Eine Hacke in der Hand und einen Jutesack für die Unkräuter über der Schulter, schickte sich Brachvogel gerade an, mit einem Trupp von Springlingen, die alle zum selben Acker befohlen waren, das Rund der Kündung zu verlassen, als sich ihnen eiligen Schrittes eine Schamanin näherte, die sich vor ihm aufbaute.
„Du bist Brachvogel aus der Frauschaft von Lignumera, der Holzfrau, geboren im elften Umlauf des fünfhundertachtundvierzigsten Umlaufzwölfts?“
Da es nicht erforderlich war, dass die Mannlinge um ihre Blutlinien wussten, kannten sie nicht den Zeitpunkt ihrer Empfängnis, sondern nur den ihrer Geburt.
Brachvogel nickte.
„Du bist in fünf Tagen zur Nacht der vollen Mondin, vier Stunden nach deren Aufgang zum Hort der Empfängnis bestellt, um einer Mutter Hilfe zu leisten, der Klave neues Leben zuzuführen. Du bist hiermit gehalten, in den kommenden Tagen deine Säfte zu sparen. Es ist dir bei Strafe untersagt, Hand an dich zu legen, um deinem Drang Genüge zu tun oder dich mit anderen Mannlingen zu vereinen.“
Brachvogel wusste nicht, wie ihm geschah und starrte die Schamanin nur an.
„Hast du verstanden?“
Sie hob die Stimme, als sei er taub.
„In fünf Tagen zur Nacht der vollen Mondin, vier Stunden nach deren Aufgang!“
Brachvogel nickte erneut und die Schamanin kehrte ihm die Schulter und schritt davon.
Der Auftritt war ihm hochnotpeinlich und ob der ungeschminkten Worte der Schamanin fühlte er, wie ihm die Schamröte ins Gesicht schoss und senkte seinen Blick zu Boden. Da ließ sich auch schon jemand aus der Gruppe der anderen Springlinge vernehmen:
„Na, du Mütterhürchen! Gerade mal Haare am Sack, aber schon dazu auserkoren, den Müttern beizuspringen, die Klave zu bevölkern. Hoffentlich weißt du auch, wie das zu bewerkstelligen ist und wo du dein Schwengelchen hinzustecken hast, Kleiner.“
Die Bestellung eines Zeugungsträgers war den anderen Mannlingen – und besonders den Entkeimten – immer Anlass, kübelweise Spott und Häme über den Betroffenen auszugießen und so musste Brachvogel auf dem Weg zum Acker noch manche Zote und Injurie über sich ergehen lassen. Und in der Tat konnte er sich mit seinen siebzehn Umlaufzwölfen nicht gerade rühmen, in diesen Dingen Bescheid zu wissen. Zwar war er just fraubar geworden, doch hatte er in keiner Weise damit gerechnet, schon so bald in den Hort der Empfängnis beordert zu werden.
Sein Verhältnis zur Geschlechtlichkeit war aufs Äußerste unausgegoren. Bis auf seinen Vertrauten Agror hatte er niemanden, mit dem er darüber reden konnte, und der behauptete von sich, keinerlei Trieb oder Drang zu verspüren. Doch das war beileibe nicht bei allen Entkeimten der Fall und Brachvogel wusste, dass sich viele Mannlinge gegenseitig mit Hand und Mund befriedigten oder sich ihren Hintereingang zu Verfügung stellten. Es sollte sogar etliche geben, die es mit Ziegen, Schafen oder anderen Tieren trieben. Da Brachvogel sich meistens abseits hielt und seinen Gedanken nachhing, hatte sich nie die Gelegenheit ergeben, mit anderen Mannlingen der Lust zu frönen und davon abgesehen, fühlte er sich auch in keiner Weise zu anderen seines Geschlechts hingezogen. Auch war nie eine entsprechende Offerte an ihn ergangen und ihm gnädigerweise das Los so manchen ansehnlichen Jünglings erspart geblieben, von anderen mit Gewalt genommen zu werden. Brachvogel focht, wie so viele Mannlinge, die den Trieb in sich verspürten, seine Geschlechtlichkeit allein mit sich selbst aus. Wenn es ihm gar nicht mehr gelingen wollte, sich dem unterschwelligen Raunen und Drängen der Stimmen seiner Lenden und seines ständig sich versteifenden Gliedes zu verschließen, ging er bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in den Wald und erlöste sich mit der Hand. Das war wie seine Notdurft zu verrichten und der Lust, die dabei in ihm aufkeimte, spürte er nicht weiter nach. Blieb ihm aber der Gang in den Wald verwehrt, begannen ihn verstörende Träume zu plagen, in denen sich aufreizend die Körper von Frauen unter ihm wanden und er erwachte so manchen Morgen mit von Samen durchtränkter Schambinde.
