»Dann kritisiere mich nicht.«
Ich stieß einen gut hörbaren Seufzer aus. »Das ist aber Fakt! Du bist zierlicher. Deshalb kommst du mit der Glock super zurecht. Wenn jedoch ein Mann mit einer vernünftigen Körpergröße … sagen wir einmal über die eins achtzig – ein solches Ding in die Hand nimmt, ist sie verschwunden und die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger mit ziemlicher Sicherheit weggerissen.«
Dan krauste die Stirn. »Dann sollen sich diese Adonise doch eine CZ besorgen.«
»Und damit wären wir wieder beim eigentlichen Thema: Ich will endlich meine eigene Waffe benutzen!«
Er griff nach seiner auf der Garderobe hängenden Jacke. »Deine Wilson?«
Ich nickte. »Ja. Sie liegt super in der Hand.«
»Kostet aber auch eine Stange.«
Die Schulter zuckend zog ich mir meine Lederjacke über und steuerte die Tür an. »Dafür steht sie für Qualität.«
»Hey! Warte Mal!«
Ich drehte mich zu ihm um.
»Was ist mit der Zielscheibe?«
»Die wechselst du aus.«
»Du hast mich aber beleidigt«, gab er angenervt zurück.
»Und du hast damit angefangen. Außerdem muss ich heute pünktlich zu Hause sein.«
Verdruss wich Verständnis. »Ach ja, dein erster Urlaub seit …?«
»Seitdem ich zum Arbeiten angefangen habe«, beendete ich seinen Satz. »Morgen um diese Zeit stecke ich die Füße in den weißen Sand und schlürfe irgendwelche Sundowner.«
Mein Kollege seufzte. »Das erinnert mich an meine Flitterwochen.«
O Gott!
Jetzt fing er neuerlich mit diesem romantischen Gesülze an!
Ehe ich ihm etwas Schnippisches an den Kopf werfen konnte, härtete sich seine Miene. »Evina.«
»Ja?«
»Du weißt bestimmt noch, was du über einen Partner gesagt hast, oder?«
»Wie … was?« Ich runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
»Tu nicht so! Du sagtest zu mir, wenn du jemanden triffst, bei dem du dir hundertprozentig sicher bist, lässt du diesen Mann nie mehr los.«
O Mann …
Ja, das hatte ich ihm einmal in einer meiner seltenen schwachen Stunden meines Lebens erzählt – nämlich nach drei Gläsern Whiskey, um genau zu sein.
»Worauf willst du hinaus?«
»Du hast das ernst gemeint … also lass dich dann auch echt darauf ein.«
Ich drehte mich einmal im Kreis. »Bisher habe ich niemanden gefunden. Oder siehst du hier jemanden, der zu mir passt?«
Seine Lippen formten ein breites Grinsen. »Nun, vielleicht im Urlaub?«
»Ja, sicher. Ganz bestimmt!« Kopfschüttelnd drückte ich die Türschnalle hinunter.
»Na, ist schon gut«, entgegnete Dan kichernd. »Schönen Urlaub. Und bring mir irgendetwas mit.«
Zum Abschied warf ich ihm mein glückseligstes Lächeln hin – und er rief mir schnell zu: »Wenn du einen alleinstehenden Mann auf diese Weise anlächelst, kannst du dir sicher sein, von demjenigen sofort geheiratet zu werden.«
Auf diesen Schwachsinn erwiderte ich erst gar nichts mehr, sondern tat das einzig Richtige: Ich eilte zu meinem Spind.
Die Malediven.
Wie lange hatte ich für diesen Urlaub gespart?
Jahre. Ernsthaft. Jahre.
Und nun war es endlich so weit! In zwei Stunden ging mein Flug. Meine Koffer gepackt hatte ich bereits gestern. Jetzt musste ich bloß vernünftig essen, mich kurz runterduschen, das Handgepäck zurechtlegen – und es konnte losgehen.
Die schwarze Tasche umgehängt und mich bei den restlichen Kollegen verabschiedet, die sich bezüglich mangelnder Arbeit im Kaffeezimmer eine kleine Pause genehmigten, trat ich aus dem weiß gestrichenen Gebäude – und atmete die kalte Januarluft tief ein.
Sie roch metallisch und schwer.
Die Nacht hatte sich längst über das Land gelegt. Sterne sah ich bedauerlicherweise keine. Diese wurden von dichten Schneewolken verdeckt. Das aufgeregte Bellen eines in der Nachbarschaft wohnenden Hundes wurde zum Teil vom Lärm der überdurchschnittlich viel befahrenen, aber einzigen Hauptstraße dieses langweiligen Kaffs verschluckt.
