchern Freudvoller Weg und Große Schatzkammer der Verdienste erklärt wird. Indem wir immer wieder darüber nachdenken, entwickeln wir einen aufrichtigen Wunsch, sie alle dauerhaft von diesem Leiden zu befreien. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist Bodhichitta. Wir meditieren fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.
Die Bedeutung dieser Erklärungen zu den Kontemplationen und Meditationen über Entsagung und Bodhichitta ist sehr klar. Dennoch haben wir normalerweise das Problem, dass unser Verständnis rein intellektuell bleibt und unser Herz nicht berührt, und deswegen erreichen wir nichts. Was wir wirklich brauchen, ist eine tiefe Erfahrung in diesen Kontemplationen und Meditationen. Mit dieser müssen wir unseren Geist verändern, zuerst in Entsagung, dann in Wertschätzung für alle Lebewesen, dann in Mitgefühl für alle Lebewesen und dann in Bodhichitta. Dies ist der Rat aus dem Herzen Je Tsongkhapas.
DIE RICHTIGE SICHT DER LEERHEIT
Die Weisheit, die glaubt, dass die Dinge oder Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, nicht existieren, ist die richtige Sicht der Leerheit. Da das Objekt dieser Weisheit Leerheit ist, die bloße Abwesenheit der Dinge oder Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, wird diese Weisheit die «richtige Sicht der Leerheit» genannt. Nur diese Sicht ist die richtige Sicht, durch die wir dauerhafte Befreiung von Leiden und Unwissenheit erlangen können.
Nun folgt eine ergänzende Erläuterung. Wir sollten wissen, dass alle Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, nicht existieren, und dass alle Lebewesen, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, wir selbst inbegriffen, nicht existieren. Dies ist die Wahrheit. Manchmal jedoch mag es schwierig für uns sein, dies zu akzeptieren, da wir irrtümlicherweise denken: «Wenn alle Lebewesen, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, einschließlich wir selbst, nicht existieren, wie können wir dann Entsagung, Mitgefühl, Liebe und Bodhichitta üben?» So zu denken führt zu Verwirrung, die sich störend auf unsere tägliche Dharma Praxis auswirkt. Dieses Problem können wir durch besondere Anleitungen von Je Tsongkhapa lösen, die diesen Sachverhalt klären.
Je Tsongkhapa sagte: «Wann immer wir irgendein Phänomen, Lebewesen oder uns selbst sehen oder wahrnehmen, sehen oder nehmen wir sie nur als inhärent existent wahr.» Da inhärente Existenz nicht existiert, existieren alle Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, nicht. Alle Lebewesen, die wir normalerweise sehen, existieren nicht. Und wir selbst, die wir uns normalerweise sehen, existieren nicht. Dennoch sollten wir wissen, dass alle Phänomene, alle Lebewesen und wir selbst als bloßer Name existieren. Diese Erkenntnis von Phänomenen, Lebewesen und uns selbst ist vollkommen richtig. Alle Lebewesen, einschließlich wir selbst, existieren als bloßer Name und jeder hat seine eigene Funktion. Indem wir also mit ihren bloßen Namen zufrieden sind, können wir Entsagung, Mitgefühl, Liebe und Bodhichitta und alle anderen Anleitungen üben. Je Tsongkhapa klärte dies, indem er Buddhas Absicht sowie Nagarjunas Absicht folgte.
In den Sutras sagte Buddha, dass alle Phänomene einfach bloßer Name sind, sogar die Leerheit aller Phänomene ist einfach bloßer Name. Dies bedeutet, dass über den bloßen Namen hinaus gar nichts existiert. Ebenfalls ist es wahr, dass Lebewesen, da sie sich selbst in fälschlicher Weise identifizieren, falsche Erscheinungen wie Halluzinationen entwickeln und infolgedessen unaufhörlich, Leben für Leben, Leid und Probleme erfahren, bis sie den höchsten beständigen inneren Frieden von Nirvana erlangen.
Wir sollten wissen, dass wir Tag und Nacht «ich», «ich» denken, selbst während des Schlafes. Aufgrund dessen nehmen wir uns selbst als ein Ich wahr. Diese Art und Weise, uns selbst zu identifizieren, ist falsch, da das Ich, das wir normalerweise sehen, nicht existiert. Dadurch können wir verstehen, wie wir uns selbst zu jeder Zeit in fälschlicher Weise identifizieren. Nehmen wir zum Beispiel einen Praktizierenden namens John, der, indem er seinen Körper oder Geist, die seine Grundlage der Zuschreibung sind, wahrnimmt, spontan denkt: «Ich bin John.» Da seine Grundlage der Zuschreibung, sein Körper und Geist, durch das innere Gift der Verblendungen verunreinigt ist, wird seine Erkenntnis von sich selbst als John dazu führen, dass er fortwährend Leiden erlebt. Möchte John kein Leiden erleben, muss er seine Grundlage der Zuschreibung ändern, von seinem verunreinigten Körper und Geist zu einem nichtverunreinigten Körper und Geist wie den Körper und Geist von Heruka, Vajrayogini oder irgendeiner anderen Guru-Gottheit. Dies gilt nicht nur für John, sondern für jedermann. Jeder, der kein Leiden erleben möchte, muss seine Grundlage der Zuschreibung ändern.
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