Die archaischen Rollen der Geschlechter waren bisher eher zu vermuten als zu belegen. Archäologen und Anthropologen bewerteten die frühen Funde aus ihrem kulturellen Verständnis von einer naturgegebenen Männerdominanz.
Evolutionsbiologen nahmen lange an, dass sich diese Muskulatur zur Abwehr von Rivalen entwickelt hat. Die moderne Wissenschaft hat dies gründlich widerlegt. Frauen und Männer waren von Statur und Aufgaben her gleichwertig und die Frauen hatten eine Muskulatur, die heutigen Athletinnen gleichkommt. Bis zur Bronzezeit konnten keine Geschlechterhierarchien festgestellt werden. Selbst die den Männern zugeschriebenen Höhlenmalereien wurden, wie die Wissenschaft nachwies, auch von Frauen angefertigt. Es gibt nach gesicherten Erkenntnissen keinen Aspekt, der eine männliche Überlegenheit zulässt.
In unseren Betrachtungen sollten wir jetzt die umherziehenden Horden, die als Überlebens und Schicksalsgemeinschaft existierten von sesshaften existenziell gesicherten Menschengruppen trennen.
In idealen Lebensräumen mit ausreichender Ernährung gab es schon vor dem Ackerbau sesshafte Gruppen.
Durch die Verbreitung von Ackerbau und Viehdomestizierung etablierte sich die Sesshaftigkeit. Dadurch entstanden Freiräume für die Entwicklung von Kultur und Zivilisation. Ein Prozess der bis heute andauert und in dem Frauen systematisch dominiert wurden. Wieso ist das geschehen?
Dafür gibt es mehr als einen Erklärungsversuch. Möglicherweise ist die Bewachung der eigenen Gene biologisch verankert. In der nomadisch geprägten Horden- und Sippenkultur dürfte es keine besondere Rolle gespielt haben, welches Kind von welchem Vater war. Durch die Sesshaftigkeit gab es erstmals ein Erbe für die eigenen Nachkommen. Das führt aber nicht automatisch zu einer Geschlechterhierarchie.
Eine weitere Veränderung war die Ernährung.
Anthropologen fanden heraus, dass durch feinvermahlenes Getreide Kindernahrung hergestellt wurde, was die übliche Stillzeit von mehreren Jahren stark verkürzte. Dadurch wurden wesentlich mehr Schwangerschaften möglich, was Untersuchungen von weiblichen Beckenknochen bestätigten. Ein Umstand, der wahrscheinlich die Arbeitsteilung beeinflusste.
Möglicherweise führte das zu einer Rückentwicklung der weiblichen Muskulatur.
Entscheidender sind die klimatischen Schwankungen, deren Extreme zwischen 6‘200 und 6‘000 v. Chr. stattfanden. In dieser Periode schrumpfte die Ernährungsgrundlage. Knochenanalysen ergaben, dass Frauen damals kaum Fleisch assen, die Männer hingegen viel. Das hatte Auswirkungen auf Wachstum und Muskelbildung. Waren weibliche Skelette vorher durchaus mit den männlichen vergleichbar, so werden sie nun auffallend kleiner und ihre Muskulatur schwächer. Auch dieser Unterschied dürfte die Arbeitsteilung beeinflusst haben.
Der wesentlichste Aspekt scheint aber der Besitz zu sein. Fremder Wohlstand schafft Begehrlichkeiten. Das war die Geburtsstunde des Krieges, den es vorher nicht gab. Eine Theorie besagt, dass Männer durch ihre körperliche Stärke die kriegerischen Auseinandersetzungen bestritten.
Andererseits gibt es inzwischen gesicherte Hinweise aus späteren Epochen (Kelten, Wikinger, etc.) wo Frauen zu kriegerischen Ehren kamen.
Schlussendlich gibt es bis heute keine Beweise von patriarchalischen Gesellschaften der Frühzeit.
Die Ursachen einer geschlechterhierarchischen Dominanz der Männer müssen wir also später suchen.
Was völlig im Bereich der Vermutungen liegt ist die Entwicklung der intimen Besitzergreifung. Es gibt keinen wissenschaftlichen Weg um das zwischengeschlechtliche Verhalten von der Steinzeit bis hin zu den ersten schriftlichen Zeugnissen zu erforschen.
Schauen wir andere Spezies an, dann sehen wir sehr unterschiedliche Strategien um die eigenen Gene zu protegieren.
