„Es macht ja nichts. Zeichne mir ein Schaf.“
Da ich nie zuvor ein Schaf gezeichnet hatte, machte ich für ihn eine der zwei Zeichnungen, die ich konnte: die der geschlossenen Boa. Und ich war völlig verdattert, die Erwiderung des kleinen Mannes zu hören:
„Nein! Nein! Ich will keinen Elefanten in einer Boa. Eine Boa ist sehr gefährlich, und ein Elefant braucht viel zu viel Platz. Bei mir zu Hause ist alles sehr klein. Ich brauche ein Schaf. Zeichne mir ein Schaf.“
Dann zeichnete ich. Er sah sich das aufmerksam an und meinte:
„Nein! Das ist schon sehr krank. Zeichne ein anderes.“
Und ich zeichnete. Mein Freund lächelte liebenswürdig:
„Du siehst doch... Das ist kein Schaf, das ist ein Widder, es hat Hörner...“
Ich machte meine Zeichnung noch einmal. Aber sie wurde genauso abgelehnt wie die früheren:
„Das hier ist zu alt. Ich hätte gern ein Schaf, das lange lebt.“
Ich wurde ungeduldig, ich musste unbedingt mit dem Ausbau des Motors beginnen.
Ich kritzelte diese Zeichnung hin.
Ich rief:
„Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, ist darin.“
Ich war sehr überrascht, als ich sah, wie das Gesicht meines jungen Richters strahlte:
„Das ist genauso wie ich es wollte! Glaubst du, dass dieses Schaf viel Gras braucht?“
„Warum?“
„Weil bei mir zu Hause alles klein ist...“
„Das wird bestimmt ausreichen. Ich habe dir ein ganz kleines Schaf geschenkt.“
Er neigte seinen Kopf zur Zeichnung:
„Nicht so klein wie... Aber schau! Es ist eingeschlafen...“
Auf diese Weise machte ich die Bekanntschaft mit dem kleinen Prinzen.
Das ist das beste Portrait, das mir von ihm gelungen ist.
Ich brauchte noch lange, um zu verstehen, woher er kam.
Ich brauchte noch lange, um zu verstehen, woher er kam. Der kleine Prinz stellte mir viele Fragen, schien aber meine eigenen nie zu hören. Es waren zufällig ausgesprochene Worte, die mir häppchenweise alles offenbarten. So, als er zum ersten Mal mein Flugzeug erblickte (ich werde nun mein Flugzeug nicht zeichnen, es wäre für mich eine viel zu schwierige Zeichnung), fragte er mich:
„Was ist das für ein Ding?“
„Das ist kein Ding, das ist ein Flugzeug – mein Flugzeug.“
Und ich war stolz, ihm mitzuteilen, dass ich fliege.
Da rief er:
„Was? Du bist vom Himmel gefallen?“
„Ja“, tat ich bescheiden.
„Das ist aber lustig!...“
Und der kleine Prinz hatte einen Lachanfall, der mich ganz schön irritierte. Ich wünsche, dass man mich ernst nimmt, auch wenn ich Pech habe.
Dann fügte er hinzu:
„Dann kommst auch du vom Himmel? Von welchem Planeten bist du denn?“
Da schien sich das Rätsel seiner Anwesenheit ein wenig aufzuklären, und ich fragte ihn unvermittelt:
„Du kommst also von einem anderen Planeten?“
Er antwortete mir nicht. Beim Anblick meines Flugzeugs schüttelte er sanft den Kopf:
„Klar. Damit kannst du nicht von sehr weit kommen.“
Er verfiel in einen lang andauernden Traumzustand. Dann zog er mein Schaf aus der Tasche heraus und versank in die Betrachtung seines Schatzes.
Ihr könnt euch vorstellen, wie neugierig mich die Andeutung über die „anderen Planeten“ gemacht hatte. Ich versuchte also mehr in Erfahrung zu bringen.
„Woher kommst du, junger Mann? Wo ist deine Heimat? Wohin willst du mein Schaf bringen?“
Nach einem nachdenklichen Schweigen antwortete er:
„Die Kiste, die du mir geschenkt hast, wird ihren Dienst tun: Nachts kann sie ihm als Unterbringung dienen.“
„Sicher. Und wenn du freundlich bist, werde ich dir auch einen Strick schenken, um es tagsüber festzubinden. Und einen Pflock.“
Der Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu entrüsten:
„Festbinden? Was für eine seltsame Idee!“
„Aber wenn du es nicht festbindest, könnte es weglaufen und verloren gehen.“
Mein Freund bekam wieder einen Lachanfall:
„Aber wie stellst du es dir vor: wohin weglaufen?“
„Unwichtig. Immer geradeaus...“
Diesmal bemerkte der kleine Prinz ernsthaft:
„Es macht ja nichts. Es ist derart klein bei mir.“
Und, vielleicht mit einem Anflug von Melancholie, setzte er hinzu:
„Immer geradeaus kommt man nicht sehr weit...“
Der kleine Prinz auf seinem Asteroiden B 612
Auf diese Weise hatte ich ein zweites Detail erfahren, das sehr wichtig war: und zwar, dass sein Herkunftsplanet kaum größer war als ein Haus.
Das konnte mich ja nicht gerade überraschen. Ich wusste natürlich schon, dass es, abgesehen von den großen Planeten wie Erde, Jupiter, Mars, Venus, denen man sogar einen Namen gegeben hat, weitere Hunderte gibt, von denen sehr viele so klein sind, dass man sie sogar am Teleskop nur mit viel Mühe wahrnimmt. Wenn ein Astronom einen solchen entdeckt, gibt er ihm als Namen eine Nummer. Er nennt ihn etwa „Asteroid 325“.
Ich habe triftige Gründe zu glauben, dass der Planet, von dem der kleine Prinz kam, der Asteroid B 612 ist. Dieser Asteroid wurde nur einmal am Teleskop erblickt, und zwar von einem türkischen Astronomen im Jahr 1909.
Er hatte dann auf einem internationalen Astronomenkongress eine ausführliche Beweisführung seiner Entdeckung vorgetragen. Aber wegen seines Anzugs hatte ihm keiner geglaubt. So sind die Erwachsenen.
Zum Glück für das Bekanntwerden des Asteroiden B 612 schrieb ein türkischer Diktator seinem Volk bei Todesstrafe vor, sich europäisch zu kleiden. Der Astronom, diesmal sehr elegant gekleidet, wiederholte seine Beweisführung im Jahr 1920. Und alle waren seiner Meinung.
Es ist wegen der Erwachsenen, dass ich euch diese Details über den Asteroiden B 612 erzählt habe, sogar seine Nummer habe ich euch anvertraut. Die Großen lieben Zahlen. Wenn ihr mit ihnen über einen neuen Freund redet, erkundigen sie sich nie über das Wesentliche. Sie fragen euch nie: „Wie klingt seine Stimme? Welche Spiele mag er? Sammelt er Schmetterlinge?“ Sie fragen eher: „Wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? Wie viel wiegt er? Wie viel verdient sein Vater?“ Nur dann glauben sie, ihn zu kennen. Wenn ihr den Großen sagt: „Ich habe ein schönes Haus mit roten Ziegelsteinen gesehen, mit Geranien an den Fenstern und Tauben auf dem Dach...“, können sie sich das Haus nicht vorstellen. Man muss ihnen sagen: „Ich habe ein Haus gesehen, das bestimmt hunderttausend Francs kostet.“ Dann schreien sie: „Oh, wie schön das ist!“
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