Anno Dazumal
Der heilige Bürokratius
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Inhaltsverzeichnis
Titel Anno Dazumal Der heilige Bürokratius Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Idee
Büroulette
Am Ziel
La deutsche vita
Der Streß
Der Fehler
Widerstandsversuche
Der Einfall
Das erste Mal
Der Marsch durch die
Der Aufstand
Das Ende?
Der große Tag
Impressum neobooks
„Habe ich das richtig verstanden? Sie wollen allen Ernstes Ihre Frau verschenken?“ wiederholte die Journalistin ungläubig am Telefon. „So ist es. Das ist doch eine gute Tat. Ich brauche sie nicht mehr und da habe ich mir gedacht, vielleicht will sie ein Anderer haben“, erklärte Bertram Opla. „Aber was sagt denn Ihre Frau selbst dazu?“ „Nichts. Und kommen Sie mir bloß nicht auf die Idee, ihr irgend etwas davon zu erzählen!“ „Aber warum denn nicht? Schließlich geht es um sie und da ist schon ihre Zustimmung vonnöten.“ „Also gut, sie ist einverstanden. Kann ich mich darauf verlassen, daß die Anzeige morgen in der Zeitung steht?“ „Na ja, ich weiß nicht so recht. Das hört sich ja doch alles ein wenig nach Menschenhandel an.“ „Kommen Sie mir nicht auf die Tour! Menschenhandel wäre es, wenn ich sie verkaufen würde. Ich verschenke sie aber und darum ist das alles sehr lobenswert.“ „Wie sind sie überhaupt auf diese irre Idee gekommen?“ „Na ja, ich habe in Ihrer Zeitung die Rubrik „Die gute Tat“ entdeckt, in der allerhand Sachen verschenkt werden, die Leute nicht mehr brauchen. Na ja und da hab ich mir halt gedacht, das kann ich mit meiner Alten genauso machen.“ „Sie sollten sich etwas schämen. In der guten Tat werden nur Dinge und Tiere verschenkt.“ „Da kann ich Sie beruhigen. Meine Frau fällt unter die Kategorie Tiere.“ „Jetzt reicht’s mir aber endgültig! Sie sollten sich in ein Irrenhaus begeben.“ „Das werde ich nicht tun. Wenn Sie die Anzeige nicht drucken, dann werde ich Ihnen eine Menge Ärger machen. Ich kenne Ihren Chef sehr gut und der wird Sie sehr schnell entlassen.“ „Kann es sein, daß Sie Beamter sind?“ „Richtig. Woher wissen Sie das?“ „Das habe ich mir gedacht. Hören Sie mal! Bevor Sie jetzt weiter Steuergelder am Telefon verschwenden, legen Sie sich lieber wieder aufs Ohr und schlafen weiter.“ „Sie reden sich leicht. Ich kann ja nicht einschlafen.“ „Ihr Pech.“ „Also, wird jetzt die Anzeige gedruckt?“ „Vielleicht.“ „Das heißt ja. Ich wiederhole jetzt noch einmal den Text, der in der Zeitung erscheinen soll. „Frau (38 Jahre) zu verschenken. Kinderlieb, häuslich, fürsorgend und anhänglich. Nicht überfüttern! Wer Interesse hat, ruft 0172/549687.“ Haben Sie das notiert?“ „Ja. Und was sagen Ihre Kinder dazu?“ „Welche Kinder?“ „Sie haben doch kinderlieb gesagt.“ „Na und? Ich denke halt mal, daß sie kinderlieb ist, wenn sie schon mir als Erwachsenen immer so auf die Nerven geht. Das machen doch Kinder auch.“ „Gut, können wir das Gespräch jetzt beenden?“ „Ungern. Ich habe erst in zehn Minuten Mittagspause und davor wollte ich auch nicht mehr das Arbeiten anfangen.“ „Hören Sie, ich muß jetzt aufhören. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich noch genug zu tun.“ „Schade. Ihr arbeitenden Menschen seid viel zu hektisch. Na ja, wichtig ist, daß die Anzeige morgen in die Zeitung kommt, damit ich die alte Kuh so schnell wie möglich loswerde.“ „So einfach wird das nicht gehen. Sie müssen sich ja erst noch scheiden lassen.“ „Ach was! Ich überreiche ganz einfach dem neuen Besitzer den Trauschein.“ „Sind Sie so blöd oder tun Sie nur so?“ „Sagen Sie mir bitte Ihren Namen, damit ich Sie anzeigen kann!“ „Den Teufel werd ich tun. Aber bevor ich endlich auflege würde ich schon noch gerne wissen, wieso Sie sich wirklich von Ihrer Frau trennen wollen.