33 Warum ich Burnout-Profi bin und trotzdem kein Eck frei ist zum Heulen.
34 Warum Magersucht nicht sexy ist - und Designer, die sie vermarkten, auch nicht.
35 Warum ich weiß, wann die Party vorbei ist - und auch ein teurer Kaschmirmantel ein kaltes Herz nicht wärmen kann.
36 Warum Skandalisieren einfach ist – wenn man nicht jene fragt, die es angeht. Und wieso es mich etwas angeht.
37 Warum Fantasie mein Kapital ist – und mein Hintern ebenfalls.
38 Ein unmoralisches Angebot – und warum man mit vierzig für Sex bezahlt, ohne es eigentlich so zu meinen.
39 Wie Schwiegermütter es schaffen können, dass man mit dem Schwager durchbrennen will.
40 Warum gute Freunde dafür sorgen, dass man sich selbst liebt, wenn sie da sind - Eine Liebeserklärung an die Freundschaft.
…und warum es nicht zuletzt wichtig ist, einen guten Platz in uns selbst zu schaffen.
1. Working Mum begins - Wie alles begann
Mein Weg in die Selbständigkeit: Wie man Mitte dreißig den Job verlässt, Mutter wird und feststellt, dass man Jahrelang in einem Irrenhaus gearbeitet hat, ohne es zu merken.
Chefsekretärin im Mamaland
Ich hatte es irgendwie geschafft: Eine bescheidene „Karriere“ vom Kaffeeküchen-Aschenputtel zur Herrscherin des Direktions-Vorzimmers. Doch ein kleiner Ausflug ins Mamaland brachte mir bei der Rückkehr ein böses Erwachen. Ein Auszug aus der Internetseite des Bundesministeriums für Familie vom 10.02.2012 klingt ja ziemlich vielversprechend: „Auch Unternehmen profitieren von den Vorteilen einer familienfreundlichen Personalpolitik. Beschäftigte, die bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt werden, kehren früher aus der Elternzeit zurück, fehlen seltener, sind weniger stressbelastet und arbeiten motivierter. Hinzu kommen Wettbewerbsvorteile durch eine höhere Arbeitgeberattraktivität: Neben dem Gehalt werden familienfreundliche Angebote immer wichtiger, um qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen und zu halten.“ Soviel dazu… Die Realität sieht anders aus:
Am Anfang war der Babybauch: Der Kampf mit der Schreibtischkante
Als ich Chefsekretärin wurde, entfloh ich dem tristen Teamassistentinnen-Alltag – der nicht per se hätte trist sein müssen, den ich jedoch, weil allgemein so gering geschätzt, sehr bald nicht mehr ertragen wollte. Als ich folglich eines Tages in den Olymp der Topverdiener aufstieg – obschon auch dort alsbald ernüchtert - dachte ich immer, dass es schlimmer sein könnte. Immerhin, mein Gehalt war zu einem Anteil ein durchaus tröstliches Schmerzensgeld. Somit wurde ich, überzeugt davon, dass ich alles erreicht hatte, in aller Ruhe schwanger, vertraute blindlings meinen Hormonen und sah meinem sich rundenden Babybauch dabei zu, wie er eine wachsende Zwangsentfernung zwischen mich und meinen Arbeitsplatz brachte. Diese Entfernung allerdings sollte in einer Art prophetischer Symbolik den Zustand Mitarbeiterin in Teilzeit, ein Kind - versus ehemals: Mitarbeiterin in Vollzeit, kein Kind - vorwegnehmen. Ich ging sodann, als Folge meines täglichen Kampfes: Bauch gegen Schreibtischoberkante, mit gefühlten fünf Zentimeter verlängerten Armen in meine ersehnte Elternzeit und träumte den trügerischen Traum aller werdenden Mütter, die arbeiten: Von der perfekten Elternzeitrückkehr, wie dokumentiert und versprochen. So schlief ich sanft zwei schöne Jahre im rosaroten Babyland.
