Dietrich Novak
Zehn kleine Mörderlein
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dietrich Novak Zehn kleine Mörderlein Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
Epilog
Impressum neobooks
Es war schon eine seltsame Gesellschaft, die sich um die Tafel im Rittersaal versammelt hatte. Jeder von ihnen hielt sich heimlich oder offensichtlich für den Fähigsten und Kompetentesten, wenn es darum ging, Verbrechen aufzuklären. Und eben genau diesem Umstand verdankten sie ihre Einladung. Der Gastgeber, der sich vornehm zurückhielt und nicht an dem Dinner teilnahm, hatte ein Preisgeld von 100.000 Euro ausgesetzt für denjenigen, dem es gelingen würde, einen Mord aufzuklären. Nichts leichter als das, dachten alle, schließlich war es ihre tägliche Arbeit. Mehr oder minder jedenfalls. Doch ahnten sie nicht, dass es geplant war, die Teilnehmerzahl nach und nach zu verringern. Nicht durch Abreise, sondern durch Ableben.
Der Knackpunkt an der Sache war nämlich, dass sich der Mörder unerkannt unter ihnen befand. Auch davon ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner etwas. Deshalb kam der erste Mordversuch so unerwartet, dass er zunächst für einen bedauerlichen Unfall gehalten wurde.
Zum Abenddiner wurde gerade das Dessert serviert, als die ältere Dame schon nach den ersten zwei Löffeln plötzlich nach Luft rang. Zunächst glaubte man, sie habe sich nur überfressen, um es volkstümlich auszudrücken. Doch als ihr der Schweiß ausbrach und ihre Haut und die Lippen sich bläulich verfärbten, war Alarm angesagt.
»Meine Handtasche, schnell!«, stammelte sie.
Der Doktor am Tisch, der sich mittlerweile mehr mit Toten als mit Lebenden befasste in seiner Eigenschaft als Gerichtsmediziner, sprang auf, ergriff die Tasche der Dame, wühlte kurz darin herum und nickte, als er fand, was er gesucht hatte. Ein Notfallset für Allergiker, bestehend aus einem Antihistaminikum und einer Fertigspritze mit Adrenalin. Nachdem er ihr die Präparate intravenös verabreicht hatte, trat zwar sofort eine Besserung ein, aber er empfahl dringend Ruhe.
»Eine anaphylaktische Reaktion beziehungsweise ein Allergie-Schock, vermute ich«, sagte er. »Ich bringe Sie auf Ihr Zimmer. Wenn einer der Herren mir bitte behilflich sein könnte …«
Der sympathische Berliner Hauptkommissar stand sofort auf und zeigte Hilfsbereitschaft, während die anderen sich eher zurückhielten. Beherzt griff er der Lady unter die Achseln und hätte sie auch ohne Probleme allein zu ihrem Zimmer geleiten können.
Oben erholte sich die ältere Dame alsbald und entwickelte augenblicklich Mitteilungsbedürfnis.
»Jemandem passt wohl meine Anwesenheit hier nicht. Deshalb wollte er mich umgehend ins Jenseits befördern«, sagte sie munter. »Nun, ganz so eilig abzutreten, habe ich es denn doch nicht. Gerade jetzt, wo es spannend wird. Vielen Dank jedenfalls für Ihre schnelle Reaktion.«
»Keine Ursache. Wenn ich helfen kann …«, sagte der Rechtsmediziner.
»Ich fürchte, dazu werden Sie in den nächsten Tagen noch reichlich Gelegenheit bekommen. Im schlimmsten Fall bei der Ausübung Ihres derzeitigen Berufes.«
Nichts Gutes ahnend, machten sich die Hauptkommissare Valerie Voss und Hinnerk Lange, die nicht nur ein unschlagbares Team waren, sondern auch privat ein Paar, auf den Weg zum Büro ihres neuen Abteilungschefs, Dr. Paul Zeisig. Dieser war ein etwas undurchsichtiger Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm und gelegentlich seinen Ton nicht ganz unter Kontrolle hatte. Eigentlich etwas, das ihn mit Valerie verband, doch wenn es ernst wurde, hatte er einfach die besseren Karten. Außerdem entdeckte er an ihr, was ihn an ihm selbst störte.
Dass er auch immer für eine Überraschung gut war, bewies er an diesem Tag. Er hatte eine feierliche Miene aufgesetzt, die dem Anlass einer Beförderung angemessen war. Stattdessen hatte er aber anderes zu verkünden.
