Nach dem der Computer das Spiel „Der Strategische Krieg“ hochgeladen hat, muss ich mich entscheiden, ob ich das alte Spiel zu Ende spielen möchte oder, ob ich ein Neues starten will.
Ein Moment später entscheide ich mich schließlich, das alte Spiel zu Ende zu spielen. Ich bin schließlich Kane. Und Kane gibt nie auf.
«Deine Niederlage wird schmachvoll sein und dein Held, der meinen Held zur Strecke brachte, wird dafür bluten.» sage ich an den Computer gerichtet.
Die Truppen stehen bereit. Es ist nur noch eine gegnerische Burg zu erobern. Nirgendwo sonst kann der Held des feindlichen Königreiches mehr hin. Einst herrschte ein Bündnis zwischen meinem und seinem Königreich. Aber er hat es gebrochen. Er hat in einem Akt von Feigheit meine Städte angegriffen. Hätte er das nicht gemacht, hätte ich ihn vielleicht am Leben gelassen. Aber nein. Er wollte Krieg. Obwohl ich so gütig zu ihm war. Ich habe immer unsere Grenzen respektiert. Meine Truppen zwei, drei Tage länger marschieren lassen, um unser Bündnis nicht zu gefährden. Aber er musste eine Stadt von mir angreifen und somit unser Bündnis brechen. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo er für seine Taten bezahlen muss. Auf seiner letzten Burg sind, außer seinem Haupthelden, nur noch vier Minotauren und ein Dämon übrig. Um die Burg herum steht eine Armee unter meinem Kommando, zusammengesetzt aus vier Bataillonen. Jedes Bataillon besteht aus acht Soldaten. Dazu zählt ein Bataillon berittener Soldaten, ein Bataillon Kriegselefanten, ein Bataillon Minotauren und ein Bataillon Bogenschützen .
«Dein Ende ist nun gekommen.» sage ich zum Computer. «Erst einmal werden die Bogenschützen angreifen. Danach die Kriegselefanten. Das soll erstmal genügen. Los, in den Kampf meine Bogenschützen.» erteile ich den Befehl zum Angriff.
Der Kampf beginnt verlustreich. Es fallen 4 Bogenschützen, bevor eine der gegnerischen Einheiten zu Boden fällt. Anschließend wendet sich das Blatt und die noch verbleibenden Bogenschützen vernichten alle feindlichen Truppen samt den Helden.
«So ein Betrug. Rein rechnerisch müssten meine Bogenschützen untergehen. Aber stattdessen schlagen diese wenigen einen weitaus stärkeren Gegner. Was sind das bloß für Pfeifen, die dieses Spiel programmiert haben.» kommentiere ich den Ausgang des Kampfes kopfschüttelnd.
Nach dem Sieg über den Computer ist es an der Zeit, sich meiner Zeichentrickserie zu widmen. Den Fernseher anmachend, lehne ich mich im Sofa zurück, die Beine hoch gelegt und schaue mir das Intro der galaktischen Vier an.
«Ach, ist das schön. Wenn es bloß immer so sein könnte!» sage ich.
Gegen drei Uhr nachmittags öffnet sich die Haustür und mein Vater kommt nach Hause. Zur selben Zeit geht auch meine Sendung langsam zu Ende. Kurz vor Schluss der Sendung taucht noch einmal, wie auch sonst, eine der Hauptfigur auf und erklärt den Zuschauern den Sinn der Folge.
«Heute, liebe Kinder, war das Thema der Sendung die Art und Weise, wie man mit den Aufgaben umgehen soll, die einem erteilt wurden. In der Sendung haben wir gesehen, dass, wenn man eine Aufgabe nicht richtig erledigt, diese im Nachhinein einem selber oder jemand anderem, der darauf angewiesen ist, schaden kann. Also denkt daran. Was immer ihr auch tut, tut es richtig!»
«Ja, du hast recht. Ich hätte das Königreich gleich unterwerfen sollen. Stattdessen habe ich mich hinter falschen Prinzipien versteckt und mein Held musste dafür sterben. Dass wird mir nicht noch einmal passieren.» verspreche ich mir selbst.
Der Fernsehvormittag dauert bis vier Uhr an. Das Klingeln an der Tür markiert das Ende eines entspannten Vormittages. Nun gilt es sich mit Frau Thal und meinen Eltern auseinanderzusetzen.
«Kommen Sie bitte rein, Frau Thal. Meine Eltern erwarten Sie schon bereits.» begrüße ich Frau Thal mit einem freundlichen Lächeln an der Tür.
Freundlich nickend tritt Frau Thal über die Türschwelle, zieht sich die Schuhe aus und begleitet mich ins Wohnzimmer, wo bereits meine Eltern mit Kaffee und Kuchen auf sie warten.
