Irgendwann verspürte sie ein starkes Rütteln, und erst als sie eine Stimme von weit her wie durch eine Wolke aus Watte vernahm, kam sie langsam zu sich. Sie schlug die Augen auf, und erkannte etwas verschwommen Be, der sich über sie beugte. Er war klatschnass, Blut strömte aus seiner Kopfwunde und die eiskalten Hände strichen sanft über Marys Gesicht. Da wusste sie sofort, dies schreckliche Erlebnis war kein Traum.
„Mary, bist du okay? Hörst du mich?“
Mary schaute ihn an und dachte nur ‚ja, ja alles gut‘ brachte aber kein Wort hervor. Die Kälte kam wieder zurück. Sie begann jetzt am ganzen Körper wie Espenlaub zu zittern, alle Muskeln, Sehnen und was es sonst noch so gab bewegte sich wie von alleine. Es war wie ein Krampf, der plötzlich auftritt. Arme, Beine und der ganze Körper vibrierten, ohne dass man dagegen steuern konnte.
„Hey Mary, alles gut, wir sind in Sicherheit“.
Be, dem natürlich auch eiskalt war, nahm sie in den Arm. So verspürten sie einen Hauch von Körperwärme, die überhaupt nicht vorhanden war. Legt mal zwei Eiswürfel nebeneinander – tolle Wärmeentwicklung! Aber die haben auch keine innere Wärme ganz im Gegensatz zu Be und Mary. Ihre Herzen schlugen noch, und solange dies noch funktionierte, kommt irgendwann auch Feuer auf.
Das ist ähnlich wie mit einer kleinen Glut, die man mit Stroh füttert. Nach einer gewissen Zeit lodern die Flammen auf. Außerdem kann Gedankenkraft sehr, sehr stark sein. Es ist wie Magie. Und Mary und Be waren Magie!
Marys geschundener, total ausgelaugter Körper beruhigte sich langsam wieder. Das Zittern reduzierte sich auf ein Minimum, als sie Be‘s Körper spürte und die latente Wärme in sich aufsog. Der Himmel war immer noch pechschwarz, obwohl es nun schon früh am Morgen sein musste. Rund um sie herum waren spitze Felsen, an denen sich die Wellen aufbäumten und kalte Gischt versprühten. Vor ihnen türmte sich ein großer, nicht sehr einladend dreinschauender Hügel auf und hinter ihnen befand sich die raue, aufgewühlte See. Von einem kleinen Vorsprung, den sie mühevoll erreichen konnten, hatten sie eine gute Sicht auf das Meer.
Das Bild des Grauens, welches sich ihnen hier darbot, war haarsträubend. In der Ferne, aber noch gut erkennbar, konnte man die langsam sinkende Fähre sehen. Trümmerteile, tote Körper und sich verzweifelt an irgendwas festhaltende, um ihr Leben schreiende Menschen trieben im Wasser. Mehrere Helikopter mit starken Suchscheinwerfern umkreisten das Schiff. Der Wind war immer noch so heftig, dass die Piloten massive Schwierigkeiten hatten, die Maschinen gerade zu halten.
Mary war so gebannt und konzentrierte sich auf das Spektakel, dass sie den Helikopter, der plötzlich im Steilflug hinter ihnen auftauchte, nicht hörte. Als er sich direkt über ihnen befand, zuckte sie vor Schreck zusammen und duckte sich instinktiv, machte einen Schritt nach links und rutschte von der Felskante ab. Mit einer schnellen Drehung wollte sie sich im Fallen noch am Felsen festhalten, doch da sie noch sehr schlecht sehen konnte, und nichts erkannte, verfehlte Mary den Vorsprung und fiel so unglücklich, dass sie sich an einer Felskante, die sich wie ein Messer anfühlte, die linke Seite an ihrem Bauch aufschlitzte. Sie wollte schreien vor Schmerz, aber ihr Körper war schon im Meer verschwunden.
Sie sah nur noch Wasser um sich, als zwei Hände unter ihren Armen auftauchten und sie kraftvoll nach oben zogen. Mary klammerte sich an Be, der sie sicher an Land brachte. Mit Hilfe von Be, der sie von hinten immer wieder anschob, versuchte sie, die Felsen hoch zu klettern. Endlich oben, sackte Mary, nach Luft schnappend und stark hustend, um das Wasser aus den Lungen zu bekommen, erst einmal auf ihre Knie. Dabei brannte ihre Wunde am Bauch so sehr, dass sie sich vor Schmerzen krümmte. Be kniete sich neben sie.
„Hey, ist alles okay? Kann ich dir helfen?“
Mary nahm die blutverschmierte Hand von ihrem schmerzenden Bauch und streckte sie Be entgegen, um diesen zu beruhigen.
