Geraldine Haas - Der Hund mit den verlorenen Ohren

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Im Alter von 10 Wochen, wurde Felix an der Nationalstrasse bei Ferreiras ausgesetzt. Seines warmen Nestes beraubt, war er nun einer von den unzähligen Vierbeinern, die vergebens nach einem Menschen suchen, dem sie vertrauen können.
Schon am ersten Tage machte er die Bekanntschaft von Pedro, einem kleinen Schnauzer, der ihn zu einem Club-Camping mitnahm. Pedro erzählte von Menschen, die in wahren Rudeln eintrafen, wenn erst die Saison begann.
"Sie kaufen Hundefutter für uns, um ihr Gewissen zu erleichtern", sagte er.
Felix lernte Katzen und ihre gefährlichen Tatzen kennen und auch Philipp und Luisa, die sich sehr um ihn kümmerten, bis zu dem Tag, an dem sie abreisten.
Er war ihnen auf der Nationalstrasse noch nachgerannt, hatte dann aber verzweifelt aufgegeben.

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Geraldine Haas

Der Hund mit den verlorenen Ohren

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Inhaltsverzeichnis Titel Geraldine Haas Der Hund mit den verlorenen Ohren - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Impressum neobooks

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Felix würde wohl niemals den wahren Grund erfahren, warum man ihn im frühesten Alter von knapp zehn Wochen, an der Nationalstraße von Ferreiras aussetzte. Er hatte noch versucht, dem davonfahrenden Fahrzeug nachzurennen, was natürlich vollkommen sinnlos gewesen war. Niedergeschlagen saß er nun am Straßenrand. Das Unvermeidliche war nicht mehr abzuwenden. Da half auch kein winseln und klagen. Er war ein Straßenhund. Einer von den unzähligen, obdachlosen Vierbeinern, die vergeblich nach einem Menschen suchen, dem sie vertrauen können. Vertrauen, das würde ihm in Zukunft schwer fallen, das ahnte er jetzt schon.

Voller Selbstmitleid, raffte er sich auf und lief am Rande der Straße entlang, bis er sich müde und erschöpft unter einen mit reifen Früchten übervollen Orangenbaum legte und sofort einschlief. Er träumte von einem vollen Fressnapf und seinen beiden Geschwistern Angel und Rosiana. Und wie er sich so eingebettet in das Familienleben sah, fiel eine überreife Orange vom Baum, direkt auf seine Schnauze. Er war um ein Stück Lebenserfahrung reicher, unter reifen Orangenbäumen wollte er in Zukunft keine Ruhe suchen. Dabei hatte ihn sein Traum mit Glück erfüllt. Gähnend stand er auf und streckte sich. Ein paar Sonnenstrahlen verirrten sich durch den wolkenverhangenen Himmel auf sein Fell. Der stürmische Westwind trieb die Wolken rasch vor sich her, als er wieder an der Nationalstraße unterwegs war. Seine hochempfindliche Nase, witterte in nicht allzu weiter Entfernung einen Artgenossen. Die letzte Mahlzeit lag lange zurück und sein Magen knurrte vor Hunger. Aber vielleicht hatte ja der Unbekannte eine reichhaltige Speisekarte?

Doch kaum hatte er sich auf den Weg in die Richtung gemacht, in der er Witterung aufgenommen hatte, wurde er von einer Meute Hunde bellend begrüßt. Ein schwarzer, struppiger Wasserhund, mit weißem Brustfleck, kam knurrend von einem Hügel herab, während Felix sich hinter den anderen Hunden versteckte.

„Wohl neu hier, was?“, fragte der Struppige.

„Man hat mich ausgesetzt“, erwiderte Felix.

„Er hat Hunger!“, rief der Struppige seinen Freunden zu. „Als ob wir nicht schon genug Arbeit mit der Futtersuche hätten.“ Nachdem er Felix eingehend beschnuppert hatte, scharrte er mit seinen Hinterläufen, dass die Erde durch die Luft flog.

„Ja, ja, wir sind immer auf der Suche“, wiederholte ein alter, graubärtiger deutscher Schäferhund.

Felix schaute sich in der Runde um. Neben dem Deutschen und dem Struppigen, scharten sich noch einige kleinere Hunde.

„Man hat dich ausgesetzt?“, fragte der Deutsche. Dabei knurrte er: „Menschen haben von einem Hundeleben keine Ahnung.“ Voller Stolz erklärte er, dass er beste Rasse wäre.

Felix schaute ihn nachdenklich an. „Was ist Rasse?“, fragte er.

Der Deutsche erklärte ihm all das Verwirrende über Zucht, Stammbaum, Vorbeißer, Rute... Es schien ihm sichtlich Spaß zu machen. „Menschen lieben reinrassige Hunde“, sagte er abschließend. Er warf Felix einen neugierigen Blick zu. „Du siehst auch nicht gerade übel aus. Deinen Pfoten nach zu urteilen, wirst du einmal so groß wie ich.“ Er lief um Felix herum. „Ich habe deine Rasse auf der Jagd gesehen, oben in den Bergen.“ Er zeigte mit seiner Schnauze nach Norden.