“ „Blöde Frage. Das ist doch alles sehr wirtschaftlich und fortschrittlich. Ich bin mir sicher, daß meinem Beispiel viele folgen werden. Es heißt doch immer, wir sollen sparen und ich spare an der richtigen Stelle. Wozu brauche ich einen alten Drachen zuhause, wenn im Fernsehen die schönsten Frauen zu sehen sind? Die bekomme ich doch viel billiger.“ „Schon, aber nur auf dem Bildschirm.“ „Das reicht völlig. Wenigstens nerven die mich nicht, weil ich sie ausschalten kann, wenn ich sie nicht mehr brauche.“ „Also gut, ich sehe schon, Sie beweisen eindrucksvoll, daß alle Vorurteile in Bezug auf Euch Bürokraten berechtigt, wenn nicht noch stark untertrieben sind.“ „Ja ja, wiederhören! Ich hab jetzt Mittagspause.“ „Ich dachte, Sie haben erst in zehn Minuten Mittagspause.“ „Eigentlich schon. Aber der Chef ist fort und Sie glauben doch nicht, daß ich jetzt noch einen Finger rühre.“ „Na ja, dann gute Nacht.“ „Sie mich auch.“
„Jawohl“, meinte Bertram zufrieden, als er auflegte. „Hat die Dir das tatsächlich abgekauft?“ wollte Gerhard Frimmler, sein Kollege, wissen. „Na klar. Außerdem mein ich das ernst“, behauptete Bertram. Nun mischte sich auch Ulrike Kluck, die im selben Büro „arbeitete“, ein. „Hast Du echt vor, Deine Frau zu verschenken?“ „Selbstverständlich. Bin froh, wenn sie endlich abhaut. Und auf die Art und Weise krieg ich sie bestimmt am leichtesten los.“ Gerhard und Ulrike lachten. Nach der Mittagspause, die natürlich länger als erlaubt dauerte, setzten sie sich wieder in ihr Büro. Bertram schaute auf seinen Schreibtisch. „Du meine Güte! Soviel noch zu erledigen“, stöhnte er. „Man merkt halt doch, daß Du seit einer Woche streikst“, stellte Gerhard fest. „Jawohl und das ist mein gutes Recht. Deshalb werde ich auch das einzig Richtige machen“, verkündete Bertram, nahm die Akten und Papiere und schmiß sie in den überaus großen Papierkorb. „Vorsicht! Der Alte kommt!“ zischte Ulrike, die sich an der Tür postiert hatte. Sofort begaben sie sich alle Drei zu ihrem Arbeitsplatz, nahmen den Telefonhörer in die Hand und taten so, als würden sie telefonieren. „Überarbeitet Euch nicht, Leute!“ murmelte ihr Chef gähnend und zog sich dann in sein Büro zurück. Minuten später stolzierte seine Privatsekretärin durch das Büro von Gerhard und den Anderen, wobei man wieder einmal deutlich sehen konnte, daß sie mehr Gramm Silikon in der Brust als Gehirnzellen hatte. Erst als Bertram ihr zeigte, wie man die Tür zum Büro des Chefs öffnete, gelang es ihr, dessen Zimmer zu betreten. „Mensch, die hatte schon wieder keine Unterwäsche an!“ seufzte Gerhard. „Die denkt mit. Schließlich braucht sie die eh nicht“, bemerkte Ulrike. „Nicht neidisch werden. Oder willst Du den alten Sack beglücken?“ fragte Bertram sie. „Bloß nicht.“ „Na siehst Du?“ „Irgendwie ist das schon ungerecht. Gut, wir machen auch nichts, aber der macht noch weniger und kriegt trotzdem eine Privatsekretärin“, beschwerte sich Gerhard. „Tja, er ist der Boß“, brummelte Bertram achselzuckend, woraus sich ein Dialog mit seinem Kollegen entwickelte, da sich Ulrike entschlossen hatte, wenigstens ein bißchen was für ihr viel zu hohes Gehalt zu tun. Während also Ulrike mit einem Tuch den Staub von den Computern wischte, jammerte Bertram: „Einmal nur möchte ich Chef sein.“ „Na ja, solltest Du Deine Alte tatsächlich losbringen, dann bist Du es wenigstens zuhause“, tröstete ihn Gerhard. „Schon. Aber so ein Betthäschen hätte ich auch gerne.“ „Mach halt beim nächsten Gespräch mit dem Chef den Vorschlag, daß wir auch was zum Naschen kriegen!“ „Du redest Dich leicht. Der lacht mich aus und zwingt mich am Ende noch zum Arbeiten.
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