Eike Stern
Die Ehre der Stedingerin
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Inhaltsverzeichnis
Titel Eike Stern Die Ehre der Stedingerin Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
Impressum neobooks
Ein Trupp von neun Reitern sprengte durch die Waldlaube am Brookdeicher Holz. Sie kamen von Burg Lechtenberg und es trieb sie zum Markt zu Berne. Ein leises Klirren begleitete sie, das Stampfen ihrer schweren Rösser ließ die Vögel in dem Bruchwald aus Weiden, Erlen und Birken verstummen.
Der Anführer trug ein blutrot auf die Knie fallendes Seidengewand und einen rostroten Mantel mit einem Kragen aus Bärenfell, der seine mächtigen Schultern unterstrich; dazu Handschuhe mit eisernen Schuppen. Eine Kettenhaube engte das rotwangige Gesicht ein und hob das starke Kinn mit dem grauweißen Vollbart hervor. Wer von hier stammte, hätte an den kalten blauen Augen Graf Moritz von Oldenburg erkannt. Ihm zur Seite ritten der barhäuptige Vogt in einem langen Kettenhemd und ein schwarzlockiger junger Herold mit einem goldbestickten, rötlichen Barett. Sechs Reisige in gelbrotem Wappenrock und Eisenkappe folgten, lange Lanzen in der Faust - in den Steigbügel gestellt wie zu einer Parade. Sie redeten wenig miteinander, bis sie aus der Waldlaube hervorbrachen.
Wo ein Feldweg abzweigte, breitete sich eine Wiese aus, goldgelbe Kornfelder wogten im Wind. „Der Roggen ist reif für die Sense“, bemerkte der Vogt und zog irritiert den Zügel an. Sein Pferd warf unwillig die Mähne zurück. Er stand auf einmal aufrecht im Steigbügel, als müsse er genauer hinsehen. Ein Gefühl beschlich ihn, sein Lehnsherr könnte hinter seinem Rücken Dinge veranlasst haben, von denen er bislang nicht in Kenntnis gesetzt wurde.
Da auch Graf Moritz sein Pferd zum Stehen brachte und verständnislos die Stirn runzelte, machte er sich Luft. Ärgerlich entfuhr ihm, „es ist schwül. Morgen oder übermorgen gibt es ein Gewitter. Auf was warten die Bauern? In drei Tagen ist Erntedank. Die Zeit drängt, die Ernte einzuholen. Wer jetzt zaudert, dem bleibt die Scheune dieses Jahr leer.“
Der Graf von Oldenburg war ein Willensmensch. Ungern hielt er sich mit Nebensächlichkeiten auf oder mit kleinlichen Empfindsamkeiten. Unterwürfige Menschen und Leisetreter verabscheute er. Eine mühsam unterdrückte Erregung war ihm anzumerken. „Unter uns gesagt: Dem schob ich einen Riegel vor. Die Knechte sind anderswo beschäftigt.“
„Ihr sprecht in Rätseln“, versetzte Konrad, der blutjunge Vogt von Burg Lechtenberg. „Heißt das, Ihr habt sie von der Feldarbeit abgezogen?“
Konrad war immerhin sein Neffe, ein Schützling, der sich nie beschwerte in den zwei Jahren, die er ihm schon gute Dienste leistete. Allerdings forderte er ihn bisher auch nicht besonders. „Das heißt“, entgegnete der Graf breit grinsend, „einigen Großbauern fehlen die Knechte. Ich teilte sie gestern für die Rodung des Hemmelskamper Waldes ein.“
Konrad stutzte. „Da habt Ihr mich übergangen… und wozu Holz schlagen? Doch wohl kaum für den Burgkamin.“
„Damit die Knechte bei der Ernte fehlen, und der Bau einer neuen Burg steht an. Mir wurde vom Erzbischof aufgetragen, aus dem Stedinger Land Erträge zu ziehen, und wir brauchen jetzt Holz. Im Osten des Hemmelskamper Waldes gibt es beachtliche Eichen.“
Konrad holte tief Atem und klopfte leidlich lächelnd dem Pferd den Hals, um es zu beruhigen. Seit der Graf mit Hofstaat und Falkner in der Burg eintraf, fühlte er sich in den Schatten gestellt, klein, unbedeutend und austauschbar. Der Graf gab den Ton an, und er hatte diesen selbstherrlichen Menschen beständig um sich, dem zu jeder Sache ein gutgemeinter Ratschlag einfiel. Wie die meisten von Kind auf verwöhnten Vertreter seines Standes bestimmte er einfach und war gewohnt, alle folgten, wenn er pfiff.
