Daniel Camastral - Das kleine Putsch-Brevier

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Der Putsch ist ein Mittel zur Machtergreifung. Mit einem gelegentlichen Augenzwinkern und gewürzt mit einer Prise Ironie vermittelt das kleine Putsch-Brevier Putschisten in spe und interessierten Laien alles Wissenswerte rund ums Thema «Putsch». Als konkrete Handlungsanleitung taugt der Leitfaden nicht, aber das theoretische Rüstzeug kann damit erworben werden, und das Bewusstsein für Stolperfallen wird geschärft.

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Alle Rechte vorbehalten
Text © 2021 by Daniel Camastral
Umschlag © 2021 by Clea Camastral
Verantwortlich für den Inhalt Daniel Camastral Rautistrasse 25, CH-8804 Au 4cama@gmx.ch
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Vorwort

Lieber Leser

Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Kauf dieses Büchleins haben Sie eine lohnende Investition in eine verheissungsvolle Zukunft getätigt. Es will Ihnen alles vermitteln, was Sie für einen erfolgreichen Putsch wissen müssen. Bemüht um sprachliche Korrektheit, sei an dieser Stelle gleich darauf hingewiesen, dass ein Putsch immer erfolgreich ist. Wenn’s beim Versuch bleibt, sprechen wir von einem Putschversuch. An einen Putschversuch dürfen Sie aber gar nicht erst denken. Sie wären zum Putschisten nicht qualifiziert, wie Sie im Kapitel Zielsetzungen und Begründungen unschwer erkennen werden.

Ökonomisch gesprochen handelt es sich beim Kauf dieses Breviers um eine Einmalinvestition. Es gibt Bücher, die nimmt man immer wieder zur Hand, um darin zu lesen. Nicht aber dieses Handbuch. Soviel sei hier schon mal verraten: die Chance für einen zweiten Putsch ist verschwindend gering. Die gründliche Lektüre dieses Werks sei hiermit wärmstens empfohlen, damit sich der Erfolg auf Anhieb einstellt. Eine «Erfolg-oder-Geld-zurück-Garantie» kann der Autor nicht geben. Sie ist auch nicht notwendig, denn Sie wären kaum in der Lage, vom Rückforderungsrecht Gebrauch zu machen.

Wenn Sie weiblichen Geschlechts sind und sich durch die männliche Ansprache anfangs dieser Einleitung diskriminiert fühlen, tut es mir leid. Genau so leid tut es mir, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie Ihr Geld vermutlich besser in andere Lektüre investiert hätten. Sie gehören schlicht nicht zum Zielpublikum für ein Putsch-Brevier, denn lebende weibliche Putschisten sind dem Autor bislang nicht bekannt. Aber selbstverständlich hat der Autor nichts gegen eine weibliche Leserschaft einzuwenden, denn im Zeitalter der Gleichberechtigung soll jeder und jede die Möglichkeit erhalten, sich das notwendige Putschisten-Wissen anzueignen.

Laut Duden ist ein Brevier ein kurzer, praktischer Leitfaden. Praktische Erfahrung im Putschen kann ich zugegebenermassen nicht vorweisen. Als Amateur auf diesem Gebiet kann ich Ihnen nur das theoretische Rüstzeug mit auf den Weg geben, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie Fallstricken und anderen Stricken entgehen mögen. Meine einzige Legitimation, übers Putschen zu schreiben, ist meine Herkunft. Denn wer hat’s erfunden? Die Schweizer natürlich. Aber mehr dazu gleich im ersten Abschnitt.

Au, im Mai 2021

Daniel Camastral

Begriffliches

Wortherkunft und Bedeutung

Ist «Putsch» nicht ein wunderbar lautmalerisches Wort? Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. So ein Wort kann nur aus der Schweiz kommen, ist also ein Helvetismus. Fast jeder Deutschschweizer ist schon einmal in seinem Leben auf der Chilbi in einem Putschauto gesessen und weiss entsprechend, was ein Putsch ist. Allen des Schweizerdeutschen nicht mächtigen Lesern sei erklärt, dass eine Chilbi ein Jahrmarkt ist, und das Putschauto ist in nördlichen Gefilden als Autoscooter bekannt. Charakteristisch für diese kleinen, frei lenkbaren Fahrzeuge ist ein breiter umlaufender Gummiring, der gegen Rempler schützt. Ein Rempler – ein heftiger Stoss – wird in der Schweiz Putsch genannt. Nach dieser langatmigen Erläuterung kommen wir zum Kern des Begriffs. Gemäss Duden stammt das Dialektwort «bütsch» aus dem 15. Jahrhundert und bedeutet soviel wie «heftiger Stoss» oder «Zusammenprall». Im Schweizerischen Idiotikon wird als «Putsch» ein plötzlicher Vorstoss, ein Anlauf gegen ein Hindernis oder ein Streich bezeichnet und erhielt später die Bedeutung eines Volksauflaufs oder einer Revolte [1].

