Was die Leute im alten Indien wohl sonst so getrieben haben, wenn sie aus Langeweile Sex hatten. Es kommt aber noch besser mit einem nahezu fantastischen Vergleich:
Es ist nicht an dem! Wenn auch bei der Töpferscheibe oder dem Brummkreisel die Zurüstung des Drehens eine gleichartige ist, so ist es doch ganz richtig, daß sie, in der Drehung begriffen, zu Anfang nur eine mäßige Geschwindigkeit zeigen und dann (erst) im weiteren Verlaufe den Höhepunkt der Schnelligkeit erreichen. Das Verlangen nach dem Aufhören entsteht infolge Mangels an Stoff. – So ist das also kein (stichhaltiger) Einwand.
Am Ende des Liebesgenusses empfinden die Männer Wollust, die Frauen aber ununterbrochen; und das Verlangen aufzuhören entsteht wegen des Mangels an Stoff.
Die Ejakulation ist der Höhepunkt beim Mann, danach ist nichts mehr zu machen. Schade, aber die Frau ist ja unentwegt geil und empfängt den Mann begeistert - ja, so wollten das die Brahmanen jeder Zeit.
Darum also muß man wie bei dem Manne, so auch bei der Frau das Kundwerden des Wollustgenusses ansehen.
Vielleicht ein verklärter Gesichtsausdruck? Setzt voraus, dass sich die Liebespartner dabei ansehen.
Denn wie könnte wohl bei Gleichheit der Art und wenn beide ein und dasselbe Ziel anstreben Verschiedenheit des Ergebnisses eintreten? (Vielleicht) infolge der Verschiedenheit der Mittel und der Verschiedenheit des Bewußtseins.
Ein Unding, er kommt und sie guckt in die Röhre …
Woher aber die Verschiedenheit der Mittel? Von Natur! Denn der Mann ist der aktive, die Frau der passive Teil. Der aktive Teil nämlich vollbringt eine andere Tat als das Objekt. Darum findet auch infolge der Verschiedenheit der Mittel von Natur eine Verschiedenheit des Bewußtseins statt: Der Mann empfindet Befriedigung, indem er denkt: »Ich will ganz auf sie bedacht sein«; die Frau, indem sie denkt: »Ich bin von ihm ganz erfaßt«. – So lehrt Vātsyāyana.
Ja, das mit der weiblichen Hörigkeit hatten wir schon, aber gut, dass Vātsyāyana das nun als seine eigene Erkenntnis ausgibt.
Hier könnte einer einwenden: »Warum soll es nicht eine Verschiedenheit des Resultates geben, wie es eine Verschiedenheit der Mittel gibt?« – Dem ist nicht so! Die Verschiedenheit der Mittel ist wohlbegründet: wegen der Verschiedenheit der Merkmale des aktiven und passiven Teiles; eine nicht begründete Verschiedenheit des Resultates aber wäre unangemessen, da kein Unterschied in der Art besteht.
Was macht der Hase in der Elefantenkuh? Das kann ja nichts geben. Wie gut, dass Vātsyāyana sagt: es geht schon, solange beide wissen, was sie tun.
Hier könnte einer einwenden: »Durch Vereinigung wird von dem Handelnden eine Sache vollendet: dagegen vollbringen jene beiden einzeln jeder seine Sache: (daher) ist das unrichtig!«
Das kennen wir nur zu gut. Jeder macht sein Ding, aber dank Vātsyāyana gibt es ein Happy End:
Dem ist nicht so! Man sieht auch, daß zu gleicher Zeit mehrere Dinge vollbracht werden: z. B. bei dem Anprall zweier Widder; dem Aneinanderwerfen zweier Holzäpfel; bei dem Kampfe zweier Ringer. Da ist kein Unterschied der Handelnden? Allerdings, aber hier ist auch kein Unterschied des realen Inhaltes! Oben heiß es: die Verschiedenheit der Mittel kommt von Natur: darum also erlangen alle beide ähnliche Wonne.
Da kein Unterschied der Gattung besteht, werden die beiden Gatten eine ähnliche Wonne empfinden; darum ist die Frau so zu bedienen, daß sie die Wollust zuerst erlangt.
Na, endlich mal etwas Nachvollziehbares. Wenn die Frau eigentlich später kommt, muss der Mann länger durchhalten, bis sie soweit ist. Das war damals gewiss schwieriger als heute, wenn sie nicht sagen durfte: 'ich komme gleich … ich bin kurz davor' um noch eine halbe Stunde zu brauchen.
Da die Ähnlichkeit bewiesen ist, so ergeben sich wie bei den Maßen auch rücksichtlich der Zeit neun Liebesgenüsse.
