Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,
Mit edelm Mut dem Schicksal widerstehen,
Das grimmig dir entgegenkämpft.
KARL in düstres Sinnen verloren.
Ist es nicht wahr?
Ein finster furchtbares Verhängnis waltet
Durch Valois' Geschlecht, es ist verworfen
Von Gott, der Mutter Lastertaten führten
Die Furien herein in dieses Haus,
Mein Vater lag im Wahnsinn zwanzig Jahre,
Drei ältre Brüder hat der Tod vor mir
Hinweggemäht, es ist des Himmels Schluß,
Das Haus des sechsten Karls soll untergehn.
SOREL.
In dir wird es sich neuverjüngt erheben!
Hab Glauben an dich selbst. – O! nicht umsonst
Hat dich ein gnädig Schicksal aufgespart
Von deinen Brüdern allen, dich den jüngsten
Gerufen auf den ungehofften Thron.
In deiner sanften Seele hat der Himmel
Den Arzt für alle Wunden sich bereitet,
Die der Parteien Wut dem Lande schlug.
Des Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen,
Mir sagts das Herz, den Frieden wirst du pflanzen,
Des Frankenreiches neuer Stifter sein.
KARL.
Nicht ich. Die rauhe sturmbewegte Zeit
Heischt einen kraftbegabtern Steuermann.
Ich hätt ein friedlich Volk beglücken können,
Ein wild empörtes kann ich nicht bezähmen,
Nicht mir die Herzen öffnen mit dem Schwert,
Die sich entfremdet mir in Haß verschließen.
SOREL.
Verblendet ist das Volk, ein Wahn betäubt es,
Doch dieser Taumel wird vorübergehn,
Erwachen wird, nicht fern mehr ist der Tag,
Die Liebe zu dem angestammten König,
Die tief gepflanzt ist in des Franken Brust,
Der alte Haß, die Eifersucht erwachen,
Die beide Völker ewig feindlich trennt;
Den stolzen Sieger stürzt sein eignes Glück.
Darum verlasse nicht mit Übereilung
Den Kampfplatz, ring um jeden Fußbreit Erde,
Wie deine eigne Brust verteidige
Dies Orleans! Laß alle Fähren lieber
Versenken, alle Brücken niederbrennen,
Die über diese Scheide deines Reichs,
Das stygsche Wasser der Loire dich führen.
KARL.
Was ich vermocht, hab ich getan. Ich habe
Mich dargestellt zum ritterlichen Kampf
Um meine Krone. – Man verweigert ihn.
Umsonst verschwend ich meines Volkes Leben,
Und meine Städte sinken in den Staub.
Soll ich gleich jener unnatürlichen Mutter
Mein Kind zerteilen lassen mit dem Schwert?
Nein, daß es lebe, will ich ihm entsagen.
DUNOIS.
Wie Sire? Ist das die Sprache eines Königs?
Gibt man so eine Krone auf? Es setzt
Der Schlechtste deines Volkes Gut und Blut
An seine Meinung, seinen Haß und Liebe,
Partei wird alles, wenn das blutge Zeichen
Des Bürgerkrieges ausgehangen ist.
Der Ackersmann verläßt den Pflug, das Weib
Den Rocken, Kinder, Greise waffnen sich,
Der Bürger zündet seine Stadt, der Landmann
Mit eignen Händen seine Saaten an,
Um dir zu schaden oder wohlzutun
Und seines Herzens Wollen zu behaupten.
Nichts schont er selber und erwartet sich
Nicht Schonung, wenn die Ehre ruft, wenn er
Für seine Götter oder Götzen kämpft.
Drum weg mit diesem weichlichen Mitleiden,
Das einer Königsbrust nicht ziemt. – Laß du
Den Krieg ausrasen, wie er angefangen,
Du hast ihn nicht leichtsinnig selbst entflammt.
Für seinen König muß das Volk sich opfern,
Das ist das Schicksal und Gesetz der Welt.
Der Franke weiß es nicht und wills nicht anders.
Nichtswürdig ist die Nation, die nicht
Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre.
KARL zu den Ratsherren.
Erwartet keinen anderen Bescheid.
Gott schütz euch. Ich kann nicht mehr.
DUNOIS.
Nun so kehre
Der Siegesgott auf ewig dir den Rücken.
Wie du dem väterlichen Reich. Du hast
Dich selbst verlassen, so verlaß ich dich.
