»Das Schwein von einem Sachsen liegt entweder im Dusel oder versteht mich nicht,« sagte er. »Weckt ihn mit Eurer Lanze, de Bracy,« fuhr er zu einem Ritter gewendet fort, der in seiner Nähe an der Spitze einer Schaar von Condottieri ritt. Es erhob sich ein Murren selbst unter den Begleitern des Prinzen Johann; aber de Bracy, dessen Beruf alle Bedenken in ihm beseitigte, streckte seine lange Lanze über den Raum aus, der die Gallerie von den Schranken trennte, und würde den Befehl des Prinzen ausgeführt haben, bevor Athelstane der Zage nur so viel Geistesgegenwart gewonnen hätte, um sich vor der Waffe zurückzuziehn, hätte nicht Cedric, der eben so entschlossen als sein Gefährte langsam war, mit Blitzesschnelle sein kurzes Schwert gezogen und mit einem einzigen Hiebe das Lanzeneisen vom Schafte getrennt. Das Blut schoß Johann ins Antlitz. Er stieß einen der schwersten Flüche aus und war im Begriff, eine ebenso heftige Drohung hinzuzufügen, als er zum Theil durch seine Umgebung die ihn dringend bat, ruhig zu sein, zum Theil auch durch den lauten Beifall des Volkes über Cedrics entschlossenes Benehmen von seinem Vorhaben abgebracht wurde. Zornig rollte Johann die Augen, als suchte er irgend ein sicheres und leichtes Schlachtopfer, und da er zufällig dem festen Auge des oben erwähnten Bogenschützen begegnete, der dem drohenden Blicke zum Trotze, den der Prinz auf ihn richtete, fortfuhr seinen Beifall zu bekunden, fragte er ihn, warum er so schreie?
»Ich rufe allemal Halloh mit,« sagte der Landsasse, »wenn ich einen wackern Schuß oder tapfern Streich gethan sehe.«
»Was Du sagst?« antwortete der Prinz grimmig, »da kannst Du wohl das Weiße selbst treffen, ich wette drauf.«
»Eines Waidmanns Ziel und auf Waidmanns Entfernung kann ich treffen,« antwortete der Landsasse.
»And Wate Tyrreles marcan at hundteontig stapas,« rief eine angelsächsische Brummstimme aus dem Hintergrunde, ohne daß man unterscheiden konnte, wer es war. – »Wat Tyrrels Ziel auf hundert Schritt,« übersetzte ein andrer Unbekannter dem Prinzen in reines Französisch. Diese Anspielung auf das Schicksal seines Großvaters Wilhelm Rufus erbitterte und beunruhigte den Prinzen zu gleicher Zeit. Er begnügte sich indeß, den Geharnischten, die die Schranken bewachten, zu befehlen, ein wachsames Auge auf den Prahlhans zu haben, indem er auf den Landsassen zeigte.
»Bei der heiligen Griseldis,« fügte er hinzu, »wir wollen seine eigne Kunst auf die Probe stellen, da er so bereitwillig die Heldenthaten andrer preist.«
»Ich werde mich vor der Probe nicht drücken,« sagte der Landsasse mit der ganzen Entschlossenheit, die sein Wesen kennzeichnete.
»Inzwischen rafft euch auf, ihr sächsischen Bauernkerle!« sagte der erhitzte Prinz; »denn beim Lichte des Himmels, da ich es einmal gesagt habe, so soll der Jude unter euch sitzen.«
»Keineswegs, wenn Ew. Gnaden verzeihn! Es paßt sich nicht für unser einen, bei den Herrschern des Landes zu sitzen,« sagte der Jude. In der That war des Juden Ehrgeiz wegen des Vortritts, wenn er ihn auch bestimmt hatte, mit dem verarmten Montdidier um den Platz zu streiten, nicht groß genug, um ihn anzustacheln, sich unter die reichen Angelsachsen einzudrängen.
»Hinauf, ungläubiger Hund, wenn ich es Dir befehle,« schrie der Prinz, »oder ich lasse Dir Dein gelbes Fell abziehn und zu Reitzeug gerben!« So gedrängt begann der Jude die steilen und schmalen Stufen zu ersteigen, die auf die Gallerie führten.
»Ich will doch sehn, wer es wagen wird, ihn aufzuhalten,« sagte der Prinz und richtete sein Auge auf Cedric, dessen Stellung die Absicht kundgab, den Juden kopfüber hinunterzuwerfen.