Genuß, Wollust, Liebe, Zuneigung, Leidenschaft, Aufregung und Vollendung sind die Synonyma von Wollust, Geschlechtliche Vereinigung, Koitus, Geheimnis, Beischlaf und Betäubung sind die Synonyma von Koitus.
Eine wirklich nützliche Zusammenfassung der Begriffe. Hier hätte man jetzt ein zwinkerndes Smilie für die Ironie setzen können. Wichtig ist aber, dass Vātsyāyana an dieser Stelle vorgreift, dass entgegen jeder Kritik alle Kombinationen von 'Größe' (wir erinnern uns, der Tiervergleich) zusammen funktionieren.
Da die nach Maß, Zeit und Zustand (Temperament) sich ergeben den geschlechtlichen Vereinigungen jede einzelne neunfach sind, so kann man bei einer Mischung derselben die Zahl der Liebesgenüsse nicht angeben, da sie außerordentlich groß ist.

Der Kommentar des Yaśodhara zählt an dieser Stelle zusammen - von wegen 'kann man nicht angeben' - matt, mäßig feurig und feurig, kombiniert mit schnell, mäßig schnell und langsam jeweils in drei Ausführungen (rein und vermischt: Gazelle, Stute oder Elefantenkuh) macht erstmal 27, aber der Gegenpart obliegt ja auch diesen Prinzipien, also 27 x 9 ergibt 243 'Liebesgenüsse'. Das Ganze nun wieder mal Drei, denn es gibt ja Hasen, Stiere und Hengste - so kommen wir auf die ominöse Zahl 729, die beim Überfliegen der mittelalterlichen Kommentare - anstatt zu lesen - als Anzahl der Stellungen fehlinterpretiert wird. Aber jetzt ging es nur um Maß, Zeit und Zustand, die Stellungen kommen erst noch.
Bei diesen wende man die Liebesbezeugungen nach Gutdünken an, lehrt Vātsyāyana.
Beim ersten Koitus zeigt der Mann feuriges Ungestüm und Schnelligkeit; das Umgekehrte bei den späteren; bei der Frau hinwiederum ist es gerade umgekehrt. Bis zur Erschöpfung des Stoffes. Vor der Erschöpfung des Stoffes der Frau tritt nach der gewöhnlichen Redeweise die des Mannes ein.
Die Frauen erlangen infolge ihrer Zartheit von Natur oder auch infolge der Reibung schnell Befriedigung. So lehren die Meister.
Der Satz 'so lehren die Meister' ist super - Frauen sind von Natur aus zart und Männer rammeln sich beim ersten Mal die Seele aus dem Leib ...
So weit nur ist die Lehre vom Liebesgenuß für die Geschickten angedeutet worden. Für die Belehrung der Unerfahrenen wird nun eine ausführliche Darstellung vorgetragen werden.
§ 7. Die Arten der Liebe.
Je nach der Beschäftigung und nach dem Selbstgefühle, ferner nach dem Vertrauen und den Gegenständen der Sinnenwelt reden die Kenner des Leitfadens von einer vierfachen Liebe.
Eine Liebe, die aus Worten usw. hervorgeht und durch die Beschäftigung mit Tätigkeiten gekennzeichnet ist, diese ist anzusehen als Liebe der Beschäftigung, zu Tätigkeiten wie z.B. der Jagd usw.
Eine Liebe sogar zu vorher nicht studierten Tätigkeiten, die nicht auf den Gegenständen beruht, sondern aus der Herzenswallung entsteht, diese ist die des Selbstgefühles.
Liest sich etwas trocken, gut, dass der Mann keine Drehbücher für die Filmindustrie schreibt.
Diese soll man bei dem Mund-Koitus des Eunuchen oder der Frau und bei diesen Küssen und jenen Handlungen, wie usw. erkennen.
Von den Kennern des Lehrbuches wird die Liebe eine Liebe des Vertrauens genannt, wobei es, bei einer fremden Ursache der Liebe, heißt: »Es ist kein anderer!«
Die sichtbare, in der Welt wohlbekannte Liebe ist die sinnliche, da sie mit den vorzüglichsten Früchten ausgestattet ist: und die anderen sind ihr untergeordnet.
Dafür haut er jetzt richtig emotional einen raus.
Indem man diese im Lehrbuche gekennzeichneten Arten von Liebe dem Lehrbuche gemäß überlegt, möge man die Art anwenden, wie sie sich gerade bietet.
Also mal sehen, wie man einen wegstecken kann. Das Leben war damals so einfach.
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