Tief in seinem innersten Begehren fühlte er, dass seine Geschlechtlichkeit etwas mit den Frauen zu tun hatte, doch schob er solche Gedanken und Gefühle stets ganz weit von sich. War er doch seit seiner Zeit in der Stätte der Aufzucht in dem Geist erzogen worden, dass die Frauen dem Mannling fernwartehoch überlegene, unnahbare Lenkerinnen waren, deren Weisungen zu folgen und denen zur Hand zu gehen die Bestimmung des Mannlings war. Kam es zu einer körperlichen Vereinigung zwischen Frau und Mannling, dann einzig und allein zu dem Behufe, für den Fortbestand der Klave zu sorgen, bei dem die Zeugungsträger unter den Mannlingen die werdenden Mütter, denen allein es gegeben war, neues Leben hervorzubringen, nach besten Kräften unterstützten.
Einmal davon abgesehen, dass sich hier Frau und Mannling beängstigend ungebührlich nahekamen, war die Aufgabe der Zeugungsträger doch im Grunde eine Dienstverrichtung wie alle anderen auch, die den Mannlingen abverlangt wurden, versuchte er sich einzureden. Aber auch, wenn er in sich so manches unbestimmte Vermögen verspürte, das über die üblichen Fähigkeiten eines Springlings horizontweit hinausging und er sich in keiner Weise so fühlte, als sei er den Frauen von Natur aus untertan, waren die Dinge doch nun einmal so, wie sie waren, und der Gedanke, sich körperlich mit einer Frau vereinen zu müssen, schreckte ihn zutiefst.
Dabei gab es wohl durchaus Mannlinge, die genau das um ihrer Lust willen getan hatten und immer, wenn wieder einmal ein Mannling spurlos verschwunden war, wurde ganz im Geheimen gemunkelt, er habe Zeugungsfrevel begangen und sich jenseits des Rituals der Empfängnis mit einer Frau eingelassen. Welche Rolle die Frau dabei eingenommen hatte, blieb stets im völlig Unbestimmten. Brachvogel wusste auch von Mannlingen, die im Kreise ihrer Vertrauten große Reden führten, wie geil es wohl wäre, einmal eine Frau zu stoßen. Doch schien ihm solch haltlose Prahlerei weniger in dem Wunsch nach einer verbotenen Lust begründet als in dem Bestreben, sich vor anderen groß zu tun und in einer Aggression zu schwelgen, die keinerlei Folgen nach sich ziehen würde.
Wie dem auch immer sein mochte, stürzte ihn die Nachricht, dass seine Dienste als Zeugungsträger gefordert waren, in tiefe Verwirrung und viel zu schnell war die Nacht der vollen Mondin herangekommen. Zur vierten Stunde machte er sich zaghaften und bangen Herzens auf. Zwar hatte er sich dringlich danach gesehnt, es möge etwas eintreten, die Eintönigkeit seiner Tage zu brechen, doch dass dies im Hort der Empfängnis geschehen würde, hatte er nicht gewärtigt. Seine Zeugungsträgerschaft war ihm nie Gegenstand eingehender Betrachtung gewesen und dass sie jetzt so jäh abgerufen wurde, mutete ihn zutiefst seltsam an. Er gehörte nicht zu denen, die ihre gefüllten Schambeutel mit Stolz trugen, ein gar gewaltig Gewese darum machten und sich als etwas Besseres dünkten als die entkeimten Mannlinge. Vielmehr befand er angesichts seiner gegenwärtigen Widerfahrnisse, dass die Dinge der Klave höchst absonderlich eingerichtet waren und beschloss zu ergründen, warum das so war und ob dies wirklich dem Einklang mit der Natur geschuldet war, den die Mütter stets ins Feld führten.
Über solchen Gedanken stieg er die Flanke der Fernwarte hinan, bis er schließlich vor dem gemauerten Rund des Hortes stand. Er mochte diesen Ort. Natürlich war er nie im Inneren der Stätte selbst gewesen, doch des Öfteren zu Ausbesserungsarbeiten an den Brunnen herangezogen worden. Aus diesen tiefen, sich senkrecht in die Erde ziehenden Spalten Wasser zu fördern und es schnurstracks in geradlinig verlaufenden hölzernen Rinnen in der Klave zu verteilen, erschien ihm folgerichtiger und deutlich wirksamer, als all den kreisförmigen, die Natur bewahrenden Umwegen zu folgen, denen sonst sämtlich die täglichen Arbeiten und Verrichtungen der Klave unterworfen waren.
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