Walter Brendel
Werner Gladow
Werner Gladow
Walter Brendel
Der Al Capone von Berlin
Impressum
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Verlag: Das historische Buch, 2021
Mail: walterbrendel@mail.de
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Inhalt
Vorwort Vorwort Auch wenn ein Thema oder eine Figur schon x-Mal von anderen ver- und bearbeitet wurden, ist das für mich noch lange kein Grund, davon die Hände zu lassen. Die Gladow-Bande ist lebendige Berlin präziser gesagt, Friedrichshain-Geschichte: Gladow und viele seiner Kumpane haben nach 1945 im Kiez gewohnt, er selbst ging auf die Händel-Schule zwischen Frankfurter Allee und Boxhagener Straße, einen Teil ihrer Verbrechen verübten sie im Bezirk, sie rasten mit einem geklauten »Horch« durch den Stadtpark hier, amüsierten sich im »Schwarzen Adler«, einer Tanzkaschemme an der Ecke Frankfurter Allee/Gürtelstraße, und es gab im Samariterviertel die wüste Schießerei bei Gladows Verhaftung. Werner Gladow war alles andere als ein Robin Hood, der den Armen gab, sondern ein Schwerverbrecher, fast schon ein Terrorist nach heutiger Political Correctness … Klar, anfangs war die Gladow-Bande bei vielen Berlinern beliebt, weil sie schnell und trickreich waren, weil sie Polizisten entwaffnet hatten und sich die Wirren in der geteilten Stadt mit Währungsreform, Blockade und Luftbrücke zu Nutze machten. Aber nachdem es die ersten Toten gab, kippte die Stimmung fast in Lynchjustiz um, bis dann der Staat zurückschlug und ein Exempel statuierte. Deshalb geht es mir darum, die Mechanismen aufzuzeigen, wie jemand zum Kriminellen wird, die Psyche und Moral zu sezieren, wonach vor Brutalität und sogar Mord nicht zurückgeschreckt wird, das Gang-Verhalten zu untersuchen, wie man sich ein- und unterordnet oder gegenseitig hochschaukelt. Das sind weniger historische, sondern vielmehr aktuelle Fragen, wenn ich an heutige Jugendgangs in Marzahn oder Neukölln erinnern darf. Oder die Art, wie Gladow seine Leute unterrichtete: Sie verschlangen Gangster-Heftchen und sahen sich mit Vorliebe in den Westberliner Wanzenkinos Filme über Al Capone und John Dillinger an, um die Techniken zu studieren, wie man mit einer Waffe umgeht oder einen Überfall organisiert … Einige Vorbemerkungen scheinen unerlässlich zu sein, um sich mit der Stadt, der Rechtslage, der Polizei und seinen Bewohnern vertraut zu machen, welche sich um Werner Gladow zutrugen.
Historische Einleitung
Die Polizei in Berlin
Familienleben
Schwere Nachkriegszeit
Todesstrafe in Berlin
Das Vorbild
Die Gladow-Bande – Chicago in Berlin
Jugend und krimineller Aufstieg
Die Festnahme
Die Prozesse
Zusammenfassung
Quellen
Auch wenn ein Thema oder eine Figur schon x-Mal von anderen ver- und bearbeitet wurden, ist das für mich noch lange kein Grund, davon die Hände zu lassen.
Die Gladow-Bande ist lebendige Berlin präziser gesagt, Friedrichshain-Geschichte: Gladow und viele seiner Kumpane haben nach 1945 im Kiez gewohnt, er selbst ging auf die Händel-Schule zwischen Frankfurter Allee und Boxhagener Straße, einen Teil ihrer Verbrechen verübten sie im Bezirk, sie rasten mit einem geklauten »Horch« durch den Stadtpark hier, amüsierten sich im »Schwarzen Adler«, einer Tanzkaschemme an der Ecke Frankfurter Allee/Gürtelstraße, und es gab im Samariterviertel die wüste Schießerei bei Gladows Verhaftung.
Werner Gladow war alles andere als ein Robin Hood, der den Armen gab, sondern ein Schwerverbrecher, fast schon ein Terrorist nach heutiger Political Correctness …
Klar, anfangs war die Gladow-Bande bei vielen Berlinern beliebt, weil sie schnell und trickreich waren, weil sie Polizisten entwaffnet hatten und sich die Wirren in der geteilten Stadt mit Währungsreform, Blockade und Luftbrücke zu Nutze machten. Aber nachdem es die ersten Toten gab, kippte die Stimmung fast in Lynchjustiz um, bis dann der Staat zurückschlug und ein Exempel statuierte. Deshalb geht es mir darum, die Mechanismen aufzuzeigen, wie jemand zum Kriminellen wird, die Psyche und Moral zu sezieren, wonach vor Brutalität und sogar Mord nicht zurückgeschreckt wird, das Gang-Verhalten zu untersuchen, wie man sich ein- und unterordnet oder gegenseitig hochschaukelt. Das sind weniger historische, sondern vielmehr aktuelle Fragen, wenn ich an heutige Jugendgangs in Marzahn oder Neukölln erinnern darf.
