„Ich würde sagen, ihr schlaft euch heute Nacht mal aus.“ Dabei warf Freddy einen Seitenblick auf Haydn, der sich daraufhin mit dem Mittelfinger die Nase rieb. „Ihr hattet schon länger keine zwei freien Abende mehr hintereinander, aber da ihr die nicht freien immer bis zum Exzess ausnützt, könntet ihr euch heute und morgen ausnahmsweise ein bisschen erholen.“ „Und was sagen wir, wenn man uns zu Hause fragt, was wir von Stockholm gesehen haben?“, hob Barclay Stewart, Bassist, die Hand. „Die Hotelbetten?“ „Vielleicht gibt es an der Rezeption passende Ansichtskarten“, feixte Bobby und die anderen lachten. „Dürfen wir uns wenigstens ein bisschen Gesellschaft holen?“, fragte Ian dann und zog an seiner Zigarette. Freddy seufzte und schlug seine Mappe zu. „Wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn ihr euch einmal anständig benehmen würdet?“ Ja, das wäre es. Freddy hatte schon als Jungspund in den Achtzigern mit Rockbands gearbeitet und die Jungs vor ihm füllten deren Fußstapfen sehr gut. Der Grund warum er bei ihnen blieb und sich bedingungslos um sie kümmerte war, dass sie ihn abgöttisch liebten und sie ihn letztlich immer am längeren Ast sitzen ließen.
„Also, ich hätte jetzt nichts gegen ein paar hübsche Mädchen einzuwenden.“ Haydn stützte sich auf Bobby und sie folgten den anderen aus dem Zimmer, um sich in der Stadt auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen. „Daran zweifelt niemand“, grinste der Schlagzeuger und schubste seinen Bandleader den Gang hinunter.
Sie fanden ein kleines Pub in der Hinterstraße, in die sie geflüchtet waren, nachdem sie dem Menschenauflauf vor dem Hotel entkommen waren. Gott sei Dank waren sie noch nicht so berühmt, dass sie nicht ein paar Ecken weiter nur mehr eine Gruppe Jungs waren, die zusammen den Nachmittag durchbrachten.
„Ich hab gelesen, dass die Skandinavier ihre Hauptgänge süßen und ihre Nachspeisen salzen“, schlug Thierry Carey, Kopf der Roadie-Truppe und persönlicher Freund der Band, die Speisekarte auf. „Du solltest nicht immer so viel lesen“, stieß ihn Barclay an und blätterte sich durch die Karte. „Aber hier kann ich schon mal gar nichts lesen. Was soll denn das für eine Sprache sein?“ „Schwedisch“, lachte der restliche Tisch unisono. „Ja ja“, zuckte Barclay nur die Schultern und sah auf. „Du, Cav, du kannst doch eine Sprache. Lies mal vor.“ Haydn zog die Augenbrauen hoch. „Ja, du hörst sie mich gerade sprechen.“ Wieder lachten alle und Barclay zeigte ihm die Zunge. „Ich meine doch so irgendwas Ähnliches wie Schwedisch.“ „Holländisch.“ „Ja, genau. Holländisch.“ „Hier steht’s doch auch auf Englisch.“ „Aber ich möchte mal hören, wie diese Sprache klingt.“ Haydn grinste und seufzte resignierend. „Okay... Aber auf eure Verantwortung.“ Er beugte sich über die Karte und versuchte dann, das Kauderwelsch vor ihm mit aufgesetztem Akzent auszusprechen, was den ganzen Tisch in erneutes Gelächter versetzte und die Aufmerksamkeit des Kellners auf sich zog, der dann doch besser Englisch sprach als Haydn Schwedisch.
Später am Abend waren sie alle brav auf dem Zimmer – auf Haydns, wenn man es so genau nehmen musste. Thierry hatte ihnen tatsächlich ein paar Mädchen organisiert und die Jungs jammten ein bisschen und gruben alte Klassiker aus, während die Mädchen kreischend und johlend durchs Zimmer tanzten und keinen Hehl daraus machten, dass sie zu haben waren. Hätte dieses Hotel bereits eine Passage in der Rockgeschichte, so würde diese nun eine Renaissance erleben.
Freddy hatte es aufgegeben zu versuchen, seine Jungs ins Bett zu stecken und saß in einer Ecke, eine Flasche Wein und eine Zigarre in der Hand und träumte davon, noch einmal so jung sein zu können, dass ihn die Mädchen beachten würden. Haydn hatte sein Hemd ausgezogen und hatte seine Hände unter dem Kleid des brünetten Mädchens mit einer Lederjacke und den Lammfellstiefeln im Spätsommer, während sie so eng tanzten, dass er ihre harten Nippel durch ihren BH an seiner Brust spürte. Sie hatte eine Stupsnase und grüne Augen und obwohl sie nicht das hübscheste Mädchen im Raum war, hatte Haydn sie sofort für sich beansprucht, nachdem sie eine Flasche Bier fast in einem Zug hinuntergestürzt hatte, obwohl ihr dabei der Schaum übers Kinn gelaufen war und sich danach seine Gitarre gegriffen hatte, um einfach mit Lafayette mitzuspielen, der Slades „Come on Feel the Noize“ angestimmt hatte. Nicht alle Akkorde waren richtig, aber sie lachte einfach darüber und alle anderen sangen lauthals mit, also hörte es niemand. „We get wild, wild, wild…“, ließ sie sich umfallen und sprang dann auf, um mit den anderen durchs Zimmer zu springen. Haydn liebte Frauen, die etwas Besonderes hatten. Dass sie offensichtlich nicht nur mitgekommen war, um mit einem Bandmitglied zu schlafen, sondern um ihren Spaß zu haben, fand er unglaublich attraktiv. Was nicht hieß, dass er nicht spürte, wie sie in seinen Armen sofort weich wie Butter wurde und nichts dagegen unternahm, dass er ihren BH unter ihrem Kleid öffnete und seine Zunge mit der ihren spielen ließ. Eine Hand lag auf ihrer Brust, die andere vergrub er in ihrem dicken Haar, während sie sich zur Musik von Led Zeppelin bewegten.