Die meisten sind für Menschen, die in grösseren Sozialverbänden leben untauglich. Kein anderes Männchen an das empfängnisbereite Weibchen lassen ist eine Sache, das Weibchen nicht an andere Männchen zu lassen, die andere. Da Männer ihr natürlich mitgegebenes Rivalitätsverhalten zugunsten des Kooperationsverhaltens überwinden mussten, hat sich unsere Gattung auf die Kontrolle der Frauen spezialisiert. Sobald Häuser, Räume und Türen erfunden waren, sperrte man mancherorts die Frauen einfach ein, was bis zum heutigen Tag sogar in den sogenannten zivilisierten Gesellschaften vorkommt.
Frauen wurden nach ihrem Nutzen beurteilt. War eine Frau nicht in der Lage schwanger zu werden (also die Gene des Mannes weiterzutragen), galt sie für die Männer als wertlos.
Bei den Bienen läuft das umgekehrt. Nach dem Jungfernflug der Königin hat sich der Nutzen von Bienendrohnen erschöpft. Sie bekommen keine Nahrung und sterben. Bei den Menschen bleiben sie oft eine lebenslange Belastung für die Frauen. Nicht nur das, je nach Kultur versuchen sie das Leben der Frauen so stark zu bestimmen, dass eine Dienstmagd mehr Freiheiten besitzt.
Schaut man den Vitalitätsprozess an, wird es völlig absurd. Frauen bewältigen mit Abstand den grössten und schwierigsten Teil der Fortpflanzung.
Wie wir inzwischen wissen belegen Skulpturenfunde, wie bereits in den archaischen Kulturen schwangere, also gebärende Frauen als Ursprung des Lebens verehrt wurden.
Bei bestehenden Naturvölkern sehen wir annähernd gleich leistungsfähige Frauen wie Männer. Durch Geburt und Kinderbetreuung sind sie jedoch ortsgebundener und beteiligen sich meist nicht an der Jagd. Dafür bewältigen sie den Ackerbau und die Verarbeitung der Nahrungsmittel. In der Bilanz beschaffen Frauen mehr Nahrungsmittel als Männer.
Von germanischen und vielen anderen Völkern ist bekannt, dass Frauen bei kriegerischen Auseinandersetzungen gleichwertige Kämpferinnen waren. Bleibt als männlicher Nutzen also die Befruchtung und die Jagd. Wobei wir davon ausgehen können, dass Frauen die kämpfen, auch in der Lage sind zu jagen.
Also doch nur die Befruchtung. Das ist gemessen an unserer Lebenserwartung ein kurzer und oftmals auch leider eher trivialer Vorgang.
Damit kommen wir zum eigentlichen Motiv für Dominanz, die Überwindung der eigenen Minderwertigkeit.
Wenn alle überlebensnotwendigen Dinge von Frauen bewältigt werden können, haben Männer nur eine Möglichkeit ihre Wichtigkeit zu bewahren – sie müssen die Frauen dominieren.
Ein entscheidender Schritt um das zu legitimieren war die Installation von Macht- und Entscheidungshierarchien. Als oberste Instanz solcher Hierarchien wurde ein selbstverständlich männlicher Gott kreiert. Voltaire drückt das sehr spitzfindig aus:
‚Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild, aber der Mensch hat es ihm heimgezahlt‘.
In den monotheistischen Religionen hält ein Gottvater in übergeordneter Allmacht alle universellen Kräfte und Geschicke zusammen. Er ‚diente‘ seit seiner Erschaffung als Vorbild für totalitäre politische Systeme und Machtansprüche in der Gesellschaft bis hin zum alles entscheidenden Familienvater.
Führungsansprüche und Machtgehabe treffen wir auch heute überall an. Es ist so verinnerlicht, dass quasi kein Machtvakuum entsteht wenn ein Leader ausgeschaltet wird. Sofort expandieren andere Menschen (überwiegend Männer) in diese Lücke. Nichts scheint in unserer Gesellschaft so verinnerlicht wie die Machtstrukturen. Auch wenn sich politische Systeme liberal geben, in den Positionen ist auch immer eine inhärente Macht.
Ein gesellschaftlicher Wandel im Machtverhalten dürfte der langwierigste, wenn nicht ein unmöglicher Prozess sein. Demokratische Systeme versuchen die Macht zu kontrollieren, die wirtschaftlichen Strukturen fördern das Gegenteil.
Macht galt lange als akzeptabel wenn sie durch Männer ausgeübt wurde. Obwohl sie ihnen langsam aus den Händen gleitet, wird dieses Drohnen-Privileg bis zum heutigen Tag zäh verteidigt.
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