Die Katastrophe wurde durch den Narren Wamba verhindert, der schnell zwischen seinen Herrn und Isaak sprang, und als Antwort auf die Worte des Prinzen ausrief: »Wahrhaftig, das will ich!« In demselben Augenblick zog er einen geräucherten Schweineschinken unter seinem Mantel hervor und hielt ihn dem Juden unter die Nase. Offenbar hatte er sich mit diesem Leckerbissen versehen, um während der langen Zeit des Turniers seinen Appetit zu stillen. Zugleich schwang der Possenreißer sein hölzernes Schwert um seinen Kopf, und der Jude, von Abscheu und Schreck zugleich ergriffen, purzelte die Stufen hinab, – ein trefflicher Spaß für die Zuschauer, die ein schallendes Gelächter erhoben, in das der Prinz und seine Begleiter einstimmten.
»Erkenne mir den Siegespreis zu, Vetter Prinz,« sagte Wamba; »ich habe meinen Feind in ehrlichem Kampfe mit Schild und Schwert besiegt.« Dabei schwang er den Schinken in der einen und das Schwert in der andern Hand.
»Wer und was bist Du, edler Kämpfer?« sagte immer noch lachend der Prinz.
»Ein Narr nach dem Rechte der Descendenz,« antwortete der Spaßvogel. »Ich bin nämlich Wamba, der Sohn des Witzlos, der ein Sohn war des Hammelhirn, der da war der Sohn eines Rathsherrn.«
»Macht Platz für den Juden vorn im untern Kreise,« sagte Prinz Johann, vielleicht nicht gerade erzürnt, daß er eine Entschuldigung gefunden, um von seinem ersten Vorhaben abzustehn; »den Besiegten neben den Sieger zu stellen, hieße die Heraldik verkehren.«
»Den Schelm über den Narren setzen, wäre noch schlimmer; am ärgsten aber, den Juden über den Schweineschinken placiren.«
»Gramercy, guter Bursch,« rief Prinz Johann; »Du gefällst mir – hier, Isaak, leihe mir eine Hand voll Byzantiner.«
Der Jude war über diese Forderung bestürzt, aber zu furchtsam sie zu verweigern, und sie doch ungern erfüllend, suchte er lange in der pelzbesetzten Tasche, überlegend, wie viel wohl eine Hand voll ausmachen könnte. Doch der Prinz beugte sich vom Pferde, und machte Isaaks Unentschlossenheit ein Ende, indem er selbst ihm die Tasche von der Seite riß, Wamba einige Goldstücke daraus zuwarf und dann seinen Weg um die Schranken fortsetzte. So überließ er den Juden dem Hohn seiner Umgebung und erntete dazu so viel Beifall von den Zuschauern, als wenn er die ehrenhafteste und ritterlichste That vollbracht hätte.
Dann stößt der Forderer mit grimmem Trotze
In die Trommete; der Geforderte
Antwortet ihm; es dröhnen die Gefilde,
Des hohen Himmels Wölbung hallt es wieder.
Visiere zu, die Lanzen eingelegt,
Gerichtet auf des Feindes Helm und Helmbusch,
So sprengen von den Schranken beide fort
Und mindern rasch den Raum, der sie geschieden.
Palamon und Arcite.
In der Mitte seines Weges hielt Prinz Johann plötzlich an, wandte sich an den Prior von Jorvaulx und erklärte, das vorzüglichste Geschäft des Tages sei vergessen worden.
»Bei meiner Seligkeit, Herr Prior,« sagte er, »wir haben vergessen, die Herrin der Liebe und Schönheit zu ernennen, durch deren weiße Hand die Palme ertheilt werden soll. Ich meines Theils bin in meinen Ansichten freisinnig, und es soll mir gar nicht darauf ankommen, meine Stimme der schwarzäugigen Rebekka zu geben.«
»Heilige Jungfrau,« antwortete der Prior, indem er mit Entsetzen die Augen aufschlug, »einer Jüdin! Wir verdienten mit Steinen aus den Schranken gejagt zu werden, und ich bin noch nicht alt genug zum Märtyrer. Uebrigens schwöre ich bei meinem Schutzpatron, daß sie der liebenswürdigen Sächsin Rowena bei weitem nachsteht.«
»Sachse oder Jude,« antwortete der Prinz, »Sachse oder Jude, Hund oder Schwein, was ist da für ein Unterschied? Ich sage, ernennt Rebekka, und wäre es auch nur, um die Sachsenlümmel zu kränken.«
Ein Murren erhob sich jetzt sogar unter seinen nächsten Gefolgsleuten.
»Das geht über den Spaß, Mylord,« sagte de Bracy; »kein Ritter wird seine Lanze einlegen, wenn man einen solchen Schimpf beabsichtigt.«
»Es wäre das reine Uebermaß der Beleidigung,« sagte einer der ältesten und einflußreichsten Begleiter des Prinzen Johann, Waldemar von Fitzurse, »und wenn Ew. Hoheit dennoch den Versuch dazu machen, kann derselbe für Eure Pläne nur verderblich werden.«
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