»Ich möchte Ihnen beiden ein Geschenk machen. Ein einwöchiger Aufenthalt in einem Schloss auf einer bretonischen Insel.«
»Danke, wie kommen wir zu der Ehre?«, fragte Valerie verblüfft.
»Man könnte es als eine Art Fortbildung betrachten, die ich natürlich nicht aus eigener Tasche bezahle. Und auch die Staatskasse wird damit nicht belastet, denn der Sponsor ist ein Millionär, für den die Kosten nur Peanuts sind.«
»Was hat der Mann für ein Interesse daran, uns zu belohnen?«, wollte Hinnerk wissen. »Anders gefragt: Worin besteht die Fortbildung?«
»Mich würde viel mehr interessieren, warum Sie der Meinung sind, dass wir uns fortbilden müssen?«, insistierte Valerie. »Unsere außergewöhnlich hohe Aufklärungsquote lässt diese Vermutung kaum zu.«
»Das ist wieder typisch Frau Voss. Erst mal losbellen. Warten Sie doch ab. Außerdem ist es immer von Vorteil dazuzulernen. Sie kennen das Sprichwort mit der Kuh?«
»Natürlich, aber es ist wenig schmeichelhaft, uns mit Rindviechern zu vergleichen.«
»Ach, papperlapapp. Niemand will Ihnen etwas Böses. Auch wenn das ein Trauma von Ihnen zu sein scheint. Sie haben die Gelegenheit, berühmte Kollegen aus dem Ausland kennenzulernen. Nach meiner Information welche aus Schweden, Italien, Österreich, Großbritannien, und den Beneluxstaaten. Mr. Finn ist daran interessiert, einen Mord aufzuklären, bei dem bisher alle Ermittler versagt haben. Das müsste doch Ihren Ehrgeiz anstacheln. Andernfalls ist es ein Spiel und für Sie eine willkommene Auszeit.«
»Von mir aus, solange ich dabei nicht in lächerlichen Rokokogewändern und mit gepuderten Perücken herumlaufen muss …«
»Wie witzig, nein, das verlangt niemand von Ihnen. Also, wollen Sie, oder soll ich Ihre Kollegen fragen?«
»Nein, ich denke, wir nehmen das Angebot an«, sagte Hinnerk. »Glauben Sie, Heiko Wieland und Marlies Schmidt kommen in der Zeit allein zurecht?«
»Meines Wissens gibt es keinen aktuellen Fall. Herr Wieland brennt ohnehin darauf, sich beweisen zu können, und Frau Schmidt scheint ihr Bürojob auch nicht mehr zu genügen. Somit tun Sie beiden einen Gefallen.«
»Wie gut, dass wir noch keine neue Minka angeschafft haben«, sagte Valerie, als sie zurück in ihr Büro gingen. »Ein Schlossaufenthalt könnte mir schon zusagen. Leider ist es mal wieder mit Arbeit verbunden.«
»Solange dabei ein saftige Belohnung herausspringt … Auf jeden Fall sind Kost und Logis frei, und sogar das Flugticket nach Lannion inklusive Mietwagen.«
Heiko und Marlies konnten nicht glauben, was ihnen ihre Kollegen da eröffneten.
»Wollt ihr das wirklich machen?«, fragte Marlies. »Irgendwie habe ich dabei ein komisches Gefühl.«
»Du und deine Gefühle, Lieschen«, zog Hinnerk sie auf. »In Anwesenheit so vieler Kollegen wird uns schon nichts passieren.«
»Ich verstehe Schmidtchen«, meinte Valerie. »So ganz koscher ist mir die Sache auch nicht. Das Ganze erinnert mich an den Film „Eine Leiche zum Dessert“. Da wollte auch jeder der Größte sein.«
»Das war eine Parodie, Schatz. Oder hast du schon mal im realen Leben etwas von einer Köchin gehört, die ein Roboter war?«
»Wenigstens sind alle Gäste am Leben geblieben. Im Gegensatz zu der Vorlage von Agatha Christie, wo niemand übrig bleibt.«
»Das sind ja rosige Aussichten«, feixte Hinnerk.
Zwei Tage später, an einem Sonntagnachmittag, flogen Valerie und Hinnerk vom Flughafen Schönefeld ab. Vor ihnen lag ein sechsstündiger Flug, der einen etwa dreistündigen Aufenthalt in Paris beinhaltete. Grund genug für Valerie, eine spitze Bemerkung darüber abzulassen.
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