„Ist alles okay“ sagte sie hustend.
Be nahm ihre Hand. „Okay nennst du das? Bist du verletzt?“
„Nein, geht schon“, lenkte sie ab, da sie ihn nicht beunruhigen wollte – oder sich! „Was ist mit deinem Kopf, hast du Kopfschmerzen oder ist dir übel?“
„Nein. Bis auf die Wunde und ein paar Schrammen bin ich okay“.
„Wirklich?“ fragte Mary.
Sie machte sich große Sorgen und wollte ihn nicht verlieren. Be nahm nun ihre Hände in die seinen und sah zum ersten Mal die Risse und Kratzer, die sie sich von der Planke und beim Sturz vom Felsen zugezogen hatte.
„Was ist mit deinen Händen? Sehen echt scheiße aus“.
Mary musste lachen. „Sie tun auch echt scheiß weh. Hättest du nicht so viel gegessen, wärest du auch leichter zu transportieren gewesen“.
„Vielen Dank, dass du mich da rausgeholt hast“.
„Das war reiner Eigennutz, wenn ich großen Hunger bekomme, kann ich dich ja essen“.
Beide lachten nun, allerdings mit ziemlich verzerrten Gesichtern. Be entfernte Mary ein paar Holzsplitter aus der Hand und band ihren Seidenschal darüber, den sie sich als Gürtel um die Hüfte gelegt hatte. Jetzt stand er auf um erst einmal die Gegend zu erforschen und heraus zu bekommen wo sie überhaupt gelandet waren. Sie schauten sich in die Augen und spürten dabei so ein unbeschreibliches Gefühl von Nähe und Wärme in sich aufkommen, das man nicht in Worte fassen konnte.
„Mary, bist du wirklich nicht verletzt?“
„Vielleicht ein bisschen.“ Be reichte es jetzt. Er drehte sie sanft zur Seite. Mary lag nun gekrümmt und hustend auf dem Rücken, holte tief Luft, um ihren Körper zu entspannen und hielt sich dabei den schmerzenden Bauch. Er nahm sachte ihre Hand zur Seite, damit er etwas erkennen konnte, schob das T-Shirt nach oben und den Bund ihrer Hose nach unten. Da erkannte er den langen, blutenden Schnitt, der von der Taille bis fast zum Bauchnabel verlief.
„Ist mein Blinddarm noch da oder ist er schon rausgefallen?“
„Blinddarm noch da, alles andere weg.“ Be schaute Mary sehr besorgt an, die ihn schief angrinste, um die Situation aufzulockern.
„Na dann brauche ich wenigstens keine Fettabsaugung“.
„Nein die brauchst du nicht. Aber ich weiß nicht, was ich auf die Wunde machen soll.“
Mary überlegt nicht lange und fing an, ihre Bluse aufzuknöpfen. Be fragte mit einem etwas verdutzten Blick „Hey Schatz, du willst doch jetzt nicht wirklich Sex mit mir?“
„Klar, doch, hilf mir bitte.“ Mary streifte ihre Bluse ab, nahm die Träger ihres Tops über die Schultern und rollte das Ganze nach unten um ihren Bauch. Be begriff sofort, was sie vorhatte und schob behutsam das Top wie einen Schlauchverband über die Wunde.
„Danke, jetzt kannst du mir hochhelfen“.
Er hievte Mary langsam auf die Beine. Erleichtert schaute sie ihm tief in die Augen, nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn zärtlich auf die Lippen.
Be traf es wie einen Stromschlag. Sein Herz fing an zu rasen, er bebte am ganzen Körper und konnte seinen Blick nicht von Mary lösen.
„Danke“ hauchte sie in sein Ohr und hätte ihn in diesem Augenblick verschlingen können, traute sich aber nicht. Sie schaute ihn an und sagte grinsend:
„Liebling, Sex können wir dann später haben, wenn wir wieder zuhause sind.“
Er lachte und nahm sie in den Arm. „Hey, pass bitte in Zukunft besser auf. Ich möchte dich nicht verlieren! ... Und das mit dem Sex. Könnten wir darüber noch mal diskutieren?“
Mary boxte ihn lachend in die Seite. „Mal sehen, wenn du dich anständig benimmst.“
Be merkte, wie er sich immer mehr zu ihr hingezogen fühlte. Er hob Marys Bluse vom Boden auf und half ihr sie anzuziehen. Eigentlich nur ungern, denn Mary war ja im Augenblick nur mit Hose und BH bekleidet, und was er da so sah, gefiel ihm ganz ausgezeichnet! Sie zog ihre Hose höher, sodass der Bund das Top hielt und nichts verrutschen konnte.
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