Finja merkte die unendliche Traurigkeit in den Augen der Bewohner Botanias. Auch Cosy erschauderte auf Finjas Schoß. „Warum habt ihr mich geholt, was kann ich für euch tun?“
„Finja, ich kann den Rosengarten nicht verlassen. Ich muss mich um die Vegetation in Botania kümmern, dafür muss ich den Stein der Liebe behüten. Alle Wesen Botanias sind in irgendeiner Weise von der magischen Kraft des Zauberbandes abhängig und solange es nicht wieder vollständig ist, werden unsere Kräfte immer weiter schwinden. Besonders die Rosenelfen und ich sind davon betroffen. Du liebst die Natur so sehr wie wir und wir wissen, du würdest alles dafür tun. Deswegen müssen wir dich bitten, dich gemeinsam mit Skender auf den Weg zu machen, um die Steine zurückzuholen. Es wird gefährlich Finja, aber du bist unsere einzige Chance.“ Mirella schloss ihre Erzählung und alle schauten Finja an.
„Meine Eltern werden mich vermissen.“
„Botania ist zeitlos, es ist nur einen Traum entfernt. Du bist wieder zu Hause, wenn Deine Eltern dich wecken“, sagte Skender und schaute das Mädchen flehend an.
Diese Augen, diese türkisblauen Augen, er sieht aus, als schaue ich in den Himmel. Finja durchzog ein Schauer, wie sie es noch nie bei dem Anblick eines Jungen erlebt hatte. Ist es das, was Lisa immer über Tom sagt? Aber Lisa war nicht da und Botania brauchte ihre Hilfe.
Finja lächelte. „Ja, ich werde es tun und euch helfen. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um die Steine zurückzubekommen. Lass uns aufbrechen, Skender, wir haben viel Arbeit vor uns.“ Zum Glück hatte sie ihre Lieblingslatzhose an und kein mit Rosen besticktes Kleid, was wahrscheinlich praktischer für die bevorstehenden Aufgaben war.
Die Elfen flatterten vor Freude auf Finjas Arm. Diesen zarten Wesen stand die Fröhlichkeit viel besser zu Gesicht als die Sorge, schon allein dafür würde es sich lohnen.
Die Hüterin der Rosen bedankte sich für die Zusage und bot Finja an, sich eine Nacht im Rosenturm zu erholen, um morgen mit Skender aufzubrechen.
Es wurde eine unruhige Nacht für Finja, doch an ihrem Entschluss änderte sich nichts.
8
Als Finja am nächsten Morgen erwachte, wurde sie zwar von Vogelgezwitscher geweckt und als sie aus ihrem Schlafgemach aus dem Fenster schaute, sah sie ein Meer aus blühenden Rosen, aber die Sonne, die man an so einem herrlichen Morgen erwartete, war nicht zu sehen. Neben ihr raschelte es im Korb. „Cosy, bist du auch schon wach? Ich glaube es ist noch gar nicht so spät.“ Finja schaute die alte Schildkröte mit großen Augen und mit Spannung an. Ob sie wohl auch mit ihr alleine sprechen konnte oder nur in Gegenwart der Elfen? Cosy schien heute nicht besonders gesprächig zu sein. Finja hatte sich gestern noch viel über Botania und seine Lebewesen erkundigt, sie wollte möglichst viel wissen, bevor sie diese Aufgabe antrat. Doch irgendwann sah sie, wie müde Mirella und ihre Begleiter wurden und zog sich zurück.
Cosy antwortete tatsächlich: „Es ist schon spät, ich glaube, wir sollten aufstehen. Es scheint mir jedoch so, als hätte die Sonne schon aufgehört zu scheinen. Haben sie nicht gesagt ein Stein ist auch der des ewigen Lichtes?“ Schildkröten waren wirklich sehr schlau.
