»Was gaffst du denn so beschissen, Opa!? Bist wohl zu gut davongekommen! Warte, das haben wir gleich.«
Augenblicklich spürte Professor Treb einen festen Tritt gegen seine Weichteile. Durch den Schmerz wurde er erneut ohnmächtig.
Schnaufend und erschöpft in den Circus Maximus
Titus klopfte an die Tür. Wenig später sprach eine tiefe Stimme:
»Herein!« Mit einer tiefen Verbeugung traten wir beide ein.
Ich musste zugeben, so etwas Beeindruckendes hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Der Boden war mit einem wunderschönen persischen Teppich bedeckt. Die roten, grünen, gelben und braunen Farben machten den Raum sehr mystisch. Die Wände waren mit weißer Farbe bestrichen. Darauf hatte man wunderschöne Figuren, Tiere und Symbole gemalt. Es schien fast so, als wäre man in einem Märchen gelandet. An einer Wand auf der rechten Seite des Zimmers stand ein Regal voller Schriftrollen und daneben ein Tisch, auf dem sich eine Tonschale voller Weintrauben befand. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein massiver Eichentisch. Darauf lagen ein Dutzend Tabula cerata{6} und ein Stilus{7}, der vorne eine Spitze hatte und hinten abgeflacht war. Man ritzte mit dem Stilus eine Botschaft oder eine Zeichnung in die Tabula cerata. Wenn man das Geschriebene oder das Gezeichnete nicht mehr brauchte, drehte man den Stilus um und löschte mit dem flachen Ende diese wieder. Heute würde man dazu sagen, Notizblock der Antike. Daneben stand noch ein Becher mit roter Flüssigkeit, vermutlich war es Wein oder Traubensaft, und in einer Tonschüssel befanden sich Datteln.
»Warum stört ihr meine kostbare Zeit?«, fragte mein neuer Besitzer Titus und mich gereizt.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer nichts gesagt hatte. Flüchtig verbeugte ich mich vor ihm und trat nach vorne. Hilfesuchend blickte ich Titus an. Was sollte ich bloß meinem neuen Besitzer sagen? Zum Glück übernahm Titus das Reden. Unterwürfig begann er sich zu äußern: »Herr, wir haben gehört, dass morgen eine große Feier zu Ehren Caesars geplant ist.«
»Und?«, fragte er uns verwundert.
»Wir dachten, dass vielleicht noch Sklaven gesucht werden würden, um die Zuschauer zu bedienen«, erwiderte Titus.
»Nett, dass ihr euch solche Sorgen macht! Aber ihr hättet gar nicht fragen müssen, ich hätte euch sowieso mitgenommen. Gestern kamen nämlich drei meiner Sklaven bei einem Fluchtversuch ums Leben!«, sprach er spöttisch.
»Aber nun raus mit euch! Putzt endlich das Haus! Oder für wen haltet ihr euch überhaupt?«, brüllte er uns an.
Eilig stürmten wir aus dem Zimmer und gingen in eine Kammer, in der Besen, Holzeimer und Leinentücher aufbewahrt wurden.
Erstaunlich fand ich, dass es in der Küche, dem Badezimmer und in einem Raum im Erdgeschoss frisches Wasser gab. Titus erklärte mir, dass das Wasser aus dem Aquädukt Marcia kam. Später fand ich heraus, dass das Aquädukt um 140 vor Christus gebaut worden war. Zudem war es das zweitgrößte Aquädukt, das je errichtet wurde. Mit einer Gesamtlänge von 91 km ist es noch heute die zweitgrößte „Wasserleitungsanlage“ der Welt. Sie lieferte 187.600 Kubikmeter Wasser pro Tag nach Rom.
Aber genug mit den Fakten, die ich damals noch gar nicht kannte. Als wir gerade das Treppenhaus fertig gefegt, gewaschen und poliert hatten, kam unser Besitzer, um unsere Arbeit zu betrachten.
Jetzt trug er eine Toga mit einem schmalen purpurroten Streifen darauf. Man konnte ganz genau seinen prallen Bauch unter der Toga erkennen. Egal wie fest er den Gürtel um seinen Bauch geschlungen hatte, die Rundungen konnte man immer noch sehen. Seine blauen Augen glänzten uns gebieterisch an. Er war sicher noch keine vierzig Jahre alt, trotzdem hatte er schon eine große Glatze. Nur ein paar braune Haare waren ihm noch geblieben.
Herrisch befahl er uns: »Putzt noch die Latrinen{8}, dann könnt ihr von mir aus eine Pause machen« ehe er das Haus verließ.
Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Latrine gesehen. Zwar hatten wir einmal im Geschichtsunterricht darüber gesprochen, trotzdem war ich überrascht, als ich sie tatsächlich vor meinen Augen sah. Die meisten Latrinen gab es in öffentlichen Anlagen, aber auch Privatpersonen hatten eine Latrine zu Hause. Oft waren aber jene Menschen sehr reich.
Wieder einmal war ich froh, dass ich nicht im Mittelalter oder in sonst einem Zeitalter gelandet war, in dem die Menschen nicht so viel Wert auf Hygiene gelegt hatten wie hier.
Mit zusammengekniffener Nase begannen wir die Latrinen zu putzen. Immer bedachtsam keine der Fäkalien zu berühren. Zuerst schütteten wir etwas Wasser auf den „Sitz“ und dann putzten wir ihn mit unseren Leinentüchern ab. Am Schluss bedankten wir uns noch bei der Göttin Vesta, die eigentlich die Göttin von Heim und Herd war. Als Dank, dass wir jetzt fertig waren und als Glückssymbol für die bevorstehende Flucht, verbrannten wir beim Hausaltar Kräuter, Früchte, Honig und etwas Wein, die wir von einer Sklavin, die noch ein paar Reste der Mahlzeit unseres Herren übrig hatte, bekommen hatten. Endlich konnten wir eine Pause machen. Seit Beginn des Morgens hatten wir fast die halbe Villa geputzt. Jetzt war es schon später Nachmittag und mir knurrte der Magen.
Anscheinend hatte Titus meinen Magen gehört, denn er deutete mir, ihm zu folgen. Wie eine Ewigkeit schien es mir, bis wir endlich vor einer Tür standen, hinter der ich eine Speisekammer vermutete. Grinsend holte Titus einen Schlüssel hervor und schloss die Tür auf. Dahinter war eine große Menge an Äpfeln, Karotten, Salaten, Kräutern, Würsten und sogar ein Schwein hing von der Decke. Geschwind schnappten wir uns zwei Äpfel und sieben Würste. Danach gingen wir in die Küche und baten die Köchin, uns einen Laib Brot zu geben. Mit einer Handbewegung deutete sie einer Sklavin an, uns einen zu besorgen. Strahlend kam die Sklavin wenig später mit einem leicht angekokeltem Brotlaib zurück. Ehe sie wieder in die Küche ging, lächelte sie uns noch einmal zu. Bevor wir in unsere Zimmer gingen, pilgerten wir noch einmal zum Hausaltar. Dort angekommen, brachen wir ein Stück vom Brot ab und warfen es mitsamt einer Wurst in das Feuer. Ehrfürchtig dankten wir der Göttin Penates{9}.
Als wir fertig waren, musste sich Titus beeilen, denn ich rannte schon die Treppen hinauf, in Richtung unseres Zimmers. Vor lauter Hunger hatte ich schon fast vergessen, wie man im alten Rom richtig aß. Um eine peinliche Situation zu vermeiden, legte ich mich schnell auf mein Bett und stützte mit einer Hand meinen Kopf. Als Titus endlich unser Essen auf den Tisch stellte, nahm ich mit meiner anderen Hand eilig das Essen und würgte es beinahe hinunter, so hungrig war ich.
Ehe ich mich versah, hatten wir auch schon alles aufgegessen.
»Und, wie sollen wir unseren Plan am besten durchführen?«, erkundigte ich mich bei Titus.
Verdutzt blickte er mich an. Nach kurzer Zeit äußerte er sich: »Mein Plan für morgen ist, dass wir bis zum Nachmittag die Gäste bedienen werden und uns in unserer Pause aus dem Circus Maximus schleichen werden. Falls uns jemand fragt, sagen wir einfach, wir müssen für unseren Herren etwas besorgen.«
»Wie geht es dann weiter?«, fragte ich ihn.
»Danach fliehen wir Richtung Norden, genauer gesagt Richtung Noricum zu meiner Familie«, beantwortete Titus meine Frage.
Kurze Zeit später hörte man, wie die Eingangstür geöffnet wurde und unser Besitzer eintrat. Neugierig öffneten wir die Tür unseres Zimmers einen Spalt breit und spähten hinaus. Eilig kamen ihm andere Sklaven entgegen, die ihm seine Toga abnahmen, die Schuhe auszogen und ihm danach auch noch die Füße wuschen. Irgendwie erinnerte mich die ganze Prozedur an das letzte Abendmahl, stellte ich verdutzt fest. Aber klar doch, Jesus hatte ja auch etwa in dieser Zeit gelebt.
Читать дальше