Inhalt
Der Karatehamster hebt ab! Der Karatehamster hebt ab!
Den Sinn des Lebens sucht man vergebens
Alles in Butter auf dem Kutter
Blaue Farbe auf der Nase – sieht doch super aus, der Hase
Alten Krempel brauch ich nicht, da mach ich lieber ein Gedicht
Lee merkt es auf der Stelle: Sein Polster hat ’ne Delle
Wir verfolgen die Vandalen, doch es endet nur mit Qualen
Wir sitzen in dem Doppeldecker und gehn uns schrecklich auf den Wecker
Kira tritt in Hundekot und Neo wird zum Bruchpilot
Ratespiele find ich fade. Lieber mache ich Karate!
Wenn ich ganz alleine bin, hat das Leben keinen Sinn
Ich denke an Geschenke
Ich hab’s gewusst: Es ist ein Verlust!
Kira knurrt der Magen und ich erkenn den Wagen
Viel Gezausel und Gezottel – was ist das denn für ein Trottel?
Ich werfe die Nuss, und mit der Bande ist Schluss
Will man uns trennen, müssen wir flennen
Der Karatehamster hebt ab!
Den Sinn des Lebens sucht man vergebens
Ich turnte gerade auf der Rutsche herum, als mir klar wurde, dass ich entsetzlich unter Langeweile litt. In den letzten vier Tagen war überhaupt nichts Aufregendes passiert. Ich hatte keinen diebischen Hund gefangen und an keinem Superhamster-Casting teilgenommen. Ich war nicht entführt worden und hatte keine toten Insekten aus der Hosentasche einer Trickbetrügerin geholt. All diese Abenteuer waren nur noch eine schöne Erinnerung. Aber Erinnerungen nützten mir so viel wie Köttel im Kompost. Ich brauchte dringend eine neue Herausforderung.
»He, ihr Luschis!«, rief ich und meinte damit meine beiden Kumpels Lee (gesprochen »Lieh«) und Chan (gesprochen »Tschann«), mit denen ich in einem riesigen Karnickelkäfig wohne, obwohl keiner von uns ein Langohr ist. Wir sind Goldhamster.
Unser Mensch heißt Kira. Sie ist ein sehr liebes, aber auch energisches Mädchen. Sie kann Karate und weigert sich standhaft, ihr Zimmer aufzuräumen. Ihr Schulfreund Jan ist mein Lieblingsmensch, denn er kann direkt in meine Hamsterseele blicken.
»He«, tönte ich weiter durch den Käfig. »Findet ihr nicht auch, dass endlich wieder etwas passieren müsste?«
»Stimmt«, sagte Chan. »Es müsste dringend etwas passieren. Zum Beispiel müsste Kira Futter nachfüllen. Ich sehe schon den Boden vom Napf durchschimmern.«
»Wenn die Zeit nicht vergehen würde«, sagte Lee nachdenklich, »dann könnten wir lange warten, bis etwas passiert.«
Er hockte auf dem mit Gel gefüllten Ruhepolster, das er nach unserem letzten Abenteuer geschenkt bekommen hatte. Seitdem plapperte er ständig solchen Unfug. Wahrscheinlich war aber nicht das Polster schuld, sondern eine Sendung über Buddhismus, die wir im Fernsehen gesehen hatten. Wir dachten erst, es ginge um Maulwürfe, aber dann hatte die Sendung überhaupt nichts mit Buddeln zu tun, sondern handelte von einer Religion, die ein dicker Mann namens Buddha gegründet hatte.
Seit wir die Sendung gesehen hatten, machte Lee sich keine Gedanken mehr über die schrecklichen Krankheiten, die er bekommen könnte, sondern nur noch über den Sinn des Lebens.
»Wenn die Zeit nicht vergehen würde«, gab ich patzig zurück, »hätte ich wenigstens keine Zeit, mich zu langweilen.«
Lee blieb ganz ruhig. »Wer den Sinn des Lebens gefunden hat, der kennt keine Langeweile.«
Innere Ruhe war jetzt seine Lebenseinstellung. Es machte mich ganz unruhig, ihm beim inneren Ruhigsein zuzusehen.
