1 ...8 9 10 12 13 14 ...30 Es stimmte zwar, in seiner Sturm- und Drangphase hatte er nichts anbrennen lassen – wahrhaftig gar nichts. Eines hatte und würde er jedoch niemals tun: Seine Partnerin betrügen. War er in einer Beziehung, gab es keine anderen Frauen. Punkt. Das hatte schlichtweg etwas mit Respekt und Anstand zu tun.
Ginge es ihm um reinen Sex, ließe er sich schließlich erst gar nicht auf eine Beziehung ein. Dann lebte er wie jetzt: frei und ungebunden.
»Ich werde Ihnen die restlichen Bescheide per Mail zukommen lassen«, riss der Botschafter ihn aus seinen Gedanken.
Nun, wie auch immer. Was geschehen war, war geschehen. Jetzt genoss er sein Leben. Und wie! Jeden Tag eine andere Frau … Alleine in Dubai musste er ernsthaft aufpassen. Die Gepflogenheiten dieses Landes waren ihm einfach noch zu unbekannt.
Zugegebenermaßen hatte sein Kollege John ihm vor der Kulisse nackt tanzender Weiber und zwischen einigen wohlschmeckenden Whiskeys einen kurzen Überblick verschafft. Bedauerlicherweise war ihm von diesem Briefing nichts in Erinnerungen geblieben, außer ein paar arabische Beleidigungen und das sexy Dekolleté einer rassigen Brasilianerin.
Aber wer konnte auch ahnen, dass er ein zweites Mal hierher beordert werden würde? Zu seinen Aufgabengebieten zählten üblicherweise die USA und Europa.
»Ja, ich werde es ihm ausrichten.«
Theo richtete seine Aufmerksamkeit zurück zum Botschafter, der noch ein paar Mal nickte, ehe dieser endlich den Hörer auflegte.
»Sie haben hervorragende Arbeit geleistet«, wiederholte dieser zuckersüß. »Und ich bedaure die Unterbrechung Ihres Urlaubs zutiefst.«
Du kannst mich mal am Arsch lecken, dachte er und warf dem Heini ein unverbindliches antrainiertes Lächeln zu. »Ist schon in Ordnung. So ist das nun mal, wenn man für Interpol arbeitet, nicht wahr?«
Ich hätte ein ganz gewöhnlicher Polizist bleiben sollen. Keine verkackten Aufträge am anderen Ende der Welt, keine Urlaubsunterbrechungen, keine Idioten, die einem den Kopf wegschießen wollen. Vielleicht wäre mir dann sogar diese blöde Ehe erspart geblieben.
»Wir haben eine kleine Entschädigung für Sie.«
Nun wurde er hellhörig.
Er setzte sich auf. »Tatsächlich? Ich habe noch nie eine Entschädigung erhalten … wenn ich ehrlich bin.«
Weshalb hatte er das gesagt? Da wirkte er ja wie ein kleines Kind, das um Aufmerksamkeit und Mitleid bettelte!
Anscheinend benötigte er einen etwas längeren Urlaub, als vier Tage in einem Wiener Hotel und anschließendem Flug nach Dubai, um dort einen verdammten Bericht abzuliefern, welchen sein Boss – und Gott hab ihm gnädig, wenn er zurück war – dem Botschafter per E-Mail locker flockig hätte zukommen lassen.
Aber nein.
Da Theo den terroristischen Anschlag durch stundenlange Recherche und ebenso lange Verhöre aus diesem Abschaum von IS-Drecksfotzen herausgekitzelt und den Einsatz in Dubais Flughafengebäude angeführt hatte, musste er persönlich auftauchen und Bericht ablegen, und zu allem Überfluss diesen schweißtreibenden langen Aufklärungsgang absolvieren.
»Dann wird es höchste Zeit,« entgegnete der Botschafter und griff nach einem Kuvert, um es ihm über den wuchtigen Mahagonitisch zu reichen. »Machen Sie sich ein paar schöne Tage.«
Theo runzelte die Stirn.
Vielleicht hatte diese ganze Sache doch etwas Gutes.
Er griff danach und öffnete es: ein Ticket und Bargeld.
»Mit Ihrem Einsatz und Engagement haben Sie dutzende, ja wenn nicht hunderte Menschenleben gerettet und darüber hinaus einen weltweiten Skandal verhindert. Terrorwarnungen in Dubai hätten dem Scheich nicht sonderlich gut gefallen.«
Ungläubig schüttelte Theo den Kopf. »Ich habe lediglich meinen Job gemacht. Das ist wirklich nicht nötig.«
Durfte er das Geschenk überhaupt annehmen? Womöglich wollte der Botschafter ihn bestechen? Womöglich wollte die Abteilung ihm etwas anhängen?
