„Nein, alles in Ordnung. Ich habe dich nur gesucht, da ich etwas mit dir besprechen wollte.“
Neugierig und auch ein wenig irritiert schaut sie mich an. Doch ich spreche nicht sofort weiter. Stattdessen setze ich mich so hin, dass sie ihren Rücken an meine Brust lehnen kann.
„Ich dachte mir, dass wir einen kleinen Urlaub machen“, sage ich schließlich. „Meine Mutter hat ein Haus in Tarpon Springs, in das wir für ein paar Tage fahren können.“
„Das hört sich wunderbar an“, stellt sie fest. „Aber musst du dich nicht um ein paar wichtigere Sachen kümmern?“, fragt sie ein wenig zögerlich.
Ich drehe Sarah so, dass sie mich ansehen kann. Das, was ich ihr jetzt sage, ist die Wahrheit. Obwohl ich es selber nicht glauben kann. Doch ich will, dass sie es versteht und weiß, dass ich es genauso meine, wie ich es sage.
„Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Wichtiger als irgendwelche Geschäfte, wichtiger als Geld, wichtiger als mein Leben. Ich liebe dich und ich will nicht, dass dir etwas geschieht.“ Kaum habe ich ausgesprochen, küsse ich sie. So will ich meine Aussage noch unterstreichen.
Diese Frau hat sich einen Platz in meinem Herzen gesucht und ich werde alles dafür tun, dass ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen kann.
„Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen“, erklärt mein Vater, als wir uns einige Stunden später von den beiden verabschieden, und zieht Sarah für eine Umarmung zu sich.
Nicht zum ersten Mal bin ich froh darüber, dass sie sich so gut mit meinen Eltern versteht und die beiden sie in der Familie aufgenommen haben. Das macht die nächsten Schritte für mich nur noch einfacher. Und dabei geht es nicht nur um meine Geschäfte, sondern auch um unsere Beziehung.
„Das würde mich auch freuen“, sagt sie nun und verabschiedet sich dann von meiner Mutter.
Ich beobachte meine Mom dabei, wie sie Sarah etwas ins Ohr flüstert, ehe diese nickt. Als Nächstes wirft sie mir einen mahnenden Blick zu, den ich nur zu genau kenne.
Sie will mir stumm zu verstehen geben, dass ich es besser nicht versaue. Das habe ich aber auch gar nicht vor.
„Ich habe nicht gedacht, dass ihr nach ein paar Tagen wieder verschwindet“, stellt mein Vater fest, nachdem er sich neben mich gestellt hat.
„Ich auch nicht, aber es muss sein.“
Mein Vater nickt und zeigt mir so, dass er meine Entscheidung verstehen kann.
Nachdem Sarah sich von allen verabschiedet hat, steigen wir ins Auto und machen uns auf den Weg. Mit dabei habe ich ein paar meiner Männer, die uns in zwei dunklen Wagen folgen.
Ich werde kein Risiko eingehen, auch wenn ich will, dass wir wie ein normales Paar ein paar ruhige Tage verbringen. Doch ihre Sicherheit geht vor meine Wünsche.
Sarah
Ich war noch nie in Tarpon Springs. Ich weiß, dass einige meiner Kollegen schon in der Stadt waren und auch, dass zwei Abteilungsleiter hier ein Haus haben. Deswegen kenne ich die Stadt nur aus Erzählungen. Doch nach allem, was ich bis jetzt gehört habe, soll es dort wunderschön sein.
Wie ich nun allerdings selber feststellen kann, ist dies noch weiter untertrieben. Toli fährt am Hafen entlang, in dem kleine Fischerboote verankert liegen. Die Bewohner der Stadt stehen auf dem Bürgersteig oder sitzen auf den Bänken. Sie trinken einen Kaffee und unterhalten sich.
Toli bleibt auf der Hauptstraße, bis wir den Stadtrand erreicht haben. Dort hält er vor einem Haus an, was sich direkt am Wasser befindet.
Es ist ein idyllisches kleines Einfamilienhaus, was perfekt in seine Umgebung passt. Die Wände bestehen aus weißem Holz und der Vorgarten ist übersät von bunten Blumen.
„Es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal hier war. Meine Eltern sind im Sommer immer für drei Wochen mit mir hergekommen. Da war ich aber noch in der Grundschule.“
„Du bist wirklich zur Grundschule gegangen? Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass du zu Hause in Kämpfen und Schießen unterrichtet wurdest.“
„Das habe ich automatisch gelernt. Aber ich bin auf eine Privatschule gegangen“, erklärt er mir, bevor er aussteigt und um den Wagen herum geht.