„Come on!“, flüsterte er an ihrem Ohr und griff nach ihrer Hand. „Was hast du vor?“, sahen ihn die grünen Augen an und er küsste sie erneut. „I’m gonna fuck you“, nahm er auch die zweite Hand und führte sie rückwärts aus dem Zimmer in den Flur hinaus. Dort drückte er sie an die Wand und küsste sie, dass keine Fragen offen blieben. „Nicht hier“, machte sie sich jedoch von ihm los und er öffnete eine Tür zu einem Zimmer. Den Schlüssel hatte er sich schon zu Beginn des Abends geborgt. Auf dem Bett setzte sie sich auf ihn und zog mit einer einzigen raschen Bewegung ihr Kleid über den Kopf. „Okay. Fuck me!“
„Das ist gut, Linn.“ Karla ließ die letzte Seite sinken und sah die junge Frau ihr gegenüber an. „Es ist allerdings nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt habe, da muss ich ganz ehrlich sein.“ Linneas Herz rutschte ihr bis zu den Knien und ihr wich alle Farbe aus dem Gesicht. Sie hatte ihr Herzblut in dieses Interview gesteckt. Das heißt, sie hatte sich wirklich und ehrlich bemüht, aus der Sache keine 08/15-Angelegenheit zu machen. Darin steckte alle Erfahrung, die sie hatte aufbieten können – und alle Zeit. Aber sie hatte eben keine Übung als Journalistin und schon gar keine mit Interviews, aber sie hatte sich gedacht, dass es Fragen waren, die sie gerne von einem Star beantwortet gehört hätte. Wozu sollte man sonst noch ein Interview geben, wenn man doch ständig immer nur dieselben Sätze zu hören und zu sagen bekam?
„Na, ich denke, es ist zwar nicht unbedingt ein Interview für eine Musikzeitschrift“, las Karla die Verzweiflung in ihrem Gesicht, „aber es hat durchaus Potential – und ich mag deinen Stil, einfach, geradeheraus. Vielleicht sollten wir ein bisschen auf Risiko spielen.“ Ihr Herz hievte sich wieder keuchend bis in die Magengegend. „Wenn du dich denn tatsächlich traust, mit dem Jungen so auf Tuchfühlung zu gehen.“ Verdammt! Wie hatte sie nur den größten Haken an der Sache vergessen können? Haydn Cavendish. Sie kannte ihn zwar nicht, aber sein Ruf war ihm mehr als vorausgeeilt und dieser besagte, dass Haydn Cavendish persönliche Fragen meist weder beantwortete, noch einen Hehl daraus machte, was er von ihnen hielt.
„Ist sie nicht eine großartige Chefin?“ Kristina ließ sich Linnea gegenüber in den Sitz fallen und blies sich die Haare aus der Stirn. „Sie hätte dich zumindest ein bisschen mehr aufbauen können.“ „Hey“, hob Linnea die Hand, „ich kann schon von Glück reden, dass sie mir das Interview nicht noch im letzten Moment weggenommen hat!“ Sie schob ihren Rucksack unter den Sitz und lehnte sich zurück. Der Zug rollte langsam an und die Gleise quietschten. „Immerhin hat sie Recht: Mit Musik hat es leider wirklich nicht viel zu tun.“ „Ach Papperlapapp!“, winkte Kristina ab. „Über ihre Musik liest man eh alle Daumen lang – dafür sind die Kritiker zuständig. Aber aus Haydn Cavendish etwas Privates rauszuquetschen, das ist die wahre Meisterleistung.“ „Dann muss ich das erst einmal schaffen.“ „Hey, du hast Charme, du hast ein gewinnendes Lächeln – und du hast einen Sturkopf. Er wird sich hüten, dir irgendwelche Probleme zu machen.“ Linnea grinste – und sie war fast gewillt, sich überzeugen zu lassen. „Möchtest du nicht als mein Bodyguard mitkommen?“ Doch Kristina schüttelte den Kopf, so reizvoll das Angebot für sie auch war. „Dafür hast du Oscar. Der ist der Beste in der Redaktion.“ „Aber für ein gutes Foto von Cavendish und seiner neuesten Eroberung würde er sich bestimmt auch nicht lumpen lassen.“
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