„Hey, Brownie! Wie geht’s?“, begrüßt er mich und umarmt mich. Es fühlt sich freundschaftlich an. Wenn ich ehrlich bin, bin ich enttäuscht, denn ich habe auf einen Begrüßungskuss gehofft. Ich korrigiere: Mein Dämon in mir hat darauf gehofft …
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich seinen Kumpel entdeckt habe, habe ich fest damit gerechnet, dass es einen Kuss geben wird.
„Gut, gut und selbst?“
„Auch. Training war hart. Du bist echt richtig braun geworden im Urlaub. Das ist übrigens Lars“, stellt er uns höflicherweise vor.
Wir geben uns die Hand. Es macht den Eindruck, als wusste Lars nicht, dass sein Freund mit einer Frau verabredet ist. Er schaut mich zwar freundlich an, aber sein Blick verrät mir, dass er gerne weiterhin alleine Zeit mit Liam verbracht hätte. Ich hoffe stark, dass wir den Tag nicht zu dritt miteinander verbringen!
Liam verabschiedet sich von ihm, als wir die Hauptstrasse erreichen und mir fällt ein Stein vom Herzen. Eine weitere Situation, die ich nicht mit eingeplant habe, löst sich in Luft auf.
„Und? Wie war der Urlaub? Erzähl mal!“, fragt er mich, während ich ihm folge, weil ich keine Ahnung habe, wo wir nun hingehen.
„Sehr schön und entspannt. Bin allerdings immer noch ein wenig angeschlagen. Wäre schon gewesen, wenigstens im Urlaub gesund zu werden.“
„So ist das, wenn man nicht auf mich hört und einfach feiern geht“, sagt er streng, aber mit einem Grinsen im Gesicht.
Darauf antworte ich mit meiner Zunge, die ich ihm frech entgegenstrecke. Da wir in der Öffentlichkeit sind, fühle ich mich sicher. Sein Blick verrät mir, was er gerade denkt. Wäre er nicht so vergesslich, würde ich meine Antwort später definitiv sehr bereuen.
Wir gehen am Dammtor Bahnhof entlang und überqueren die große Kreuzung. Als wir vor der Jet-Tankstelle stehen, wechseln wir noch einmal die Straßenseite, gehen ein paar Meter hoch und dann bleibt Liam abrupt stehen. Denn dort steht sein Smart geparkt. Das Autofahren mit ihm habe ich sehr vermisst.
Er begibt sich nicht auf die Fahrerseite, sondern durchdringt mich mit einem finsteren Blick.
Ich schaue ihn fragend an. Woraufhin er sich vor mich stellt, auf mich zutritt und erst stoppt, als ich mit meinem Rücken gegen die Beifahrertür des Smartes gepresst werde.
Nur wenige Zentimeter trennen unsere Gesichter und dementsprechend unsere Lippen voneinander.
Mein kompletter Körper steht unter Hochspannung. Ich muss mich konzentrieren, zu atmen.
Das sind genau die Situationen, die ich liebe … die ich bei David vermisst habe. Dieses Feuer zu entfachen, darin ist Liam wirklich gut. Seine Selbstsicherheit ist sexy.
Ich erwarte, dass er jeden Augenblick beginnt mich zu küssen. Die Glut in unseren Augen lässt uns mit vollkommener Hitze umgeben. Leidenschaft entflammt in meinem Schoß, breitet sich langsam in meinen Adern aus, vermischt sich mit meinem unter Strom stehenden Blut.
Körper und Geist stehen bereit, in Flammen aufzugehen. Doch es kommt anders als erhofft.
Gerade noch schmückte ein leichtes Lächeln seinen finsteren Gesichtsausdruck; von der einen auf die andere Sekunde entweicht es ihm. Auf seinen harten, kalten Blick folgt eine noch härtere Handlung.
Ich spüre, wie sich seine große, kräftige Hand fest um meinen Hals schlingt und mir die Luft zum Atmen nimmt.
Im ersten Moment blicke ich mich reflexartig um. Wir sind mitten in der Stadt! Etwas weiter hinten kommt ein Mann auf uns zu. Ob er kommentarlos an uns vorbeigehen wird?
Mein Fokus schweift dann aber zu Liams Gesicht hin. Meine Augen beißen sich an seinen fest; böse schaue ich ihn an. Mein Ego ist zu stolz, um Schwäche zuzulassen. Ich will mich nicht ergeben, auch wenn ich in diesem Moment offensichtlich total machtlos bin.
Alles um mich herum wird schwammig, nehme ich plötzlich kaum noch wahr. Als wären wir völlig alleine. Die Wirklichkeit verblasst immer mehr, umso weniger Sauerstoff durch meine Lungen fließt.
