Thomas E. Conrad
Kreuzfahrt
Erzählung
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Inhaltsverzeichnis
Titel Thomas E. Conrad Kreuzfahrt Erzählung Dieses eBook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Die riesige Haufenwolke versuchte immer wieder, sich vor die Sonne zu schieben. Doch irgendwie gelang es dem Winde beständig zu verhindern, dass sie als Sieger hervorging. Es war, als ob der strahlende Himmel dem Luftstrom befahl, eine Verdunklung seiner selbst zu verhindern. Helios contra Kumulus. `Wie originell`, lächelte ich in mich über meine fremdsprachliche Eitelkeit hinein. Ich beobachtete dieses Schauspiel nun schon ziemlich lange und versuchte meine Seele baumeln zu lassen. Die Fahrtgeräusche des großen Kreuzfahrtschiffes klangen hier oben auf dem Sonnendeck wegen des ruhigen Wetters bei spiegelglatter See nur sehr gedämpft herauf. Der Wind war warm und schwach, die anderen Gäste ebenso um Stille bemüht wie ich selbst. Ich war fast der einzige Passagier unter vierzig Lebensjahren auf dieser Reise und manchmal fühlte ich mich wie ein Fremdkörper unter all den Älteren, die mich, wie ich mir einbildete, ständig musterten und beobachteten. Doch jetzt wanderten meine Gedanken wieder ab und erinnerten mich daran, wie ich eigentlich hierher gekommen war.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Impressum
Prolog
Die riesige Haufenwolke versuchte immer wieder, sich vor die Sonne zu schieben. Doch irgendwie gelang es dem Winde beständig zu verhindern, dass sie als Sieger hervorging. Es war, als ob der strahlende Himmel dem Luftstrom befahl, eine Verdunklung seiner selbst zu verhindern. Helios contra Kumulus.
`Wie originell`, lächelte ich in mich über meine fremdsprachliche Eitelkeit hinein.
Ich beobachtete dieses Schauspiel nun schon ziemlich lange und versuchte meine Seele baumeln zu lassen. Die Fahrtgeräusche des großen Kreuzfahrtschiffes klangen hier oben auf dem Sonnendeck wegen des ruhigen Wetters bei spiegelglatter See nur sehr gedämpft herauf. Der Wind war warm und schwach, die anderen Gäste ebenso um Stille bemüht wie ich selbst.
Ich war fast der einzige Passagier unter vierzig Lebensjahren auf dieser Reise und manchmal fühlte ich mich wie ein Fremdkörper unter all den Älteren, die mich, wie ich mir einbildete, ständig musterten und beobachteten.
Doch jetzt wanderten meine Gedanken wieder ab und erinnerten mich daran, wie ich eigentlich hierher gekommen war.
I.
„Der Boss will dich sehen. Möglichst gleich. Aber keine Sorge, scheint gut bei Laune zu sein.“ Torsten hatte nur den Kopf durch meine Bürotür gesteckt, zwinkerte mir zu und zog ihn jetzt wieder zurück.
Ich lehnte mich nach hinten, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte daran, was wohl jetzt kommen könnte.
Eigentlich nur Positives, oder?
Ich griff nach meinem Jackett und zog es auf dem Wege zum Aufzug an.
Als ich das Vorzimmer betrat, betrachtete mich Fr. Eberhardt mit ihrem üblichen Pokerface unter Ihrer randlosen Brille und betätigte die Wechselsprechanlage. Sie trug wie an jedem Tag ein unauffälliges Businesskostüm, was ihre schlanke Figur durchaus positiv zur Geltung brachte. Ihr dunkles gewelltes Haar wirkte allerdings etwas altbacken frisiert und machte jedem schnell klar, dass sie schon längst die fünfzig überschritten haben musste.
Was sie sagte, verstand ich nicht, aber das „Soll rein kommen!“ war nicht zu überhören.
Ich betrat Schröpfers Büro und betrachtete den 55-jährigen hinter seinem gigantischen Edelholzschreibtisch. Der mittelgroße Mann sah auch aus wie immer: dunkelblauer Nadelstreifenanzug vom Edelschneider, ebenso nach Maß gefertigte Schuhe im klassisch englischen Stil, weißes Hemd und Designerkrawatte. Die Manschettenknöpfe waren exakt auf die rotgoldene schlichte Patek Philippe Calatrava an seinem Handgelenk abgestimmt. Aber sein durchschnittliches Gesicht und vor allem sein höchstens noch durchschnittlich zu nennendes Benehmen gegenüber seinen Angestellten standen in drastischem Gegensatz zu seinem gepflegten Äußeren.
