Die Expertise und Erfahrung, die Ingeborg in den Eifersüchteleien mit ihrer Tante Clara entwickelt hatte, waren ihre besten Werkzeuge. Da spielte es keine Rolle, dass sie über dreißig Jahr älter war als ich: Der liebe Papi sollte und musste jetzt für sie sorgen. Ich hatte nichts mehr in seinem Haus zu suchen.
Auch wenn ich nach Bremen fuhr, um meinen Vater ins Krankenhaus zu bringen oder zu pflegen, musste ich im Hotel wohnen. Da wo Ingeborg war, war kein Platz für mich.
Das war die Situation, die ich antraf, als ich von Kiel abfuhr und in Tostedt ankam. Ich könnte nicht ins Haus kommen, das wäre unmöglich, sie habe keinen Platz. Außerdem müsse sie zu viel arbeiten. Das könnte sie gesundheitlich nicht verkraften.
Olga gebrauchte hierfür den norddeutschen Ausdruck: „ Ingeborg kann nicht viel ab .“ Ingeborg ist gesund und munter vierundneunzig Jahre alt geworden.
Als sie sich mit vierundneunzig Jahren im Spiegel erblickte, sagte sie: „ Ach ne, jetzt will ich nicht mehr .“ Dann hat sie sich ins Bett gelegt, nichts mehr gegessen und getrunken und ist gestorben.
Als ich aus Kiel in Tostedt ankam und nicht bei meinem Vater bleiben konnte, musste ich direkt nach Berlin fahren. Mein Vater erklärte, er müsse auch eine Geschäftsreise nach Berlin machen, da könnte ich im Auto mitkommen.
Mein Vater war während meiner Kindheit immer meine Zuflucht gewesen. Auf dem Hof in Martfeld war ich jederzeit willkommen. Seitdem mein Vater den Hof verlassen hatte, wurde ich hier wie eine Fremde behandelt. In Martfeld war ich nicht mehr willkommen. Bei meiner Mutter war ich niemals willkommen. Mein Vater wurde nach seiner Hochzeit eifersüchtig von seiner dritten Frau bewacht. Auch ihn konnte ich nicht mehr besuchen.
Die Isolierung, in die ich kam, war umso schlimmer, weil ich als feste Kontaktadresse Bochum-Gerthe angegeben hatte. Alle meine Freunde und Bekannten schrieben nach Bochum-Gerthe. Meine Mutter unterschlug und vernichtete meine gesamte Post. Ich hörte auch von meinen Freunden nichts mehr.
Der einzige, der nach Berlin kam, war Theodor. Er fand immer wieder meine Adresse, obwohl ich in Berlin mehrmals umgezogen bin.
Er hat meinen Vater besucht, er hat meine Mutter besucht, die Auflösung unserer Verlobung existierte für ihn nicht. Wirklichkeit war für ihn nur das, was er sich selber als Wirklichkeit zurechtlegte. Das alles wusste ich damals nicht. Ich lebte blind von einem Tag zum anderen. Ich lebte in einem emotionalen Vakuum.
Ich war zum Studium nach Berlin gegangen, weil ich in Berlin Verwandte, Bekannte und Freunde hatte. Die Familie meines Vaters kam aus Brandenburg und meine Großmutter mütterlicherseits kam aus Berlin. Diese Verwandten besuchte ich. Meine Freunde und Verwandten halfen mir. Aber das war kein Zuhause, das waren keine Menschen, mit denen ich über meine privaten Probleme hätte sprechen können, jedenfalls nicht über intime Probleme. Das war keine Erstattung für eine Familie, die ich niemals hatte und für Menschen, die ich verloren hatte. In meiner Beziehung zu Theodor hätte ich Rat und Hilfe haben müssen, wie ich diese Situation einschätzen konnte und wie ich aus ihr herauskam.
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