Theodor Fontane - Graf Petöfy
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Graf Petöfy ist einer der frühen Gesellschaftsromane Theodor Fontanes. Er handelt von der Ehe zwischen einer jungen, protestantischen, bürgerlichen Schauspielerin aus Norddeutschland und einem alten, katholischen, ungarischen Grafen. Erste Notizen zu dem Roman legte Fontane 1880 an.
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Inhaltsverzeichnis
Graf Petöfy Graf Petöfy
Erstes Kapitel Erstes Kapitel In einer der Querstraßen, die vom »Graben« her auf den Josephsplatz und die Augustinerstraße zuführen, stand das in den Prinz-Eugen-Tagen erbaute Stadthaus der Grafen von Petöfy mit seinem Doppeldach und seinen zwei vorspringenden Flügeln. Ein altmodisches Hochparterre, dazwischen ein Hof und ein etwas vernachlässigtes, den ganzen Bau nach vornhin abschließendes Eisengitter. Ging man an einem dunklen Tage hart an diesem Eisengitter vorüber und sah durch seine rostigen Stäbe hin auf den mit Kies bestreuten Vorhof, so gewann man den Eindruck, daß hier alles längst tot und ausgestorben sei; trat man aber umgekehrt auf das Trottoir der andern Straßenseite hinüber, so bemerkte man an allerlei kleinen Zeichen und nicht zum wenigsten an einem gedämpften Lichtschimmer, der abends durch die nicht ganz zugezogenen Gardinen fiel, daß, wenn nicht der ganze Bau, so doch die zwei vorspringenden Flügel desselben bewohnt sein mußten. Und so war es auch. Die beiden letzten Petöfys, Graf Adam und seine Schwester Judith, eine seit vielen Jahren verwitwete Gräfin von Gundolskirchen, bewohnten das Palais in getrennter Wirtschaftsführung und benutzten in Gemeinschaftlichkeit nur die dem Corps de logis angehörigen Repräsentationsräume. Die »Gesellschaft«, die sich in diesen Räumen zu versammeln pflegte, war, je nachdem der Bruder oder die Schwester »invitiert« hatte, von sehr verschiedenem Gepräge. Beide Geschwister gefielen sich nämlich in einem ausgesprochenen Protegieren, aber während die Protektion des Grafen der Kunst galt, galt die der Gräfin der Kirche, weshalb es weder ausbleiben noch überraschen konnte, daß sich in denselben Empfangsräumen eine sehr verschiedene Gesellschaftselite: die Wolter und der Kardinal von Schwarzenberg, abwechselnd bewegte. Nur selten, daß man eine Vereinigung beider Elemente wagte. Graf und Gräfin waren jeder zu seinem Teil ebenso voll Hingebung wie voll Wohlwollen, und doch hätt es keiner allzu scharfen Beobachtung bedurft, um wahrzunehmen, daß die Protektion, in der sie sich ergingen, etwas von einer noblen Passion an sich trug. Sie fühlten eine gewisse Leere, wollten sie standesmäßig ausfüllen und trafen darnach unter dem, was ihnen zur Hand war, ihre Wahl. Aber dieser Entstehung ihrer Passion waren sich beide seit lange nicht mehr bewußt und standen vielmehr in Aufrichtigkeit und gutem Glauben jeder an seinem Platz.
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebenzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Achtundzwanzigstes Kapitel
Neunundzwanzigstes Kapitel
Dreißigstes Kapitel
Einunddreißigstes Kapitel
Zweiunddreißigstes Kapitel
Dreiunddreißigstes Kapitel
Vierunddreißigstes Kapitel
Fünfunddreißigstes Kapitel
Impressum
Erstes Kapitel
In einer der Querstraßen, die vom »Graben« her auf den Josephsplatz und die Augustinerstraße zuführen, stand das in den Prinz-Eugen-Tagen erbaute Stadthaus der Grafen von Petöfy mit seinem Doppeldach und seinen zwei vorspringenden Flügeln. Ein altmodisches Hochparterre, dazwischen ein Hof und ein etwas vernachlässigtes, den ganzen Bau nach vornhin abschließendes Eisengitter. Ging man an einem dunklen Tage hart an diesem Eisengitter vorüber und sah durch seine rostigen Stäbe hin auf den mit Kies bestreuten Vorhof, so gewann man den Eindruck, daß hier alles längst tot und ausgestorben sei; trat man aber umgekehrt auf das Trottoir der andern Straßenseite hinüber, so bemerkte man an allerlei kleinen Zeichen und nicht zum wenigsten an einem gedämpften Lichtschimmer, der abends durch die nicht ganz zugezogenen Gardinen fiel, daß, wenn nicht der ganze Bau, so doch die zwei vorspringenden Flügel desselben bewohnt sein mußten.
