Ich arbeite jetzt auch noch in einer Bar auf dem Kiez. Mein Kumpel hat mir den Job besorgt. Ich hoffe, das wird ausreichen, um eine Wohnung bezahlen zu können.
Das klingt doch gar nicht schlecht. Du hast gute Perspektiven. Dafür, dass du erst eine Woche zurück in der Stadt bist …
Das stimmt. Hast du morgen Zeit? Hab tagsüber frei. Abends muss ich dann in die Bar. Würde dich gerne treffen.
Morgen habe ich noch nichts geplant.
Super. Ich bin erst noch beim Training. Willst mich von dort abholen? So gegen 14 Uhr?
Kann ich machen. Ja, passt.
Dann sehen wir uns morgen. :-*
Bis morgen! :-*
Krass. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir uns doch so schnell wiedersehen werden. Ob er morgen das Gespräch mit mir sucht? Dann hätte ich endlich Klarheit.
Dieses verdammte Lampenfieber sucht mich wieder heim; das habe ich nicht vermisst.
Ob es sich anders anfühlen wird, wenn wir uns morgen gegenüber stehen werden? Immerhin waren die letzten Monate sehr intim zwischen uns. Hoffentlich will er mich nicht für meine ganzen Fehltritte bestrafen. Dass mir starker Schmerz nicht gefällt, scheint er nicht sonderlich zu respektieren. Nun habe ich zwar mein Safeword, trotzdem vertraue ich ihm nicht gänzlich.
In der ersten Nacht hätte mir ein Safeword nichts gebracht, als er mich anal mit einem Plug entjungferte. Konnte nichts sehen, wusste nicht, was er vorhat und nach meinen Tabus hatte er auch nicht gefragt.
Hm. Nur mag ich ihm das nicht verübeln. Denn, als er mir seinen Finger in den Po steckte, habe ich mich nicht gegen diese Handlung gewehrt.
Trotzdem hätte er nicht davon ausgehen sollen, dass ich Analsex mag und haben möchte. Ich war viel zu überrascht, überfordert … Hatte den Mut nicht, ihm zu sagen, dass der Finger im Po mir mehr wehtut, als mich zu erregen. Was mich in diesem Moment erregt hat, war die Situation. Das Drumherum; nicht der Finger in meinem Arsch. Aber wie sollte er das wissen? Auch wenn ich oft das Gefühle habe, er könne Gedanken lesen, kann er es gewiss nicht.
Ich wollte zwar irgendwo, dass er aufhört, aber eigentlich wollte ich es nicht.
Ich genoss diesen außergewöhnlichen Moment viel zu sehr.
Mit einem mulmigen Gefühl in meinem Magen sitze ich in der Bahn auf dem Weg zu Liam.
Toni habe ich von dem Treffen nichts erzählt. Ich weiß, dass mich das nur noch nervöser gemacht hätte, mich mit ihr darüber auszutauschen.
Obwohl es nicht dieses Lampenfieber ist, welches ich bei dem Treffen empfand, als wir uns im Juni vor Planten un Blomen getroffen haben. Da hatte ich Schmetterlinge in meinem Bauch und Angst, weil ich ihm sagen wollte, was in mir vorgeht.
Jetzt habe ich eher Angst vor dem ersten Moment des Wiedersehens. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Weiß nicht, wie es sich anfühlen wird, ihn vor mir stehen zu haben.
Die Aufregung ist kleiner, da nicht ich diejenige bin, die mit ihm reden will, sondern er mit mir und es klang nicht danach, als würde es sich um etwas Negatives handeln.
Mit seinen niedergeschriebenen Worten vor einigen Tagen hat er in mir eine Hoffnung geweckt, die schon gestorben war.
In den letzten Tagen am Meer habe ich viel darüber nachgedacht. Habe mir die unterschiedlichsten Situationen ausgemalt. Mein Bedürfnis nach Kontrolle war anwesend wie schon lange nicht mehr. Ich bin nun auf jegliche Situation vorbereitet. Obwohl es erfahrungsgemäß so ist, dass genau das eintrifft, woran man nicht gedacht hat.
Wie damals in der WG, als ich dermaßen in meinen Gedanken vertieft war und mich seine Aufforderung, etwas über mich zu erzählen, total aus dem Konzept brachte und ich keine Antwort parat hatte.
Diese Erfahrung, die ein Schamgefühl in mir auslöste, ist in mir hängen geblieben und möchte ich nicht wiederholen.
Wenn der schlimmste Fall eintreten sollte und er den Kontakt zu mir doch abbrechen möchte, dann kann ich total cool bleiben. Ich habe mich emotional darauf eingelassen. Wahrscheinlich habe ich mich sogar zu sehr auf das Negative fokussiert. Denn der Gedanke, sollte er mich fragen, ob ich ihn näher kennenlernen möchte, mit Aussicht auf eine feste Partnerschaft, lässt keine kleinen Schmetterlinge in meinem Bauch herumfliegen.