Das ist meine Mutter. Das ist ihr Leben. Immer bemüht, den Gästen das Gefühl vom Willkommen sein zu geben. Den halben Tag verbringt sie in der Küche. Backt einen Sahnekuchen, einen kleinen russischen Zupfkuchen sowie einen Käsekuchen. Dazu stellt sie eine Karaffe mit Saft, eine Kanne Kaffee und eine Kanne Tee auf. Bei diesem Anblick ist Frau Thal so überwältigt, dass ihr die Sprachlosigkeit im Gesicht geschrieben steht.
«Sie haben sich aber Mühe gegeben. Das ist ja sehr nett von Ihnen. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.» sagt Frau Thal, von dem ihr Dargebotenen erschlagen.
«Ach, das war nicht so viel Arbeit, wie es aussieht. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?» fragt meine Mutter freundlich lächelnd.
«Ja, gern.» antwortet Frau Thal, während sie auf der Couch Platz nimmt.
Immer das gleiche. Sobald sich Besuch ankündigt, dreht meine Mutter durch. Stets behauptet sie: „Ach, das war nicht so viel Arbeit“. Dabei ist der Schweiß literweise von ihr geflossen. Leicht kopfschüttelnd, setze ich mich ebenfalls auf die Couch und verfolge reserviert das sich vor mir abspielende Szenario.
Währenddessen fühlt meine Mutter den Kaffee in eine Tasse und reicht ihn an Frau Thal. «Bitte. Nehmen Sie sich ein Stück Kuchen!» fordert sie unseren Gast auf.
Nach einem Schluck Kaffee und dem ersten Stück Kuchen meldet sich Frau Thal zu Wort. «Der Kuchen ist wirklich lecker.»
«Ich hab den Kuchen in einer Zeitschrift gefunden und ich muss zugeben, ich war hin und weg, als ich ihn dort erblickt habe. Bei der nächsten Gelegenheit, nahm ich mir vor, diesen zu backen. Sie haben mir somit also einen Gefallen getan.» erwidert meine Mutter.
«Und wie schön Sie die Wohnung eingerichtet haben.» fährt Frau Thal fort.
Sie reden noch etwa eine halbe Stunde über Gott und die Welt, bis meine Lehrerin schließlich den eigentlichen Grund ihres Besuches anspricht.
Gott sei dank!
Nach dem Gesichtsausdruck meines Vaters zu urteilen, bin ich wohl nicht der einzige, der so denkt. Während der Unterhaltung hat mein Vater zwei Mal versucht, die Fernsehzeitung in die Hand zu nehmen, um das Abendprogramm durchzulesen. Ein strafender Seitenblick meiner Mutter ließ ihn jedoch immer zurückweichen.
«Der Grund meines Besuches, wie Sie schon vielleicht von Sven gehört haben, ist grade nicht so angenehm, wie ich mir das wünschen würde. Seit 1 ½ Jahren bin ich nun die Klassenlehrerin Ihres Sohnes. In dem letzten halben Jahr lässt jedoch Svens Benehmen und seine Leistung, erheblich zu wünschen übrig.»
«Inwiefern?» fragt mein Vater knapp.
«Nun, unter anderem…» beginnt Frau Thal, ihr ernstes Gesicht aufsetzend, «ist Sven im Unterricht ständig unkonzentriert. Auf die Rügen seiner Lehrer reagiert er äußerst aufbrausend und manchmal auch aggressiv.»
«Und das ist alles?» erwidert mein Vater, wobei er den zornigen Blick meiner Mutter erntet.
Bemüht die Situation zu retten, versucht mein Vater, an sein Gesagtes anzuknüpfen. «Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine, mein Sohn ist grade 13 Jahre alt und kommt langsam in die Pubertät. Da verhält man sich eben etwas anders.»
«Sie haben sicher Recht,» beginnt meine Lehrerin vorsichtig. «aber da liegt auch das Problem. Mit unkonzentriert meine ich nicht nur, dass Ihr Sohn durch Fehlverhalten den Unterricht stört. Das Problem vielmehr liegt darin, dass Ihr Sohn, während des Unterrichts, nicht geistig anwesend ist. Hinzu kommt, dass er ständig müde ist. Ein weiteres Problem ist, das Sven in diesem Halbjahr kein einziges Mal Hausaufgaben, die von den Lehrern aufgegeben wurden, erledigt hat.»
«Wie keine Hausaufgaben gemacht?» sagt mein Vater und schaut mich an.
«Ich mache mir wirklich Sorgen um Ihren Sohn. Irgendetwas ist mit ihm los. Ich weiß nicht was es ist, aber so kann es nicht weiter gehen. Bitte, ich möchte nicht, dass Sie den Grund meines Besuches falsch verstehen. Ich bin nicht hier, um Ihrem Sohn zu schaden. Es geht hier vielmehr um die Zukunft Ihres Sohnes. Und um die sieht es an der Schule grade nicht rosig aus.» beendet sie ihre Ansprache.
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