Leichte Panik kommt in mir auf und ich versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Meine Hand packt sein Handgelenk.
„Sofort loslassen!“, sagt er nicht laut, aber bestimmend. Ich reagiere schlagartig, denn er drückt fester zu als zuvor. Meine Kehle schmerzt. Ich kann nichts sagen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht um Hilfe rufen.
Ich spüre, wie sich meine Mimik verändert und die harte Schale langsam beginnt zu pellen. Flehend suche ich nach Gnade in seinen Augen.
Er lockert seinen Griff, sodass ich wieder atmen kann. Tief sauge ich die mit Abgasen erfüllte Luft ein. Versuche schnellstmöglich mein Organ mit genügend Sauerstoff zu füllen, da ich befürchte, dass er jeden Moment wieder fest zupacken wird. Liam presst mich mit seinem Körpergewicht dichter an den Wagen.
„Du weißt, warum ich das gerade tue?“, will er von mir wissen.
Mein Verstand ruft mir zu: Nicke! Nicke! Verdammt nochmal! Aber was tue ich? Ich schüttle den Kopf. Mein Ego ist unvernünftig und lässt sich leider nichts sagen. Und wer darf darunter leiden? Ich. Sofort wird mir das Atmen verwehrt.
„Falsche Antwort“, gibt Liam angesäuert von sich.
Ich bin mir gerade tatsächlich nicht sicher, ob er wirklich sauer ist oder ob ihm mein Widerstand eigentlich doch gefällt. Jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass er wohl nicht so sehr auf Herausforderungen steht. Er wünscht sich eine Sub, die durch und durch devot ist.
Die wird er in mir nur nie finden. Eine weitere Unsicherheit sucht mich heim, obwohl ich gerade andere Sorgen haben sollte.
Doch ich bilde mir ein, dass es gar nicht allein mein Stolz ist, den ich da gerade spüre. Es ist eher etwas anderes. Nur kann ich nicht deuten, welches Gefühl es ist.
Liam lässt mir kurz Zeit, um Luft zu holen und zu antworten, aber da ich wissen möchte, welche Emotion er noch in mir auslöst, schweige ich.
„Wir können das Spiel gerne so lange spielen, bis ich zur Arbeit muss. Nur werden dann mit Sicherheit sichtbare Spuren an deinem Hals zu sehen sein. Keine Ahnung, wie du das zu Hause erklären willst“, versucht er mich aus meiner Reserve zu locken.
Die Emotion, die mir eben noch Kraft gegeben hat, schwindet.
Sie wird ersetzt durch das Gefühl der Wehrlosigkeit, was mir erschreckenderweise die Nässe in meinen Schritt schießen lässt.
Mein Hals schmerzt zunehmend. Wieder lockert er seinen Griff und ich nicke heftig mit meinem Kopf.
„Falsche Antwort“, sagt er und in meinem Verstand ploppen die Fragezeichen auf.
Meine Augen beginnen, sich mit Wasser zu füllen. Ich kämpfe dagegen an, weil ich nicht weinen und mich nicht schwach zeigen will, aber ich muss mir eingestehen, dass diese Wehrlosigkeit in mir eine Lust ausgelöst hat, die ich zuvor noch nicht kannte.
Nur schmerzt es mich zu sehen, dass wirklich kein Fünkchen Mitgefühl in Liams Blick zu finden ist.
Von wegen ihm ist meine Gesundheit wichtig! Ungefährlich ist das mit Sicherheit nicht, was er hier gerade mit mir veranstaltet. Aber unsagbar heiß! , erwidert meine Lust.
Mir rinnt eine einzelne Träne die Wange herunter. Liam gibt mir Zeit, um zu antworten. Ich schlucke schwer und versuche, ihm mit meinem Blick flehentlich verstehen zu geben, dass ich nicht weiß, was er von mir erwartet. Er deutet meinen Blick richtig.
„Sprich mit mir und schüttle nicht wie eine Irre deinen Kopf! Ich will es hören!“
Da mein Hals brennt, bin ich nicht sicher, ob ich überhaupt noch einen Ton herausbekommen kann.
„Ja, weiß ich“, krächze ich.
„Ja, und? Warum?“ Bevor ich antworten kann, drückt er wieder zu. „Und wie sollst du mich ansprechen? Hast du so schnell deine Manieren verlernt? So lange war ich nun auch nicht weg.“ Ich darf antworten.
„Weil ich Euch meine Zunge herausgestreckt habe, Sir.“ Diese Worte auszusprechen, hat mich totale Überwindung gekostet. Dass ich ihn real »Sir« genannt habe, ist schon einige Monate her und auch damals ist es mir nicht leicht über die Lippen gegangen.
Читать дальше