Mel, vielleicht willst du ihn nicht mehr … schon mal an die Option gedacht?
Da ist wohl etwas dran. Meine Happy-End-Traumblase mit Liam ist schon längst geplatzt und wahrscheinlich war ich auch nie ehrlich in ihn verliebt.
Es war bloß eine Illusion. Ich war nur in eine schöne Fantasie mit ihm als Hauptrolle verliebt. Die Realität sieht anders aus.
Nur ist da mein Bedürfnis nach Sicherheit, was sich immer noch nach einer Beziehung sehnt. Es ist ein innerer Kampf. Denn sie lässt mich hoffen, dass die Worte, die Liam heute an mich richten wird, eine Veränderung mit sich bringen und ich demnächst vielleicht nicht mehr alleine stark sein brauche.
Jemand da ist, der mir den Rücken stärkt, wenn ich einen schwachen Moment habe. Ich loslassen kann, durchatmen kann. Aber mein Engelchen in mir will ihn nicht brauchen.
Vor allem nicht Liam. Generell keinen Mann. Aber ihre Meinung zu diesem sadistischen, dominanten Mann, der gleichzeitig auch masochistisch und devot ist, ist alles andere als gut. Regelmäßig flüstert sie mir ins Ohr, wie er zu mir sagte, dass er nicht mal einen Blick auf seine eigenen Gefühle werfen kann, ohne in eine Depression zu verfallen.
Ihr passt es gar nicht, dass meine Hoffnung von den Toten auferstanden ist. Dafür ist der Teufel, dieser kleine Dämon in mir, verantwortlich, der mich die Sehnsucht schmerzhaft spüren lässt. Sehnsucht lässt sich schwer unterdrücken. Sie aufzulösen, ist nicht möglich. Denn der tiefe Wunsch der Seele ist ein Teil von einem, den man sich nicht aussuchen oder umtauschen kann. Was mir sehr missfällt. Mein Engelchen kämpft trotzdem dagegen an. Mit all ihrer Macht.
Nur ist der Teufel mit seinen unfairen Mitteln einfach stärker. Jedes Mal, wenn in meinen Gedanken die Tatsache widerhallt, dass Liam Probleme mit sich hat, drückt er meinen Helfersyndrom-Knopf. Schon habe ich das Bedürfnis, dafür verantwortlich zu sein, dass es Liam besser geht. Er glücklich und zufrieden ist.
Trotz seines Egoismus, der mich stark an David erinnert, fühle ich in meinem Herzen, dass er kein schlechter Mensch ist. Er hat es definitiv verdient, geliebt zu werden und ein glückliches Leben zu führen.
Dieses Chaos in mir ist kaum zu ertragen. Nun hoffe ich, dass es sich gleich ordnen wird.
Es ist ein warmer, sonniger Tag; obwohl es für einen Augusttag wärmer sein könnte. Ich trage meine durchlöcherte Jeans und ein Top, welches an den Seiten tief ausgeschnitten ist, aber dafür das komplette Dekolleté bedeckt.
Ich wünsche mir, dass er vor dem Gym bereits auf mich wartet, werde jedoch enttäuscht. Ich muss warten und ich weiß nicht mal, wo genau hier der Eingang beziehungsweise der Ausgang ist. Daher bleibe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Den Smart scheint er woanders geparkt zu haben, denn ich konnte ihn nicht entdecken.
Ich schaue auf mein Handy, um zu prüfen, ob er mir geschrieben hat, dass er ein wenig länger braucht. Nichts. Nach zehn Minuten werde ich hibbelig.
Vielleicht hat er mich vergessen? , meldet sich meine Unsicherheit. Das wäre eine dieser Situationen, die ich nicht mit eingeplant habe.
Doch im nächsten Moment wird dieser Gedanke verworfen. Ich erblicke Liam. Neben ihm geht ein tätowierter Typ mit Bart, der alles andere als Männlichkeit ausstrahlt. Er wirkt eher mollig als breit und trainiert. Hat ein rundes Gesicht, mit weichen Augen, die ihn leicht naiv und dümmlich wirken lassen.
Die beiden nebeneinander zu sehen, fühlt sich für mich überhaupt nicht harmonisch an. Kontrastreiche Erscheinung. Aber Gegensätze ziehen sich vielleicht auch in Freundschaften an. Wenn das der Freund ist, der ihm den Job besorgt hat und bei dem er übernachten darf, dann nutzt Liam ihn möglicherweise nur aus? Würde ich ihm zutrauen.
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