Eine Welle Vorfreude verdrängte meinen restlichen Frust und brachte meine Beine in Bewegung.
Fünf Tage Sommer, Sonne, Strand und Meer.
Und erst die daraus resultierenden Urlaubsfotos! Wie sehr freute ich mich, das kristallklare Wasser, den weißen Sandstrand und die kleinen ins Meer gebauten Bungalows zu fotografieren!
Ich öffnete meinen Wagen, einen schwarzen Honda Civic aus Neunzehnhundertsechsundneunzig, warf die Tasche auf den Beifahrersitz und startete den laufruhigen 1,6 Liter Ottomotor.
Nahezu geräuschlos fuhr ich aus der Einfahrt Richtung Bank.
Ich brauchte etwas Bargeld. Zwar würde ich auf der Insel überwiegend mit Kreditkarte bezahlen, darüber hinaus hatte ich vor zwei Tagen fünfhundert Euro in Dollar umwechseln lassen. Angesichts Murphys Gesetz wollte ich dennoch keine Risiken eingehen und einen Notgroschen in der eigenen Währung dabei haben.
Womöglich verlor ich meine Kreditkarte, oder sie wurde kaputt. Vielleicht musste ich sogar eine Übernachtung aufgrund unerwarteter Wetterturbulenzen in Wien oder Deutschland in Kauf nehmen. Im Januar stellten Schneestürme und Kälteeinbrüche schließlich keine Seltenheit dar.
Sicher war sicher. Im Leben musste man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein – speziell in meinem Job.
Ich parkte neben der Filiale und stieg aus.
Fühlte sich der Sandstrand auf den Malediven genauso an wie in Italien? War er grober, feiner, fester, leichter?
Mit meiner Brieftasche in den Händen betrat ich das Geldinstitut.
Ein fünfundzwanzigjähriger schwarzhaariger und äußerst fleißiger Bankangestellter Namens Sandro grüßte mich fröhlich.
Er schob wohl wieder Überstunden.
Braver Junge.
Er war der Einzige der Bank-Sippe, welcher beinahe jeden Tag bis spät in die Nacht schuftete.
»Sag mir mal, Sandro …« Ich schob die Bankkarte in den Geldautomaten. »Wie gelingt es dir eigentlich, ständig so gut drauf zu sein und trotzdem dermaßen viel zu arbeiten?«
»Ich hab eine nette Freundin.«
Ich atmete hörbar aus.
Was hatte alle Welt mit diesem Beziehungsscheiß?
Ich musste froh sein, alleine zu leben. Kein Stress, keine Putzerei, kein Wäschewaschen, kein Fremdgehen …
O ja! Und keine üblen Launen, die durch die männliche Ansicht entstand, ich würde nie Lust auf Sex haben.
»Mir können Männer gestohlen bleiben!« Ich tippte den Code ein. »Alleine lebt es sich bedeutend leichter.«
»Wenn du den Richtigen triffst«, kam es schlagfertig zurück. »Wirst du deine Meinung ändern, glaub’s mir.«
Und mir wurde es neuerlich übel, zudem begann mein Schädel zu brummen.
Hatten heutzutage allesamt die Weisheit mit Löffeln gefressen, oder was?
»Ich bleibe alleine. Das kannst du mir glauben.« Ich wählte fünfhundert Euro an und das Gerät begann zu arbeiten. Nach einigen Sekunden wurden fünf Einhunderter-Scheine aus einem kleinen unter dem Bildschirm befindlichen Schlitz herausgeschoben.
»Und, wann fliegst du weg?«
Ich steckte das Geld in die Brieftasche und blickte zu dem hoffnungsfrohen Romeo. »Noch heute.«
Er warf mir ein breites Lächeln zu. »Na, dann wünsche ich dir viel Spaß und Erholung … Und vielleicht triffst du dort ja jemanden.«
Innerlich schnitt ich eine Grimasse.
Es wurde schlimmer und schlimmer …
»Ich treffe gar keinen. Dafür werde ich schon sorgen!«
Sein Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Du wirst dich echt nie ändern.«
»Natürlich nicht. Was hast du denn erwartet?«
»Einen Sinneswandel.« Sein Unverständnis drückte er durch ein nahezu unmerkliches Kopfschütteln aus. »Man kann nicht ewig alleine bleiben.«
»Ich bin zweiunddreißig!«, gab ich schroff zurück und trat zum Tresen. »Nicht sechzig! … Ich bin keine alte Oma. Außerdem fehlen dir über zehn Jahre Lebenserfahrung, um derlei Meldungen zu schieben. Deshalb glaub mir, wenn ich dir sage: Man kann lediglich alleine glücklich werden.«
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