Nein.
Er befand sich doch nicht in einem Agentenfilm der Neunzigerjahre!
»Vielen Dank.« Er warf dem Diplomaten ein ehrliches freundliches Lächeln zu. »Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.«
Der alte Mann erwiderte das Lächeln. »Nichts zu danken. Und ich hoffe, wir sehen uns nicht mehr.« Es trat eine Pause ein. »Sie wissen, wie ich das meine, oder?«
Theo grinste. »Absolut. Keine Sorge.« Damit erhob er sich. Der Botschafter tat es ihm gleich.
Sie schüttelten sich die Hände, dann verließ Theo die Botschaft.
Urlaub.
Weiber, Strand, Meer und Sauferei! Yes!
Das Meer. Unendliche Weiten. Und mittendrin eine kleine unscheinbare Insel mit neunzehn Hotelzimmern, einem Restaurant und derart viel Ruhe … allmählich wurde es mir unheimlich. Ich saß auf meiner kleinen Terrasse und beobachtete die funkelnden Sterne. Ein zarter, die Seele liebkosender Duft von Holz und Meerwasser lag in der Luft.
Seufzend strich ich mir das Haar aus dem Gesicht und ließ die letzten Stunden Revue passieren: Erst hatte ich mir die Rochenfütterung angesehen. Dadurch war es mir möglich gewesen, ein paar wunderschöne Aufnahmen dieser anmutigen Tiere zu machen. Nach dem Abendessen fing ich noch ein paar Fotos der untergehenden, von cremefarbenen Schleierwolken eingehüllten Sonne ein. Alsbald sich die Nacht über die Insel legte, war ein Lagerfeuer entzündet worden, dessen hektisch in den schwarzen Himmel züngelnde Flammen mich unweigerlich in meine Kindheit zurückversetzt hatten. An mein erstes Osterfeuer. Knapp für Jahre alt war ich gewesen. Dennoch muteten die Bilder solchermaßen klar an wie eben erst erlebt.
Vaters warme Hand, die meine hielt. Eine Hand, die Sicherheit, Schutz und Liebe bedeutete … gleichermaßen wie Einsamkeit, Verlust und Strenge.
Es war eigenartig, wie unwichtige Kleinigkeiten dich an längst vergangene Erlebnisse erinnerten. Ob ein Feuer, ein Auto, ein Kleidungsstück, ein Duft oder ein Song.
Ich erhob mich.
Es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Schließlich wollte ich morgen zeitlich aufstehen, um Bilder vom leeren Strand einzufangen.
Erschöpft, dafür mit leichtem Herzen legte ich mich ins weiche Himmelbett und blickte hinaus auf das dunkelblaue Meer.
In diesem Moment fühlte ich mich behüteter als in den Armen meines vermaledeiten Ex in unserer ersten Nacht.
Das musste ein gutes Omen sein.
Ehe ich einschlief, ging mir nur noch ein Gedanke durch den Sinn: Ich will für immer hierbleiben.

Sonnenstrahlen weckten mich, kitzelten meine Nase, sodass ich erst einmal Niesen musste. Noch etwas benommen drehte ich mich zum Nachtkästchen und warf einen verschwommenen Blick auf das Handy: 10:00 Uhr. Damit nahm mein Verstand seine Arbeit auf. Fuck. Ich wollte doch den Sonnenaufgang fotografieren!
Nun, dann eben morgen.
Mit bleiernen Schritten stolperte ich ins Bad, entleerte meine Blase und richtete mich fürs Frühstück her. Dazu stellte ich mich unter die Dusche, putzte mir die Zähne und zog mir eine lange weiße Leinenhose und ein gleichfarbiges kurzärmeliges Hemd über. Meine Haare band ich locker zusammen. Ich griff nach meinem Zimmerschlüssel und rauschte Richtung Restaurant.
Da es auf der Insel bloß neunzehn Hotelzimmer gab – zehn davon stellen Wasserbungalows dar – traf man dementsprechend wenig Urlauber an. Das wiederum bot den größten Genuss überhaupt! Keine Kinder, alleine einige Pensionisten und ein paar verliebte Pärchen, die ich weitestgehend ignorierte.
Читать дальше