Neugierig folge ich ihm und betrete das Haus, nachdem Toli die Tür geöffnet hat. Von innen sieht das Haus genauso gemütlich aus wie von außen. Die Inneneinrichtung ist in besch und hellen Pastelltönen gehalten. Die dicken Kissen auf dem Sofa sorgen dafür, dass ich mich am liebsten in sie hinein sinken lassen würde.
„Gefällt es dir hier?“, fragt Toli und tritt hinter mich. Besitzergreifend schlingt er seine Arme um meinen Körper, sodass ich meinen Körper an seine Brust lehnen kann.
„Es ist wunderschön?“, flüstere ich. Dabei lasse ich meinen Blick zur Terrassentür schweifen, auf dessen anderer Seite sich ein kleiner Garten erstreckt.
Als Toli mir gesagt hat, dass seine Mutter hier ein Haus besitzt, bin ich von einem riesigen Anwesen ausgegangen. Und zwar von dem gleichen Typ Anwesen, wie auch die anderen sind. Deswegen bin ich nun umso überraschter, dass es sich hierbei um ein ganz normales Haus handelt.
„Und dennoch denkst du über etwas nach“, stellt er als nächstes fest. „Ich spüre es. Du scheinst gerade ganz woanders zu sein. Was beschäftigt dich?“
Einen Moment betrachte ich noch die Aussicht. Ich versuche so Zeit zu schinden und mir eine Antwort auf seine Frage parat zu legen. Doch ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Deswegen drehe ich mich schließlich doch zu ihm herum.
Seine aufmerksamen Augen sind auf mich gerichtet. Innerlich kämpfe ich mit mir selber. Ich will mich nicht darüber unterhalten, doch ich weiß, dass ich ihm von der Unterhaltung mit meiner Schwester erzählen muss. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie er reagiert. Doch ihn geht es genauso etwas an, wie mich auch.
Wird er sich von mir trennen, weil es vielleicht zu viel für ihn ist?
Schließlich hat er auch so schon genug um die Ohren. Als neues Oberhaupt der Mafia hat er mehr als genug Probleme. Da will er sich bestimmt nicht auch noch mit diesem Mist herumschlagen, den meine Familie hervorgerufen hat. Und als die Frau an seiner Seite ist es meine Aufgabe, ihm diesen zusätzlichen Stress zu ersparen.
Doch während unserer gemeinsamen Zeit, die wir bis jetzt zusammen verbracht haben, habe ich ihn auch sehr gut kennengelernt. Deswegen weiß ich, wie hartnäckig er sein kann. Wenn ich es ihm jetzt nicht sage, wird er mich so lange damit löchern, bis ich mit der Sprache herausrücke. Und dann wird es bestimmt nicht einfacher werden. Also beschließe ich, dass ich es ihm sagen werde. Auch deswegen, weil ich hoffe, dass er vielleicht eine Lösung für das Problem hat. Ich habe nämlich ehrlich gesagt keine Ahnung mehr, was ich machen soll.
Also erzähle ich ihm in kurzen Sätzen davon. Dabei kann ich nicht für mich behalten, wie sehr mich das alles mitnimmt. Es war nie ein Geheimnis, dass ich andere Ansichten habe als meine Eltern. Allerdings habe ich immer versucht sie wenigstens ruhig zu stellen. In diesem Fall wird mir das jedoch nicht gelingen.
Toli hört mir zu und sagt kein Wort dazu. Er verzieht nicht einmal das Gesicht. Erst, als ich geendet habe, holt er tief Luft.
„Ich bin mir sicher, dass sie ihre Meinung ändern wird, sobald sie uns gemeinsam gesehen hat. Sie ist deine Schwester, da ist es doch gut, dass sie sich Sorgen macht, dass du nicht an den falschen Mann gerätst.“
„Du kennst Robyn nicht“, murmle ich und verziehe das Gesicht. „So schlimm?“
„Ich sage es mal so: Ich habe mein Handy ausgeschaltet, da ich mir sicher bin, dass mich meine Eltern früher oder später deswegen anrufen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie es erfahren. Wenn Robyn gegen etwas ist, setzt sie alles in Bewegung, um ihren Willen durchzusetzen. So war sie schon immer und so wird sie auch immer sein. Und in diesem Fall ist sie gegen unsere Beziehung. Auch wenn sie wohl nicht so ganz verstanden hat, dass ich kein kleines Kind mehr bin.“
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