Oder die Art, wie Gladow seine Leute unterrichtete: Sie verschlangen Gangster-Heftchen und sahen sich mit Vorliebe in den Westberliner Wanzenkinos Filme über Al Capone und John Dillinger an, um die Techniken zu studieren, wie man mit einer Waffe umgeht oder einen Überfall organisiert …
Einige Vorbemerkungen scheinen unerlässlich zu sein, um sich mit der Stadt, der Rechtslage, der Polizei und seinen Bewohnern vertraut zu machen, welche sich um Werner Gladow zutrugen.
Wann ein Mensch ein Verbrechen begeht oder sich durch ein Vergehen strafbar macht, scheint eine Angelegenheit des Zufalls zu sein. Aber das gilt nur für den Einzelnen, nicht für ein Volk. Die Zahl der Vergehen und Verbrechen, die in einem ganzen Land in einem bestimmten Zeitraum geschehen werden, lässt sich – in normalen Zeiten – mit hoher Sicherheit voraussagen. Die Statistik, über längere Zeiträume betrachtet, zeigt ganz deutlich, dass die Kriminalität bemerkenswert stabil ist. Das klingt überraschend, ist aber eine Tatsache. Die „Kriminalitätsziffer" der Verurteilten – die angibt, wie viele gerichtliche Verurteilungen auf je 100 000 Personen der strafmündigen Zivilbevölkerung entfallen – hat sich in Deutschland etwa von 1895 bis 1930 fast überhaupt nicht geändert, das heißt, sie schwankte stets um 1200, mit Ausnahme der Kriegsjahre, in denen sie erheblich niedriger, und der Nachkriegs- und Inflationsjahre, in denen sie erheblich höher war. Daraus ist zu ersehen, dass die langsamen Änderungen des Sozialgefüges, zum Beispiel die fortschreitende Industrialisierung, der steigende Anteil des Arbeiters am Sozialprodukt, das Anwachsen des Beamten- und Funktionärapparates, auf die Zahl der Verbrechen und Vergehen ohne Wirkung bleiben. Die Kriminalität muss also in tieferen Schichten wurzeln, wahrscheinlich in biologischen und in psychologischen. Man braucht nur zu bedenken, wie hart das Strafrecht und seine Handhabung in England sind, um sich die Frage vorzulegen, ob dort nicht eine viel höhere Kriminalität zu verzeichnen wäre, wenn man etwa in England das deutsche Strafrecht einführte.
Zu dieser – wenigstens bisher beobachteten – Unempfindlichkeit der Kriminalität für den soziologischen Entwicklungsprozess steht ihre Empfindlichkeit für plötzliche politische und soziale Erschütterungen in einem scharfen und bedrohlichen Gegensatz. Es wurde schon gesagt, dass Zusammenbruch und Inflation nach dem Ersten Weltkrieg zu einem sehr starken Ansteigen führten, die Kriminalitätsziffer stieg 1923, am Höhepunkt der Inflation, bis auf 1700, das heißt um etwa 50 Prozent an. Eine ganz ähnliche, noch bedenklichere Entwicklung ist 1945 eingetreten. Darüber gibt eine Schrift, "Die Kriminalität der Nachkriegszeit", von Dr. R. Jacobs Aufschluss. Jacobs stellt für die ersten Jahre nach dem Krieg eine „quantitativ und qualitativ besorgniserregende, eine soziale Gefahr darstellende Zunahme der Kriminalität" fest.
Sie ist statistisch schwer zu erfassen, weil die Gerichtsbarkeit nur zum Teil von deutschen Gerichten, zum anderen von alliierten Militärgerichten ausgeübt wurde, weil ferner eine steigende deutsche Kriminalität mit der der Ausländer (Fremdarbeiter) und mit der der Besatzungssoldaten zusammentraf.
Bedeutungsvoller als diese Hinweise auf das überholte Stadium der ersten Besatzungszeit und die Kriminalität der Fremdarbeiter und Besatzungssoldaten sind die Angaben über die Tendenz der Kriminalität der deutschen Bevölkerung.
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