Phase zwei: Die Rückkehr oder im Tal der Ratlosen
Da saß ich nun also, als Rückkehrerin, dem Mutter-Kokon gerade entstiegen - und ein weiteres Mal in meinem Leben war das Erwachen eher unsanft. Denn es kam tatsächlich schlimmer. Mir gegenüber saßen zwei ratlose Personaldamen mit zwei noch ratloseren Gesichtern. Ich fragte mich, warum eigentlich, denn wäre es nicht ihr Job gewesen, mich als sinnvoll und gleichwertig einzusetzen? Das ist mein Recht, so sollte es sein. Dachte ich… denn da irrte ich gründlich – nicht, was die Rechtslage anging, doch angesichts dessen, was geschah: Nämlich gar nichts… Denn statt Antworten bekam ich nur Fragen: Aber was wollen Sie denn machen, in Teilzeit? …Da geht nur Teamassistenz… Ja, selbstverständlich, zwei Tarifgruppen tiefer… Wie das mit Ihrem Gehalt ist? … Naja, dann verdienen Sie halt erst einmal weniger – Hauptsache, der Job macht Spaß! – Meine Damen, vielen Dank für das Gespräch. Ich hätte gern über die Pointe gelacht, musste jedoch den Mund fest geschlossen halten, um nicht ganz laut " Scheisse !" zu schreien. ... Moment mal. Denkpause, bitte! ... Was war die Lösung? Wie kam ich zu einem ordentlichen Job? Durch eine Affäre mit dem Chef? Das hat nicht nur in diesem Unternehmen schon so manche steile Karriere ermöglicht. Der kleine Teufel auf meiner Schulter flüsterte mir schlimme Dinge ins Ohr. Und glauben Sie mir, hätten Sie wie ich ein paar Monate in dieser Abteilung verbracht, in die ich schließlich verbannt worden bin - Sie wären - wie ich - zu wirklich allem fähig gewesen! Und außerdem, naja – die meisten Chefs waren leichte Beute. Ich würde sagen, acht Punkte – von zehn. Verheiratet. Kinder. Zwischen Superstress und Ehefrust. Midlife-Crisis – und sehr attraktiv. Maximal erpressbar. Ich behaupte, selbst ihre Ehefrauen hatten alle bereits mindestens einen Lover, denn ihre Männer waren überall auf der Welt, aber wirklich so gut wie nie zuhause. Verzeiht mir, Schwestern! Ich war ein böses Mädchen. Aber laut denken darf man ja wohl! Und außerdem - wart Ihr schon mal so verzweifelt? Wie auch immer - das mit der Affäre war sowieso für mich nicht mehr drin - denn ich hatte keinen Chef mehr. Da rauben sie einem jahrelang fast allesamt den letzten Nerv, werden bisweilen auch eindeutig, nach dem einen oder anderen Glas Wein - und wenn man sie dann mal wirklich braucht, ist aber auch keiner von ihnen da! Außerdem, ich war keine zwanzig mehr – sondern fast vierzig. Auch fühlte ich mich mit einer Brust, auf welcher der Schriftzug „Milchbar“ noch nicht ganz verblasst war, irgendwie ganz wenig sexy. Davon abgesehen wollte ich nicht riskieren, dass mich einer bittet, mich doch schnell wieder anzuziehen - mit den Worten: „Schätzchen, sehe ich aus, als hätte ich es nötig, mit einer Vierzigjährigen zu schlafen?“ (Ja! Die sagen sowas!! … Ich kann nichts dafür! Allerdings, bei mir hätte das sicher keiner gewagt, denn schon mein Blick war zu allem entschlossen. Ich hätte ihn sicher mit meinem Still-BH erwürgt!)
Wie auch immer - so war es nun wohl: Alles hat seinen Preis. Und dies wäre nun mein Preis gewesen: Erst dick, dann degradiert. Die Gesetzeslage – Teilzeitanspruch, gleichwertiger Job, also gleiches Gehalt – schien niemanden zu interessieren. Da mir jedoch innerhalb der Elternzeit rechtlich die Hände gebunden waren, unterschrieb ich zähneknirschend einen befristeten Arbeitsvertrag, den ich beim Anblick der Gehaltssumme gerne mit der grünen Krokodil-Papierschere meiner Tochter zerkleinert und in der Toilette entsorgt hätte. Einerseits schade, dass ich es nicht getan habe - es hätte mir ein dreiviertel Jahr in der Teilzeit-Hölle erspart. Anderseits wäre ich auch um ein Stück nicht schöne, aber doch wertvolle Erfahrung ärmer gewesen. Denn nach diesen neun Monaten – in denen ich tatsächlich damit schwanger ging, dass ich dort unmöglich bleiben konnte - und endlosen, ergebnislosen Verhandlungen mit der Personalabteilung über meine Zukunft nach der Elternzeit war ich wirklich bereit für den Rechtsstreit.
Phase drei: Weiblicher Kleinkrieg
Die Begrüßung hätte nicht frostiger sein können in der „Abschiebehaft“ für degradierte und resignierte Teilzeitmütter – so nannte ich sie, die neue Abteilung, denn das war sie, nicht mehr und nicht weniger. Was mich zuletzt so kampflustig machte, war ein dreiviertel Jahr Kleinkrieg zwischen mehreren Degradierten und der herrschenden weiblichen Vollzeit-Zunft in der Abteilung, die einer Abschiebehaft für Teilzeitmütter näher kam als alles andere. Dabei waren die Regeln nicht klar, wer gegen wen oder warum, denn das konnte sich täglich ändern.
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