„Du hast Recht, so langsam wird mir bewusst, welche Folgen das Fehlen der Steine hat. Meinst du, wir schaffen das alles? Ich bin doch erst vierzehn Jahre alt und soll Botania retten. Ich weiß nicht, ob sie mit mir wirklich die richtige Person ausgesucht haben.“
„Du zweifelst schon wieder an dir, Sternenkind. So wie damals, als du dir nicht sicher warst, ob du es schaffst den großen Blumengarten aufzuforsten. Aber du hast es gemeistert und es ist der Schönste weit und breit. Ich kenne niemanden, außer vielleicht deine Oma, der so viel Liebe zu den Pflanzen aufbringt wie du. Ich helfe dir.“
Ihre Schildkröte hatte wohl tatsächlich alles mitbekommen, was sie zu ihr gesagt hat und sie hatte es verstanden. Sie hatte ja recht, man muss einfach an seine Kräfte glauben und immer positiv denken, dann schafft man schon, was man sich vornimmt und dieses war eine wirklich wichtige Aufgabe. Sie war ja nicht allein, Cosy war bei ihr und Skender, in besonders wichtigen Fällen sollten auch die Rosenelfen ihre Kräfte mobilisieren und in Botania lebten noch viele Wesen, die ihnen wohlgesonnen sind: Waldelfen und Seetrolle, Steintrolle und Obstelfen, Knorzenweibchen und Nebelgeister … Von ihnen allen hatte Finja gestern Abend gehört und sie war wirklich gespannt darauf sie kennenzulernen. Aber sie hatte auch von all den gefährlichen Kräften gehört, doch daran wollte sie jetzt nicht mehr denken. Nein auf keinen Fall – Botania ich komme! Voller Mut sprang sie aus dem Bett, doch als sie ihre Latzhose anzog, spürte sie, wie sehr ihre Beine zitterten.
Im Speiseraum des Rosenturms gab es ein reichhaltiges Frühstück: Viele verschiedene Früchte, Kräutertees und Rosenblätterschorle, frisches Bärlauchbrot und selbst gemachter Ziegenkäse. Alles wurde aufgetragen von zarten Wesen die durch den Raum tanzten und eine Leichtigkeit versprühten.
„Das sind die Küchentänzerinnen, sie sind sehr fleißig und immer froh gelaunt. Nur leider ein bisschen dumm, sie verstehen nur einfache Worte und sie verstehen auch nichts von der Bedrohung Botanias. Das würden sie auch nicht verkraften, also zügle dich in ihrer Gegenwart. Lächle sie einfach nur freundlich an, sie haben es verdient“, flüsterte Skender ihr zu.
Die Hüterin des Rosengartens saß am Kopfende des großen roten Tisches. Sie war sehr schön, diesmal herrlich geschmückt mit gelben Rosen im Haar und einem Kleid das einem bunten Herbstbaum glich. Wenn man genauer hinsah, sah man jedoch die Ränder unter ihren Augen, auch sie hatte in dieser Nacht kaum geschlafen. Der Stein der Liebe leuchtete nur noch zart, er brauchte die Kraft der anderen Steine. Mirella hatte große Angst davor, dass Blanche und Noire Recht behielten und ihnen die Liebe ohne das andere nicht weiterhalf. Außerdem hatte sie in dieser Nacht Saphira gepflegt, ihr ging es sehr schlecht und sie hatte ständig Anfälle, solche die man in der menschlichen Welt Asthmaanfälle nennt. Sie bekam keine Luft und der Kummer ließ sie nur noch schwächer werden.
Nach dem Frühstück wollten sie losgehen und sich auf die Suche nch den Zaubersteinen machen. Skender und Finja nahmen große Rucksäcke mit, mit Proviant und Decken zum Schlafen. In Botania wuchs zwar jegliches Obst und Gemüse, aber niemand wusste wie lange noch und niemand wusste in welche dunklen Gefilde sie sich begeben mussten.
Die Hüterin des Rosengartens konnte ihnen nicht den uneingeschränkten Schutz gewähren. Ihr waren zwar die meisten Gegenden Botanias bekannt, aber an die wirklich gefährlichen Orte war sie nie gegangen und sie fürchtete, dass auch ihre Untertanen diese Orte mieden.
„Ihr müsst euch von eurem Instinkt leiten lassen. Ich denke, Blanche und Noire haben nicht alle vier Steine in ihren Dunkelgrotten versteckt. Ich vermute viel eher, dass sie an sehr gefährlichen und nur sehr schwer zugänglichen Orten versteckt werden. Die Lebewesen Botanias sind aufmerksam und werden euch bestimmt von außergewöhnlichen Orten und Beobachtungen erzählen.“ Mirella schloss ihren Bruder Skender und das Mädchen Finja in ihre Arme.
„Bitte sucht zuerst nach dem Stein des Atems. Saphira ist sehr schwach, ich hoffe damit geht es ihr etwas besser. Meine Boten vermuten den Stein in den Nebelfeldern.“
„Was ist mit dem Rosenstab? Wir können nicht alle Wege zu Fuß gehen. Dafür bräuchten wir in Botania Jahre.“ Skender blickte seine Schwester fragend an.
„Das Problem ist, das der Rosenstab sich weigert in gefährliche Gebiete zu fliegen, aber bis an ihren Rand könnt ihr mit ihm gelangen. Außerdem macht er schon mal schlapp, er ist nicht mehr der Jüngste.“
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