Unter dem Begriff «Putsch» kann man im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1854 folgendes nachlesen: «zusammenstosz der leute, auflauf, kleine volkserhebung ... das wort putsch stammt aus der guten stadt Zürich, wo man einen plötzlichen vorübergehenden regengusz einen putsch nennt und demgemäsz die eifersüchtigen nachbarstädte jede närrische gemüthsbewegung, begeisterung, zornigkeit, laune oder mode der Züricher einen Zürichputsch nennen. da nun die Züricher die ersten waren, die geputscht, so blieb der name für alle jene bewegungen...» [2].

Nach verschiedenen Unruhen und Umstürzen im 19. Jahrhundert, insbesondere nach dem «Züriputsch» von 1839, fand der Begriff durch Zeitungsberichte eine weitere Verbreitung, sogar bis in den englischen (the putsch), französischen (le putsch) und italienischen Sprachraum (il putsch).

Wer mit dem Gedanken an einen Putsch liebäugelt, will von der Vergangenheit nichts wissen. Eine moderne Begriffsbestimmung ist gefragt. Und hier beginnt das Dilemma: soll der sprachliche Zweihänder hervorgenommen werden, oder soll eine feinere Klinge geführt werden? Grob gesprochen, werden Putsch und Staatsstreich synonym verwendet. Schnell und unter Anwendung von mehr oder weniger Gewalt wird eine herrschende Regierung abgesetzt, d.h. sie wird gestürzt.

Korinthenkacker werden sich mit dieser Definition nicht zufriedengeben. Eine geläufige Unterscheidung zwischen Putsch und Staatsstreich betrifft die Akteure. Bei einem Putsch sind es Aussenstehende (häufig Militärs von niederen Rängen), die gewaltsam die Staatsgewalt übernehmen, während beim Staatsstreich im engeren Sinn etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen den gewaltsamen Umsturz herbeiführen [3]. Damit kann der Putsch als Sonderform des Staatsstreichs gelten, nämlich als «Staatsstreich von unten», während beim Staatsstreich die Akteure bereits eine hohe Machtstellung innehaben.

Gelegentlich wird aufgeführt, dass ein Staatsstreich planmässig gegen die Verfassung gerichtet ist. Beim Putsch hingegen wird dieses spezifische Merkmal kaum erwähnt.

Unabhängig von sprachlichen Feinheiten ist das Ziel von Putsch und Staatsstreich immer das gleiche: der Sturz der Regierung und die Übernahme der Macht im Staat. Engländer und Franzosen machen denn auch keinen Unterschied zwischen Putsch und Staatsstreich. Beides wird «coup d’état» genannt.

Aufmerksamen Zeitungslesern ist sicherlich nicht entgangen, dass der Begriff des Putsches häufig für Propagandazwecke verwendet wird. Putschen tun immer nur die anderen. Wenn ein Umsturz oder Umsturzversuch von reaktionären oder faschistischen Minderheiten ausgeht, ist es ein Putsch. Wenn Kommunisten das Gleiche tun, heisst es Revolution [4]. Genau genommen ist auch dies nicht korrekt: ein Putsch geht von einer verhältnismässig kleinen Gruppe aus, während eine Revolution von der breiten Masse der Bevölkerung ausgeht [5].

Dies führt zur Begriffsbestimmung der Revolution. «Revolutio» war ursprünglich ein Begriff der Astronomie, der wörtlich das «Zurückwälzen», die scheinbare Rückwärtsdrehung von Himmelskörpern bezeichnete. Bezogen auf Politik und Gesellschaft wurde das Wort im 17. Jahrhundert noch in seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet, die Wiederherstellung («Zurückwälzung») alter Verhältnisse und die Rückkehr zu einer alten Ordnung. Mit der französischen Revolution von 1789 verkehrte sich der Begriff ins genaue Gegenteil: Umsturz und Neuanfang, oftmals unter Gewaltanwendung. Interessanterweise hatte das italienische «rivoluzione» schon im Mittelalter die Bedeutung von «Aufruhr des Volkes» und «Staatsstreich». Heutzutage ist der Begriff inflationär verwendet. Alles, was einen tiefgreifenden Wandel verspricht, wird als revolutionär bezeichnet, sei es eine revolutionäre Methode zur Gewichtsabnahme oder ein revolutionäres Beleuchtungssystem für Gartenteiche. Ernsthafter spricht man von der Industriellen Revolution oder von der Digitalen Revolution. Wir wollen Revolution aber im politischen und sozialen Kontext verwenden.

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