Er schaute auf, strich sich über das schüttere, schmutzigblond-graue Haar und lächelte breit.
„Setzen sie sich, Herr Berger. Wie haben sie das nur gemacht? Ihre Kampagne, ein voller Erfolg. Die Vertriebspartner melden fast alle steigende Umsätze, der Bekanntheitsgrad unserer Marke ist deutlich gestiegen, die Verkaufsabteilungen sind begeistert. Das war die beste Aktion der letzten Jahre. Sie sind auf dem Höhepunkt angelangt, Berger. Oder können Sie selbst das noch toppen?“ Auch er zwinkerte mir zu und grinste mich an.
Ich wusste nicht viel darauf zu sagen, dachte nur an die letzten Monate, an die sechzig bis achtzig Arbeitsstunden pro Woche, den Schlafmangel, die ständigen Streitigkeiten zu Hause mit Andrea, abgesagte Partys, durchgeschlafene Sonntage, Augenringe im Spiegel, Einnicken am Schreibtisch und so weiter und so weiter.
Aber natürlich war da auch dieses Hochgefühl, dieser Triumph über all die Zweifler und Neider und ihre Blicke, die immer zu sagen schienen: „Das schafft DER nie!“.
Ich brummte irgendetwas von Dankbarkeit wegen der Anerkennung und überließ Schröpfer wieder das Wort.
„Ich habe mir etwas ganz Besonderes für sie ausgedacht. Ich glaube, ihr letzter Urlaub liegt schon ziemlich lange zurück. Wie wäre es mal mit einer Kreuzfahrt im sonnigen Süden, jetzt im verregneten April doch sicher genau das Richtige, oder?“
Er lächelte gönnerhaft und seine schlaff werdenden Wangen glühten vor Begeisterung.
Ich dachte kurz nach und machte mir dann schnell klar, dass eine Ablehnung hier gar nicht möglich war. Selbst wenn ich mich in Kürze einer Operation zu unterziehen hätte oder was auch immer für einen guten anderen Grund, Schröpfer wäre bis ins Mark beleidigt gewesen.
Abgesehen davon erschien mir die Aussicht auf einen Urlaub auf einem Schiff durchaus angenehm. Sonne, Wasser, kühle Drinks und schöne Nächte mit Andrea in einer kleinen Kabine mit einem winzigen Bullauge, warum nicht?
Ich lächelte und bedankte mich artig für die Auszeichnung.
Schröpfer wedelte mich jetzt mit seinen Händen aus seinem Büro.
„Frau Eberhardt regelt die Einzelheiten draußen mit Ihnen, viel Spaß und erholen Sie sich gut.“.
Damit war die Audienz beendet und ich schlich so leise hinaus wie ich gekommen war.
Um kurz nach fünf betrat ich die Tiefgarage, startete meinen Roadster und fuhr frohgelaunt mit quietschenden Reifen nach Hause.
Die Penthouse-Wohnung lag nahe der City Frankfurts und je näher ich heimkam, desto dichter wurde der Verkehr. Im Stau stehend richtete ich heute fast zum ersten Mal meine Gedanken auf Andrea.
Vor fünf Jahren hatten wir uns auf einer Party kennengelernt. Beide frisch getrennt aus früheren Beziehungen, beide knapp über dreißig, blendend aussehend, Top im Job, wie aus einer dieser kitschigen amerikanischen Beziehungskomödien, bei denen bei einem Haufen Yuppies immer alles im Chaos versinkt, bis das Happy End wieder alles ins Lot bringt.
Sie sah einfach toll aus, ziemlich groß, langes mittelblondes Haar, schlanke Figur, gebildet, charmant, Designerbrille, dezent geschminkt. Ging ziemlich schnell mit ihnen beiden bis zum gemeinsamen Einzug in die tolle Eigentumswohnung mit Blick auf die Frankfurter Skyline.
Ihre Anwaltskanzlei konnte sich vor Klienten kaum retten und die Honorare waren gepfeffert.
Auch sie arbeitete viel zu viel und manchmal fanden sie erst an den Wochenenden Zeit, um mal wieder etwas mehr als ein paar nette Worte miteinander zu wechseln. Doch der Sex war immer noch äußerst befriedigend, die gemeinsamen Abende in edlen Restaurants romantisch und die Zukunft rosig. Über Kinder hatten sie noch nie so richtig gesprochen, irgendwann sicher mal ein Thema, aber momentan?
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