Nicht Englands und Burgunds vereinte Macht,
Dich stürzt der eigne Kleinmut von dem Thron.
Die Könige Frankreichs sind geborne Helden,
Du aber bist unkriegerisch gezeugt.
Zu den Ratsherren.
Der König gibt euch auf. Ich aber will
In Orleans, meines Vaters Stadt, mich werfen,
Und unter ihren Trümmern mich begraben.
Er will gehen. Agnes Sorel hält ihn auf.
SOREL zum König.
O laß ihn nicht im Zorne von dir gehn!
Sein Mund spricht rauhe Worte, doch sein Herz
Ist treu wie Gold, es ist derselbe doch,
Der warm dich liebt und oft für dich geblutet.
Kommt, Dunois! Gesteht, daß Euch die Hitze
Des edeln Zorns zu weit geführt – Du aber
Verzeih dem treuen Freund die heftge Rede!
O kommt, kommt! Laßt mich eure Herzen schnell
Vereinigen, eh sich der rasche Zorn
Unlöschbar, der verderbliche, entflammt!
Dunois fixiert den König und scheint eine Antwort zu erwarten.
KARL zu Du Chatel.
Wir gehen über die Loire. Laß mein
Gerät zu Schiffe bringen!
DUNOIS schnell zur Sorel.
Lebet wohl!
Wendet sich schnell und geht, Ratsherren folgen.
SOREL ringt verzweiflungsvoll die Hände.
O wenn er geht, so sind wir ganz verlassen!
– Folgt ihm, La Hire. O sucht ihn zu begütgen.
La Hire geht ab.
Karl. Sorel. Du Chatel.
KARL.
Ist denn die Krone ein so einzig Gut?
Ist es so bitter schwer, davon zu scheiden?
Ich kenne was noch schwerer sich erträgt.
Von diesen trotzig herrischen Gemütern
Sich meistern lassen, von der Gnade leben
Hochsinnig eigenwilliger Vasallen,
Das ist das Harte für ein edles Herz,
Und bittrer als dem Schicksal unterliegen!
Zu Du Chatel, der noch zaudert.
Tu was ich dir befohlen!
DU CHATEL wirft sich zu seinen Füßen.
O mein König!
KARL.
Es ist beschlossen. Keine Worte weiter!
DU CHATEL.
Mach Frieden mit dem Herzog von Burgund,
Sonst seh ich keine Rettung mehr für dich.
KARL.
Du rätst mir dieses, und dein Blut ist es,
Womit ich diesen Frieden soll versiegeln?
DU CHATEL.
Hier ist mein Haupt. Ich hab es oft für dich
Gewagt in Schlachten und ich leg es jetzt
Für dich mit Freuden auf das Blutgerüste.
Befriedige den Herzog. Überliefre mich
Der ganzen Strenge seines Zorns und laß
Mein fließend Blut den alten Haß versöhnen!
KARL blickt ihn eine Zeitlang gerührt und schweigend an.
Ist es denn wahr? Steht es so schlimm mit mir,
Daß meine Freunde, die mein Herz durchschauen,
Den Weg der Schande mir zur Rettung zeigen?
Ja, jetzt erkenn ich meinen tiefen Fall,
Denn das Vertraun ist hin auf meine Ehre.
DU CHATEL.
Bedenk –
KARL.
Kein Wort mehr! Bringe mich nicht auf!
Müßt ich zehn Reiche mit dem Rücken schauen,
Ich rette mich nicht mit des Freundes Leben.
– Tu was ich dir befohlen. Geh und laß
Mein Heergerät einschiffen.
DU CHATEL.
Es wird schnell
Getan sein.
Steht auf und geht, Agnes Sorel weint heftig.
Karl und Agnes Sorel.
KARL ihre Hand fassend.
Sei nicht traurig, meine Agnes.
Auch jenseits der Loire liegt noch ein Frankreich,
Wir gehen in ein glücklicheres Land.
Da lacht ein milder niebewölkter Himmel
Und leichtre Lüfte wehn, und sanftre Sitten
Empfangen uns, da wohnen die Gesänge
Und schöner blüht das Leben und die Liebe.
SOREL.
O muß ich diesen Tag des Jammers schauen!
Der König muß in die Verbannung gehn,
Der Sohn auswandern aus des Vaters Hause
Und seine Wiege mit dem Rücken schauen.
O angenehmes Land, das wir verlassen,
Nie werden wir dich freudig mehr betreten.
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