Felix schaute den Deutschen an. Man sah doch an ihm, dass auch Rassehunde herrenlos waren. Und nachdenklich wandte er sich ab, um wieder zurück zur Nationalstraße zu laufen. Doch kaum war er dort nur wenige Meter unterwegs, als ein Auto neben ihm hielt und ein dickleibiger Mann das Fenster auf der Fahrerseite herunterließ. „Du bist aber ein Feiner“, sagte der Dicke. Erschrocken ergriff Felix die Flucht. Der Deutsche hatte ihm von Hundefängern erzählt, vor denen er sich in acht nehmen musste. Also suchte er Schutz hinter einer prall gefüllten Mülltonne. Ab diesem Moment gewannen Mülltonnen schon vom ersten Tage seiner Aussetzung, an Bedeutung. Man musste sich oft in ihrer Nähe aufhalten, dann fiel immer etwas zum fressen ab.

Ein kleiner Schnauzer, den Felix nach einigen Tagen traf, erzählte ihm von einem Club- Campingplatz. „Dort wirst du immer einen vollen Fressnapf finden“, sagte er gewichtig und er fügte noch hinzu: „Es wird dir an nichts fehlen, wenn erst die Saison beginnt.“

„Saison?“, fragte Felix neugierig. Das ist die Zeit, in der die Menschen in wahren Rudeln hier eintreffen. Touristen! Noch nie etwas davon gehört?“ Er warf Felix einen fragenden Blick zu. „Und sie kaufen Hundefutter, nur um ihr Gewissen zu erleichtern, bei all dem Elend, das uns Straßenhunden widerfährt. In den touristischen Hochburgen werden Hunde sogar getötet. Glaub mir, so manch einen meiner Freunde hat es schon erwischt.“

„Aber warum tötet man sie?“

„Gute Frage. Und ich werde sie dir auch beantworten. Einige von ihnen streunen gerade dort herum, wo sich sehr viele Touristen aufhalten. Und weißt du warum?“, er warf Felix einen fragenden Blick zu. „Weil sie Hunger haben, so wie du und ich. Verstehst du jetzt?“

„Verstehe“, knurrte Felix.

„Ich sage dir, die Menschen haben genug zu essen. Wenn nicht zu sagen, zu viel. Glaub‘ mir, ich habe das mit eigenen Augen gesehen. Es gibt so viele dicke Bäuche, da wird einem Hund angst und bange. Verbessere mich, wenn ich etwas falsch sage, mein Freund!“

Felix hatte davon doch überhaupt keine Ahnung und er fragte: „Weil sie ihnen zu nahe kommen, werden sie getötet?“

„So ist es, mein Freund! So ist es!“ Pedro leckte sich sein Maul, als hätte er einen fetten Leckerbissen zwischen seine Zähne bekommen. „Ich habe Appetit auf ein schönes Stück Braten“, knurrte er.

„Kannst du mir das mit der Saison näher erklären?“, bohrte Felix weiter.

Pedro räusperte sich. „Ha, ich sehe schon, du bist neu in dem Geschäft. Das ist die Urlaubszeit von Juli bis September. Die Menschen essen und das nicht wenig. Da fällt so mancher Happen für uns ab.“ Pedro ließ seine Ohren hängen, was ihm einen melancholischen Ausdruck verlieh. Felix schaute ihn von der Seite an. Ganz zu Anfang ihres Kennenlernens hatte er sich vorgestellt und er hatte auch Felix nach seinem Namen gefragt. Er hatte ihm seine kleine Lebensgeschichte erzählt: „Sie nannten mich Felix. Ich glaubte an ein sicheres Zuhause.“ Aber wenn er das schon nicht mehr hatte, dann wollte er wenigstens mit Namen genannt werden, sagte er sich.

„Es gibt Menschen, die pochen schon sehr auf ihren Namen“, erklärte Pedro. Er kratzte sich mit dem linken Hinterfuß am Bauch. „Diese verdammten Flöhe.“

„Flöhe?“, fragte Felix. Er musste auf Pedro einen sehr komischen Eindruck gemacht haben, denn er lachte und zeigte dabei sein Gebiss, mit den kleinen Eckzähnen.

„Flöhe gehören zu einem Straßenhund, wie das Amen in der Kirche“, klärte Pedro ihn auf. „Wenn die dich erst einmal als ihr Wirtstier ausgesucht haben, hast du keine ruhige Minute mehr.“

„Hast du noch nie daran gedacht, dir einen Herrn zu suchen?“, fragte Felix.

„Ich sehe schon, du hast keine Ahnung von den Menschen, wie sonst würdest du mir eine so dumme Frage stellen. Ich sage dir, wenn die fertig sind, mit Urlaub machen, scheren die sich nicht mehr um unsereins. Du kannst mir glauben, die vergessen sehr schnell.“

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