Und so war es auch.
Die beiden letzten Petöfys, Graf Adam und seine Schwester Judith, eine seit vielen Jahren verwitwete Gräfin von Gundolskirchen, bewohnten das Palais in getrennter Wirtschaftsführung und benutzten in Gemeinschaftlichkeit nur die dem Corps de logis angehörigen Repräsentationsräume.
Die »Gesellschaft«, die sich in diesen Räumen zu versammeln pflegte, war, je nachdem der Bruder oder die Schwester »invitiert« hatte, von sehr verschiedenem Gepräge.
Beide Geschwister gefielen sich nämlich in einem ausgesprochenen Protegieren, aber während die Protektion des Grafen der Kunst galt, galt die der Gräfin der Kirche, weshalb es weder ausbleiben noch überraschen konnte, daß sich in denselben Empfangsräumen eine sehr verschiedene Gesellschaftselite: die Wolter und der Kardinal von Schwarzenberg, abwechselnd bewegte. Nur selten, daß man eine Vereinigung beider Elemente wagte.
Graf und Gräfin waren jeder zu seinem Teil ebenso voll Hingebung wie voll Wohlwollen, und doch hätt es keiner allzu scharfen Beobachtung bedurft, um wahrzunehmen, daß die Protektion, in der sie sich ergingen, etwas von einer noblen Passion an sich trug. Sie fühlten eine gewisse Leere, wollten sie standesmäßig ausfüllen und trafen darnach unter dem, was ihnen zur Hand war, ihre Wahl.
Aber dieser Entstehung ihrer Passion waren sich beide seit lange nicht mehr bewußt und standen vielmehr in Aufrichtigkeit und gutem Glauben jeder an seinem Platz.
Zweites Kapitel
Es war Ende Januar, einer jener unfreundlichen Tage, wo der Himmel nicht weiß, ob er nebeln oder nieseln soll. Grau zogen die Wolken über die Dächer hin, und die stille Straße, darin das Petöfysche Palais gelegen war, war noch stiller als gewöhnlich. Aber vor dem Palais selber herrschte Leben, und nicht nur Azaleen, Rhododendren und andere hohe Topfgewächse, sondern auch allerlei Kästen und Futterale mit Musikinstrumenten und endlich Körbe, darin kunstvoll aufgetürmtes Gebäck die schrägstehenden Deckel wie zur Seite geschoben hatte, wurden abgeladen.
Kein Zweifel, der alte Graf gab heute sein Winterfest.
Inzwischen war die zwölfte Stunde herangekommen, das Gewölk zog ab, der Himmel begann zu blauen, und als angesichts dieser erfreulichen Zeichen ein in der Nähe wohnender Taubenzüchter ein Volk Tauben in die Luft steigen ließ, um den bevorstehenden Wetterumschlag aller Welt zu verkünden, fuhr vor dem Petöfyschen Palais ein elegantes Cabriolet vor.
In dem Hause gegenüber aber, in dessen erstem Stock ein großes Putz- und Konfektionsgeschäft war, erschienen sofort drei, vier Mädchenköpfe, junge Demoiselles, am Fenster und sahen neugierig auf den jungen Offizier, der eben die Zügel in die Hand seines Dieners legte.
»Ah, der Herr Neffe, Graf Egon!« rief eines der jungen Mädchen. »Und wie ihm der Attila sitzt! Ein Husar ist doch das Schönste.«
Niemand widersprach, entweder, weil man derselben Ansicht war, oder vielleicht auch, weil die Sprecherin ein für allemal als Autorität in derlei Dingen einschließlich aller Angelegenheiten des Hauses Petöfy galt; der junge Kavalier aber, der zu dieser Bemerkung über die Vorzüge von Husarentum und Attila Veranlassung gegeben hatte, wandte sich seinerseits vom Gitter her rasch auf das Portal zu, vor dessen Eingang ein pechschwarzer Walache stand, ein Ideal von einem Türhüter, groß und dick und mit zwei Schnurrbärten, von denen der eine, der kleinere, wie ein Dachreiter auf dem andern saß.
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