Sabine überlegte und rutschte auf ihrer Couch hin und her. Ihr Herz begann ein wenig schneller zu schlagen. Das Profilfoto zeigte einen sympathischen Mann in Sabines Alter. Keine Männerschönheit, doch strahlte dieses Foto eine gewisse Freundlichkeit aus. Ehe Sabine eine Entscheidung treffen konnte, riss sie das Klingeln des Telefons aus ihren Gedanken. Die Freundschaftsanfrage kann ich später beantworten, fand Sabine und nahm lieber den Anruf entgegen.
Der Blick auf das Display zeigte ihr, dass ihre Freundin Monika am anderen Ende der Strippe war. Mit ihren fünfundfünfzig Jahren war Monika nur wenig älter als Sabine und die beiden kannten sich schon ewig. Sabine nahm das Gespräch an und ehe sie etwas sagen konnte, legte Monika los: „Ey, Du alte Pflaume, ich wollte Dich heute im Krankenhaus besuchen. Vorsichtshalber habe ich dort angerufen und was erfahre ich? Biene ist längst wieder draußen!“
„Na, na, na“, beschwichtigte Sabine ihre Freundin, „ich bin erst seit etwa einer Stunde wieder zu Hause, da hatte ich erst einmal andere Dinge zu tun, als mich bei Dir zu melden.“
„Schon gut“, maulte Monika, „ich wollte doch nur fragen, wie es Dir geht. Hast Du den Sturz von MY GIRL gut verkraftet? Du hast dazu gar nichts gesagt, als ich Dich im Krankenhaus besucht habe…“
„Klar habe ich den Sturz von Deiner GIRLYMAUS gut verkraftet, zumindest seelisch. Davon lasse ich mich auch nicht entmutigen. Und wenn die Olle mit ihren Kötern nicht gewesen wäre…“
Weiter kam Sabine nicht, denn Monika unterbrach sie: „Ja das verstehe ich auch nicht, überall auf den Reitwegen Leinenzwang und die Hundeliebhaber sind so uneinsichtig. Sicher meinen sie es dabei nicht böse, aber wenn so eine Trethupe auf ein Pferd zustürmt und kläfft, kann das böse ausgehen!“
„Brauchst Du mir nicht zu erzählen, habe ich ja nun erlebt“, knurrte Sabine, „aber ich möchte so bald wie möglich wieder auf ein Pferd! Seit ich geschieden bin, habe ich wieder für solche schönen Dinge Zeit. Ich denke mal, das Reiten könnte wirklich wieder ein großes Hobby von mir werden. Ich brauche nur mehr Übung.“
Einen Augenblick lang schwieg Monika am anderen Ende, dann hörte Sabine ihre Freundin wieder: „Du solltest wirklich noch einmal darüber nachdenken, ob Du weiterhin Single bleiben willst.“
Erbost unterbrach Sabine ihre Freundin: „Oh nein Monika, nicht schon wieder diese alte Platte, ich möchte mich nicht auf die Suche nach einem Mann machen. Und lass Dir nicht einfallen, mir wieder alleinstehende Herren vorzustellen, die Du wahllos aus Deinem Umfeld auffischst! Dieser Veganer, der nichts weiter zu tun hatte, als in seiner Freizeit jeden zu beschimpfen, der nicht vegan lebt und wütende Mails gegen die Jagd an Zeitungen und Ämter zu schreiben, hat mir wirklich gelangt. Dabei bin ich selber ein Mensch, der kein Fleisch isst und die Jagd nicht mag. Deswegen muss ich aber noch lange nicht fanatisch werden!“
Sabine holte tief Luft und fuhr fort: „Entweder die Liebe findet mich ganz von allein oder gar nicht.“ Friedlicher meinte sie: „Wie wäre es, wenn wir uns in ein paar Tagen treffen würden? Zeitlich richte ich mich natürlich nach Dir.“
„Na klaro, aber leider kann ich Dir noch keinen Termin nennen, ich muss sehen, wie ich von meinem Hof wegkomme. Und Du kommst allein zuhause klar?“
Sabine bejahte und erklärte: „Die Krankenkasse schickt mir eine Haushaltshilfe. Natürlich nicht rund um die Uhr, aber zum Putzen und um ein paar Einkäufe zu erledigen. Ansonsten werde ich wohl kaum Hilfe brauchen und wenn doch, habe ich ein Visitenkärtchen von einem Pflegedienst. Für heute Abend habe ich noch eine Pizza im Tiefkühlschrank und meine Nachbarin, Du weißt schon, die Frau Spaltholz, wird mir morgen etwas vom Bäcker mitbringen. Ansonsten ist der Kühlschrank voll, dafür habe ich schon vom Krankenhaus aus gesorgt. Auch das hat meine Nachbarin für mich erledigt. Außerdem hat sie den Briefkasten geleert und die Blumen gegossen. Da muss ich mir noch ein dickes Dankeschön einfallen lassen.“
Eigentlich wollte Sabine das Gespräch nicht beenden, aber Monika unterbrach sie.