»Ich hab den Schinn desch Lebensch schon gefunden«, nuschelte Chan mit vollen Backen. »Eschen.«
»Der Sinn des Lebens muss von deiner Befindlichkeit unabhängig sein«, sagte Lee.
Chan schluckte den letzten Bissen hinunter und warf mir einen verwirrten Blick zu. »Ich bin doch gar nicht empfindlich, oder?«
»Lee meinte nicht Emp findlichkeit sondern Be findlichkeit«, sagte ich, obwohl ich keinen Schimmer hatte, was das bedeuten sollte. Fast wünschte ich mir den alten Lee zurück mit seinen Kreischanfällen und eingebildeten Krankheiten. Damals hatte ich wenigstens noch verstanden, wovon er faselte.
»Was ich meinte«, sagte Lee, immer noch die Ruhe selbst, »ist, dass der Sinn deines Lebens nicht davon abhängig sein darf, wie es dir geht. Stell dir vor, du bekämst ein Magengeschwür.«
Chan schüttelte sich entsetzt. »Ich weigere mich, mir so etwas Scheußliches vorzustellen.«
»Wenn du ein Magengeschwür hättest«, fuhr Lee ungerührt fort, »könntest du nur noch sehr wenig essen. Aber dein Leben müsste trotzdem einen Sinn haben.«
Damit war Chan heillos überfordert. »Dann esse ich eben jetzt auf Vorrat, damit ich etwas habe, wovon ich zehren kann, wenn mein Magen empfindlich wird.«
Lange Diskussionen ermüden mich. Ich trippelte zum Laufrad, um meine Muskeln wieder in Gang zu bringen. Mein Laufrad ist keins der üblichen, primitiven Dinger, die sich einfach nur drehen, wenn man darin läuft. Es ist ein Turbo-Hamsti mit eingebautem Widerstand.
»Und du«, sagte Lee zu mir, »du scheinst den Sinn in der Bewegung zu suchen. Was aber, wenn du dir eine Pfote brichst?«
Jetzt hatte ich genug. Ich sprang wieder aus dem Laufrad und baute mich drohend vor Lee auf. »Hör mal zu, du Möchtegern-Buddha. Was der Sinn deines Lebens ist, kann ich dir genau sagen: Krankheiten. Und weil du dir selbst keine mehr einbilden willst, denkst du dir jetzt für Chan und mich welche aus. Ganz toll. Wirklich super. Da kannst du mächtig stolz drauf sein. Soll ich mir für dich auch mal eine Krankheit ausdenken? Wie wär’s mit ›blaue Flecken, weil Neo mich getreten hat‹? Wenn du willst, fange ich gleich damit an.«
Lee blinzelte mich an und sagte betont langsam: »Kastration.«
Das war seine Geheimwaffe, die er gnadenlos und ohne Rücksicht auf meine Gefühle einsetzte. Ich war dagegen machtlos, denn er hatte leider recht. Immer wenn wir anfingen zu kämpfen, meinte Kira, sie müsste uns kastrieren lassen, damit wir wieder friedlich würden. Bisher hatten wir uns immer rechtzeitig wieder vertragen, und so war uns die Operation erspart geblieben. Schließlich wollten wir eines Tages kleine Hamster zeugen, am liebsten mit der hübschen Hamsterdame Mariechen, in die wir alle drei verliebt waren.
Um nicht als Verlierer aus der Unterhaltung hervorzugehen, behauptete ich: »Außerdem stimmt es gar nicht, dass Bewegung der Sinn meines Lebens ist.«
»Ach, und was ist es dann?«
Tja, was denn nur? Es musste etwas sein, womit ich Lee beeindrucken konnte. Da fiel mir ein, dass ich gerne reimte, einfach so zum Spaß. »Dichten«, sagte ich. »Da staunst du, was?«
Noch staunte er nicht. »Dann lass mal hören.«
Oje, wo nahm ich jetzt so schnell ein Gedicht her? »Mein liebster Mensch heißt Jan«, quasselte ich drauflos. »Das reimt sich glatt auf Chan.«
Chan hörte auf zu kauen und zwinkerte mir zu. Er mag es, wenn man an ihn denkt.
»Mein zweiter Freund heißt Lee«, machte ich weiter. »Das reimt sich auf Pipi.«
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