„Der Bardenflether Deichgraf wird sich das kaum bieten lassen“, hielt ihm Konrad vor. „Stedingen ist nach dem Holler Recht von jeder Fron befreit, und er ist ein Starrkopf und Neunmalklug.“
Es klang gekränkt, aber der Graf gab sich unnahbar. „Er wird es schlucken. Seit dem Sturz Heinrich des Löwen ist der Erzbischof von Bremen unser Landherr, mir wurde der Raum um Berne als Lehen zugesprochen. Es kostete mich viel Geduld, Hartwich zu überreden, mir die Vogteirechte für den Süden Stedingens zu überlassen. Und den Bauern Frondienst aufzudrücken ist Aufgabe des von mir eingesetzten Vogtes. Den aber bestimme ich, solange ich das will.“
Konrad bewies genügend Feingefühl, an diesem Punkt auf seinen Ton zu achten und seinen Gönner nicht zu erzürnen. Trotzdem kannte er die Verhältnisse in Stedingen zu gut, es stumm zu schlucken. „Wir schneiden uns ins eigene Fleisch. Verhagelt die Ernte, wird der Bauer keine Steuern entrichten.“
Der selbstbewusste Widerspruch imponierte Graf Moritz. „Ich schulde Euch wohl eine Erklärung. Nun gut. Ich habe eine mündliche Vereinbarung mit dem Prior vom Kloster Rastede. Es hapert an Ackerflächen im Raum Bremen, und hier gibt es genug. Bauernlegen nennt man das. Das Kloster Rastede fördert das. Es geht darum, im richtigen Moment die Knechte zum Frondienst zu rufen. Der Erzbischof erteilte mir Macht und Befugnis dazu. Die Forderung nach Ernteabgaben zu erneuern, bedeutet lediglich den ersten Schritt. Wir opfern zwar eine Jahresernte dem Gewitter, doch die Bauern sind dadurch gezwungen, einen Großteil ihrer Ackerfläche aufzugeben. Und den Preis dafür wird das Kloster Rastede bestimmen.“
Konrad nickte einsichtig. „Ah ja, ich beginne zu begreifen. Und in wie weit lohnt sich das für Euch?“
„Jedes dritte Gut fällt an mich. Wir sprechen uns ab, wer wofür bietet. Und für die unter den Hammer fallenden Ländereien bin ich selbst der Landherr. Im Übrigen ist ein Bauer, der den Acker auf Zeit pachtet, umgänglicher als einer, der seine eigene Scholle bestellt.“
Nach der Holzbrücke über die Hunte war es noch ein kurzer Ritt. Über den Deich an der Olle gelangten sie in den inselartigen Bereich der Warft, auf der Berne lag, umfriedet von angespitzten Palisaden, eine Ortschaft mit reetgedeckten Fachwerkhäusern und einer ansehnlichen Steinkirche. Am Rande des freien Platzes, wo lebhaftes Markttreiben herrschte und sich seit kurzem ein Rathaus aus Backsteinmauerwerk erhob, saßen sie ab von ihren Pferden. Graf Moritz stemmte die Arme in die Hüften, als ob er mehr Aufmerksamkeit erwartet hätte und spähte zu dem Steingiebel mit dem Wetterhahn hinauf. Sein Herold erstieg die Sandsteinstufen des Portals, um sich zu räuspern und vernehmbar eine Bulle zu verlesen. „Wohl sieben Jahre habt ihr keinerlei Abgaben mehr entrichtet. Ihr gehört seit drei Jahren zum Lehen der Grafen von Oldenburg“, verkündete der Herold und zwinkerte dem Grafen vertraut zu. „Jeder, der im Grundbuch des Rathauses zu Berne erfasst ist, wird hiermit aufgefordert den Zehnten zu entrichten… Das gilt ebenso für die Habenichtse, die hinten im Buch stehen“, ging es weiter.
„Euer aller Lehnsherr, Graf Moritz von Oldenburg, teilt euch ferner mit: Dank dem Schutz der jüngst errichteten Burgen Lechtenberg und Liene ist heute das gesamte Land zwischen Weser, Hunte und der Olle trockengelegt.“
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