„Du Sabine, sei nicht böse, aber ich muss zu meinen Pferden, wir reden später, oder du schickst mir eine WhatsApp, okay?“
Sabine seufzte: „Klar meine Süße, wir bleiben in Kontakt.“ Die beiden Frauen tauschten kurz ein paar Höflichkeitsfloskeln aus, dann legte Sabine auf.
Moni lässt mich schon nicht im Stich, überlegte sie, nur hat sie eben mit ihrem Reiterhof alle Hände voll zu tun. Sabine liefen erneut die Gedanken davon und auf einmal hatte sie keine Lust mehr, sich mit dem Profil dieses geheimnisvollen David Silverstone zu beschäftigen. Sie schloss sämtliche Anwendungen und fuhr den PC herunter. In Ruhe ließ sie den Tag mit einer Pizza ausklingen.
Am nächsten Morgen hatte Sabine keine Zeit an Facebook zu denken. Sie hatte gut geschlafen und nun standen andere Dinge auf dem Plan.
Ohne Hilfe hatte sie es unter die Dusche geschafft. Das Anziehen und Anlegen der Orthese hatten geklappt, wenn auch mit Mühe. Sabine klopfte sich in Gedanken auf die Schulter. Da werde ich den Pflegedienst kaum brauchen, dachte sie. Aber die Haushaltshilfe nehme ich mit! Und selbst die Nachbarin hatte ihr Versprechen gehalten und Brötchen mitgebracht. In aller Ruhe bereitete sich Sabine ihr Frühstück zu und ließ es sich dann schmecken.
David Silverstone kam Sabine wieder in den Sinn. Hat keine Eile, dachte sie und räumte zunächst einmal das Geschirr vom Frühstück weg, wusch ab und sah ihre Post durch. Wichtiges fand sie nicht. Sabine gab sich einen Ruck und beschloss, sich doch Facebook zu widmen. Warum nicht?
Sie setzte sie sich an ihren Laptop und fuhr ihn hoch. Sabine musste sich eingestehen, dass sie doch ein wenig aufgeregt war. Was würde sie erwarten?
Zögernd öffnete sie ihren Facebook Account und beantwortete die ausstehende Freundschaftsanfrage von David Silverstone. Allerdings schickte sie ihm gleich eine Nachricht, und zwar in deutscher Sprache.
Mein lieber David!
Vielen Dank für Deine Freundschaftsanfrage.
Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, warum Du mir diese Anfrage gesandt hast. Zwar bin ich seit einiger Zeit geschieden, aber ich bin definitiv nicht auf der Suche nach einem neuen Partner. Von Männern bin ich nur schwer enttäuscht worden, das möchte ich nicht noch einmal haben.
Ich finde es ein bisschen unhöflich, mich einfach so anzusprechen, ich bin eine anständige Frau und keine Prostituierte. Das zeugt nicht von einer guten Erziehung!
Vielleicht kannst Du es mir erklären, ich verstehe es nicht. Ich möchte in meinem Leben nur für meine Kinder, meine Bücher und Pferde da sein, das sind die Dinge, die mir jetzt wichtig sind, abgesehen von meinem Beruf. Einen Mann suche ich definitiv nicht. Ich bin über dreißig Jahre verheiratet gewesen, jetzt ist Schluss. Ich möchte frei sein. Meine Kinder sind erwachsen, jetzt kommt mein eigenes Leben und ich freue mich darauf!
Auf Deinem Profil sehe ich, Du bist aus Hamburg und wohnst jetzt in Berlin.
Stutzig wurde ich bei Deinem Namen. Der klingt doch eher englisch, wie kommt das? Ich möchte es nur wissen. Hoffentlich bin ich nicht zu neugierig. Gruß Sabine
Mehr war für eine erste Nachricht nicht wichtig, fand Sabine und sendete die erste Nachricht an David Silverstone ab. Den Account von Facebook ließ sie geöffnet, wandte sich dann aber ihrem eigentlichen E-Mail-Postfach zu.
Hatte ihr Chef ihr schon etwas Arbeit geschickt? Nein, offenbar möchte er seine angeschlagene Mitarbeiterin schonen, dachte sich Sabine und griff nach der Tageszeitung. Nichts Besonderes, wie sie nach einer knappen Stunde feststellte. Und nun?
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